TE OGH 1984/8/9 12Os83/84

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Veröffentlicht am 09.08.1984
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Der Oberste Gerichtshof hat am 9.August 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral (Berichterstatter), Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wittmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Andreas A wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 3 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1. Dezember 1983, GZ. 4 d Vr 13114/82-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten und der Verteidigerin Dr. Berta Mühl zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und, zum Teil auch gemäß § 290 Abs. 1 StPO., das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, 1) in seinem Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB. (Punkt I 2 des Urteilssatzes) und 2) wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 2.

Deliktsfall StGB. (Punkt IV des Urteilssatzes) und daher auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Andreas A ist schuldig, er hat am 13.Oktober 1983 den Gruppeninspektor Alfred B dadurch der Gefahr der behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß er ihn im Zuge der Hauptverhandlung durch die Behauptung, der Genannte habe ihn anläßlich der Vernehmung durch Schläge zu einem falschen Geständnis gebracht, der von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB. falsch verdächtigt, wobei er wußte, daß diese Verdächtigung falsch war.

Er hat hiedurch das Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 erster Strafsatz StGB. begangen und wird hiefür und für die ihm nach den unberührt bleibenden Teilen des Schuldspruchs zur Last liegenden Taten, nämlich des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 3 StGB., der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1

StGB. und der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB. nach §§ 28, 129 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen ihm die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas A neben einer anderen Straftat der Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 3 StGB. und der Verleumdung nach § 297 StGB.

sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB. und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er in Wien I./ am 23.Juni 1982

1.) eine fremde bewegliche Sache in einem 5.000 S übersteigenden Wert, nämlich das Moped Marke Zündapp 530-03, im Wert von 14.000 S dem Gerhard R*** durch Aufbrechen der Absperrkette, sohin einer Sperrvorrichtung mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

2.) dadurch, daß er die auf dem zu 1./ genannten Moped befestigte Kennzeichentafel W 30.994 entfremdete und wegwarf, eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückte, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich der aufrechten Zulassung des Mopeds zum öffentlichen Verkehr, gebraucht werde;

II./ am 1.Juli 1982 Gerhard C durch die an dessen Wohnungstür angebrachte schriftliche Mitteilung, daß er und sein zu dem gewünschten Treffen mitzubringender Freund heute einer 45-er Kugel nicht davonkäme, zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedrohte, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen; IV./ am 13.Oktober 1983 den Gruppeninspektor Alfred B dadurch der Gefahr der behördlichen Verfolgung aussetzte, daß er ihn im Zuge der Hauptverhandlung durch die Behauptung, der genannte habe ihn anläßlich der Vernehmung durch Schläge zu einem falschen Geständnis gebracht, der von Amts wegen zu verfolgenden und mit ein Jahr Freiheitsstrafe übersteigender Strafe bedrohten Handlung des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB.

wissentlich falsch verdächtigte.

Die Punkte I 1 und 2, II und IV des Schuldspruchs bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 10 (der Sache nach 9 lit. a) StPO.

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Verfahrensrüge nach dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund wendet sich gegen das Unterbleiben der vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung am 13.Oktober 1983 beantragten Einholung des Gutachtens eines Schriftsachverständigen zum Beweise dafür, daß der Drohbrief (Faktum II) nicht vom Angeklagten stamme (S. 228). Dieser Beweisantrag wurde jedoch in der - erst zum Urteil führenden, gemäß § 276 a StPO. neu durchgeführten -

Hauptverhandlung am 1.Dezember 1983 vom Beschwerdeführer nicht wiederholt (siehe ON. 33), sodaß es an der unerläßlichen Voraussetzung der Verfahrensrüge, nämlich eines in der Hauptverhandlung gestellten und entweder unerledigt gebliebenen oder der Ablehnung verfallenen Beweisantrages mangelt (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO., Nr. 30-33 zu § 281 Z. 4). überdies hat das Erstgericht die Durchführung der beantragten Beweisaufnahme ohnedies versucht.

Diese stellte sich aber als unmöglich heraus, weil der mit einer Schablone hergestellte Drohbrief keine vergleichbaren persönlichkeitsspezifischen Schriftmerkmale enthält (vgl. ON. 29). In der Mängelrüge behauptet der Beschwerdeführer offenbar unzureichende Begründung des Schuldspruchs in den angeführten Fakten, die einen Zirkelschluß ('es ist so, weil es so ist') darstelle. Tatsächlich bekämpft er allerdings nur in einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Weise die erstgerichtliche Beweiswürdigung, die sich mit allen Ergebnissen des Beweisverfahrens auseinandersetzt und daraus den Denkgesetzen entsprechende Schüsse zieht (Par 258 Abs. 2 StPO.). Daß auch andere Schlüsse denkmöglich gewesen wären, kann den behaupteten Nichtigkeitsgrund aber nicht herstellen.

Das Erstgericht hat im Zuge seiner Beweiswürdigung die Glaubhaftigkeit des bei der Polizei abgelegten Geständnisses des Beschwerdeführers (S. 33) auch deshalb angenommen, weil der Sicherheitsbehörde vor diesem Zeitpunkt nichts bekannt war, was auf dessen Täterschaft im Faktum II (gefährliche Drohung) hinwies. Dieses Argument, mit dem das Erstgericht seine Beweiswürdigung aber keineswegs ausschließlich stützt, steht, entgegen dem Beschwerdevorbringen, nicht im Widerspruch zum Akteninhalt. Denn der Beschwerdeführer hat es verstanden, die Drohung so zu formulieren, daß er selbst als bedroht anzusehen war, so hat er sich auch der angeblichen Drohung entsprechend mit dem Zeugen Gerhard C unter überwachung durch einen Kriminalbeamten zum aufgetragenen Ort begeben (vgl. S. 34, 65).

Das weitere Beschwerdevorbringen zum Faktum II, die erstgerichtliche Feststellung, C habe sich zufolge der gefährlichen Drohung gefürchtet, sei in den Verfahrensergebnissen nicht begründet, bezieht sich auf keine entscheidende Tatsache im Sinne des behaupteten Nichtigkeitsgrundes, ist doch zur Erfüllung des Tatbildes nach § 107 Abs. 1 StGB. zwar die Eignung der Drohung begründete Besorgnisse einzuflößen (§ 74 Z. 5 StGB.), erforderlich, nicht aber deren tatsächlicher Eintritt beim Bedrohten. Für die Feststellungen zum Schuldspruchfaktum I 1) (Diebstahls des Mopeds des Gerhard C) hat das Erstgericht eine ausführliche Begründung gegeben (S. 262 bis 265). Es hat sich keineswegs nur auf das Argument beschränkt, die Verantwortung des Angeklagten - bei ihm und bei seinem Bruder wurden Bestandteile des gestohlenen Mopeds gefunden -, er habe die Mopedbestandteile von einem Burschen namens 'Burli' gekauft, sei deshalb unrichtig, weil er genug Zeit hatte, den Unbekannten, den er ja nach seiner Verantwortung vom Sehen kannte, auszuforschen. Das Schöffengericht ist somit auch in diesem Punkt seiner Begründungspflicht nachgekommen.

Rechtliche Beurteilung

Schließlich versagt auch das Beschwerdevorbringen zum Faktum IV, das ohne Anführung eines konkreten Begründungsmangels im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 5

StPO. sich auf den - gewiß zutreffenden - Hinweis beschränkt, aus der (von ihm bestrittenen) Schuld des Beschwerdeführers in den Fakten I und II folge nicht zwingend die Unwahrheit seines Vorwurfes, von dem Kriminalbeamten zu den diesbezüglichen Geständnissen durch Schläge genötigt worden zu sein. Die weitgehend nicht gesetzmäßig ausgeführte Mängelrüge ist somit zur Gänze unberechtigt.

In der ziffernmäßig auf § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO., der Sache nach jedoch auf Z. 9 lit. a gestützten Rechtsrüge macht der Beschwerdeführer geltend, der Schuldspruch zu I 1 und 2 sei in dieser Form denkunmöglich, da ihm die Unterdrückung der Kennzeichentafel nicht zugleich als Diebstahl und Urkundenunterdrückung angelastet werden könne, habe er doch schon durch die Wegnahme des Mopeds (samt der daran befestigten Kennzeichentafel) den Eigentümer außer Stande gesetzt, sich dieser zu bedienen.

Die Rechtsrüge ist begründet.

Das Erstgericht hat den Angeklagten des Diebstahls des Mopeds Marke Zündapp 530-03 schuldig erkannt. Dieser Schuldspruch erfaßt auch die mit dem Moped verbundenen Kennzeichentafeln W 30.994. Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofes können amtliche Kraftfahrzeugkennzeichentafeln Gegenstand eines Diebstahls sein (Leukauf-Steininger 2 § 127 StGB. RN. 5 lit. m). Ein Schuldspruch wegen Diebstahls konsumiert jedoch das allenfalls nach anderen gesetzlichen Bestimmungen in der nachfolgenden Verwertung oder Vernichtung der gestohlenen Sache liegende Unrecht. Dieses stellte eine straflose (weil vorbestrafte) Nachtat dar (Leukauf-Steininger 2 § 28 StGB. RN. 51, 52). Der Schuldspruch wegen Diebstahls des Mopeds, der auch die Kraftfahrzeugkennzeichentafel umfaßt, schließt somit eine zusätzliche Bestrafung des Täters nach § 229 Abs. 1 StGB. in bezug auf diese Tafel aus (vgl. 12 Os 136/83).

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher teilweise Folge zu geben und der Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1

StGB. (Punkt I, 2) des Urteilssatzes) aufzuheben.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof überzeugt, daß das angefochtene Urteil mit einer vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten, jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO. von Amts wegen wahrzunehmenden (weiteren) materiellrechtlichen Nichtigkeit im Sinne des Par 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. behaftet ist:

Das Erstgericht beurteilte die nach dem Inhalt des Schuldspruchs zu IV vom Angeklagten dem Kriminalbeamten angedichtete Straftat als Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB., somit als eine Tat, die mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, die ein Jahr übersteigt. Diese rechtliche Beurteilung war jedoch unzutreffend. Taten, die nicht einmal äußerlich Amtshandlungen sind (z.B. Körperverletzungen, Drohungen etc.) sind nicht Amtsmißbrauch, mögen sie auch während der Amtsbesorgung oder unter Ausnützung der durch das Amt gebotenen Möglichkeit verübt werden. Der gegen den Beamten erhobene Vorwurf der Erzwingung eines richtigen oder falschen Geständnisses ist darum Vorwurf einer Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB.

(EvBl. 1982/198; für die Erzwingung wahrer Geständnisse bereits EvBl.

1979/29). Diese Gesetzesverletzung wirkte sich durch die Heranziehung des höheren Strafsatzes des § 297 StGB. zum Nachteil des Angeklagten aus, ist doch nur das Verbrechen des Amtsmißbrauches nach § 302 StGB. mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedroht, nicht aber das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB. Daß für die vom Angeklagten fälschlich angelastete Straftat eine Strafschärfung nach § 313 StGB. fakultativ in Betracht gekommen wäre, ist für die Höhe der allein maßgeblichen abstrakten Strafdrohung ohne Bedeutung (Leuk:uf- Steininger 2 , § 297 StGB. RN. 16 und Pallin im WK. § 297 StGB. RN. 22).

Es war daher auch das angefochtene Urteil im Schuldspruch Punkt IV aufzuheben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst dahin zu erkennen, daß der Angeklagte des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1

erster Strafsatz StGB. schuldig gesprochen wird.

Die teilweise Aufhebung und Abänderung des Urteils hatte auch zwingend die Aufhebung des Strafausspruches zur Folge. Die Strafe war für das Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 erster Strafsatz StGB. sowie für die nach dem unberührt bleibenden Teil des Schuldspruchs zur Last liegenden Taten (Verbrechen des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 3 StGB., Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB. und der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224

StGB.) nach §§ 28, 129 StGB. neu zu bemessen.

Bei der Strafbemessung war erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen, die mehrfachen einschlägigen, zum Teil auch die Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 StGB. erreichenden Vorstrafen und der rasche Rückfall, mildernd das Alter unter 21 Jahren sowie die durch eine vernachlässigte Erziehung beeinflußte Persönlichkeitsstörung des Angeklagten.

Bei diesen Strafbemessungsgründen ist eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten angemessen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04630

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0120OS00083.84.0809.000

Dokumentnummer

JJT_19840809_OGH0002_0120OS00083_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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