TE OGH 1984/8/9 12Os63/84

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Veröffentlicht am 09.08.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.August 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger (Berichterstatter) und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wittmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Friedrich A wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 2 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems a.d. Donau als Jugendschöffengericht vom 8. Februar 1984, GZ. 8 Vr 1012/83-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug und des Verteidigers Dr. Ernst Kassal jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staansanwaltschaft wird dahin Folge gegeben, daß das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3

StPO. in der Sache selbst erkannt wird:

Friedrich A ist schuldig, er hat am 30.Juni 1983 in Groß-Harmanns in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Konrad A als Beteiligter fremde bewegliche Sachen, nämlich zwei vor einer römischkatholischen Kapelle aufgestellte Engelfiguren aus Porzellan in einem jedenfalls 5.000 S nicht übersteigenden Wert der Maria B mit dem Vorsatz weggenommen, seinen Bruder Konrad A durch die Zueignung der Statuen unrechtmäßig zu bereichern.

Er hat hiedurch das Vergehen des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB. begangen. Gemäß § 13 JGG. wird der Ausspruch und die Vollstreckung der zu verhängenden Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufgeschoben.

Gemäß §§ 389, 390 a StPO. fallen ihm auch die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 26.Mai 1968 geborene beschäftigungslose Friedrich A von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe am 30.Juli 1983 in Groß- Harmanns in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Konrad A als Beteiligter fremde bewegliche Sachen, die der Verehrung durch eine im Inland bestehende Kirche gewidmet sind, nämlich zwei vor einer römisch-katholischen Kapelle aufgestellte Engelfiguren aus Porzellan, Ton oder Gips im Wert von ca. 1.600 S der Maria B mit dem Vorsatz weggenommen, seinen Bruder Konrad A durch die Zueignung der Statuen unrechtmäßig zu bereichern, und hiedurch das Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 2 StGB.

begangen, gemäß § 259 Z. 4 StPO. freigesprochen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen fuhr der ältere Bruder des Angeklagten, Konrad A, mit seinem PKW., in welchem sich auch seine Ehefrau Herta A, der Angeklagte und ein 14-jähriges Mädchen befanden, am Abend des 30.Juli 1983 auf dem Heimweg von einem Fest bei einer Kapelle in Groß-Harmanns vorbei. Vor dieser standen beiderseits des Einganges jeweils auf Sockeln von 10 cm Höhe zwei Engelfiguren in der Größe von 34 bzw. 26 cm; nach Annahme des Erstgerichtes bestand eine aus Porzellanguß und die andere vermutlich aus Gips. Sie waren dort vor einigen Jahren von Maria B aufgestellt worden. Konrad A beschloß, die Figuren zu stehlen, um sie in seinem Garten aufzustellen, hielt den PKW. an und forderte den Angeklagten auf, die Figuren zum Fahrzeug zu holen und im Kofferraum zu verstauen. Diesem Wunsch entsprach der Angeklagte. Dabei wurde er von einer fremden Person beobachtet und angesprochen. Ungeachtet dessen brachten die Brüder A die Figuren in die eheliche Wohnung des Konrad A und seiner Frau, wo sie in einer Tiefkühltruhe unter Fleisch versteckt wurden. Auf Grund eines vertraulichen Hinweises ergaben durchgeführte Erhebungen die Täterschaft der Brüder A, welche den Diebstahl zugaben, wonach auch die Figuren sichergestellt werden konnten.

Das Erstgericht sprach den Angeklagten gemäß § 259 Z. 4 StPO. von der gegen ihn erhobenen Anklage frei.

Dieses Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Z. 9 lit. b (der Sache nach jedoch auch auf jene der Z. 5) des § 281 Abs. 1 StPO.

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Staatsanwaltschaft die Unterstellung der Tat unter die Qualifikationsnorm des § 128 Abs. 1 Z. 2 StGB. begehrt, kommt ihrer Beschwerde - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - keine Berechtigung zu.

Die in Rede stehende Qualifikationsnorm setzt voraus, daß der Diebstahl in einem der Religionsausübung dienenden Raum oder an einer Sache, die dem Gottesdienst oder der Verehrung durch eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgesellschaft gewidmet ist, begangen wurde. Keine dieser Voraussetzungen trifft vorliegend zu. Nach den Feststellungen des Schöffengerichts standen die beiden gestohlenen Engelfiguren außerhalb einer (römisch-katholischen) Kapelle, und zwar auf der vor dieser Kapelle befindlichen Grünanlage. Daraus folgt, daß der Diebstahl nicht e loco sacro begangen wurde, weil diese Alternative des Par 128 Abs. 1 Z. 2 StGB. die Verübung des Diebstahls innerhalb eines der Religionsausübung dienenden Raumes voraussetzt; Flächen, die außerhalb eines solchen Raumes liegen, können aber schon vom Wortsinn her nicht dem Rauminneren zugezählt werden. Die beiden Engelfiguren waren aber auch ihrer Art nach nicht Sachen, die dem Gottesdienst der römischkatholischen Kirche gewidmet sind, weil es sich dabei um solche handeln muß, an oder mit denen nach der herkömmlichen Anschauung der betreffenden Kirche (oder Religionsgesellschaft) gottesdienstliche Handlungen vorgenommen werden. Das trifft für den (hier maßgebenden) Bereich der römisch- katholischen Kirche zweifellos in bezug auf Altäre, Altargefäße, Monstranzen, Kruzifixe, Meßgewänder und dergleichen zu (vgl. Leukauf/Steininger Kommentar 2 § 126 RN. 6), nicht aber in bezug auf die urteilsgegenständlichen, auf einer Grünfläche vor einer Kapelle einzeln aufgestellten Engelfiguren, weil an oder mit diesen gottesdienstliche Handlungen gemeiniglich nicht vorgenommen werden.

In Betracht käme daher - wie auch die Generalprokuratur an sich zutreffend ausführt - vorliegend lediglich, daß es sich bei den beiden Engelfiguren um Sachen gehandelt haben könnte, die der Verehrung durch die römisch-katholische Kirche gewidmet sind. Dies ist indes im gegebenen Fall zu verneinen. Ob eine Sache der Verehrung durch eine Kirche (oder Religionsgesellschaft) gewidmet ist, muß stets einzelfallbezogen geprüft werden. Entscheidend ist, ob der Sache aus geistig-religiöser Sicht der betreffenden Kirche (oder Religionsgesellschaft) widmungsgemäß die Funktion eines Objekts religiös motivierter Verehrung zukommt, wie dies in bezug auf die römisch-katholische Kirche z.B. bei Reliquien, Madonnen- oder Heiligenbildern, Heiligenstatuen oder Votivtafeln in Wallfahrtskirchen und ähnlichem in der Regel der Fall ist (vgl. abermals Leukauf/Steininger a.a.O. RN. 6). Im vorliegenden Fall kann eine solche Widmung als Objekte religiös motivierter Verehrung in Ansehung der beiden in Rede stehenden Engelfiguren nach den erstgerichtlichen Urteilskonstatierungen nicht angenommen werden; und zwar weder nach der Art der Figuren noch nach dem Ort ihrer Aufstellung. Die beiden Figuren wurden darnach nicht zum Zwecke religiöser Verehrung, das heißt, damit ihnen gegenüber huldigende Ehrfurcht empfunden und zum Ausdruck gebracht wird, aufgestellt, sondern ersichtlich deshalb, um die Grünfläche vor der Kapelle zu verzieren. Mangels ihrer Widmung zur Verehrung durch die römischkatholische Kirche fehlt es ihnen daher am Merkmal einer res sacrae, sodaß auch unter diesem Gesichtspunkt die Qualifikation des § 128 Abs. 1 Z. 2 StGB. -

entgegen der von der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme vertretenen Auffassung - zu Recht nicht angenommen worden ist. Begründet ist die Nichtigkeitsbeschwerde des öffentlichen Anklägers hingegen insoweit, als sie sich gegen die Annahme der Voraussetzungen des Par 42 StGB. und damit gegen den Freispruch gemäß § 259 Z. 4 StPO. wendet.

Der Angeklagte hat nach den Feststellungen des Ersturteils die beiden Engelfiguren mit dem Vorsatz weggenommen, den Konrad A durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern; er hat diesen Diebstahl in Gesellschaft des Genannten als Beteiligter und somit das Vergehen des Diebstahls nach Par 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB. begangen. Der - nach der Strafdrohung des Par 127 Abs. 2 StGB. grundsätzlich anwendbare - sachliche Strafausschließungsgrund des § 42 StGB. ist im vorliegenden Falle deshalbIn der nicht gegeben, weil weder eine geringe Schuld des Täters (§ 42 Abs. 1 Z. 1 StGB.) vorliegt, noch generalpräventive Erwägungen (zweiter Fall der Z. 3 leg. cit.) außer Betracht bleiben können.

Ob die Schuld des Täters gering ist, ist in erster Linie an Hand der Strafzumessungsgründe, soweit sie unmittelbar die Schuld betreffen, zu prüfen;

diese Strafzumessungsschuld muß jedoch, um als gering gewertet werden zu können, absolut, aber auch im Vergleich zu den typischen Fällen des betreffenden Delikts gering sein, sie muß erheblich hinter dem typisierten Schuld- und Unrechtsgehalt zurückbleiben, wobei schuldmildernde Umstände sowohl in persönlichen Eigenschaften des Täters als auch in Umständen bei Begehung der Tat (Unbesonnenheit, drückende, nicht auf Arbeitsscheu zurückführende Not usw.) gelegen sein können. Dabei soll aber kein extrem strenger Maßstab angelegt werden, weil dies den Intentionen des Gesetzgebers zuwiderliefe (Steininger, Der Ladendiebstahl und die damit verbundenen Fragen der Bagatellkriminalität, RZ. 1981, 31). Im vorliegenden Fall ist die Schuld des Angeklagten im Hinblick auf die planmäßige und überlegte Begehung der Tat weder absolut, noch in Relation zu den typischen Fällen derartiger Delikte als gering anzusehen. Denn der Angeklagte wurde nach der Aktenlage während der Sachwegnahme vom Bewohner eines nahegelegenen Hauses beobachtet und angerufen, hatte jedoch die Unverfrorenheit, den Diebstahl trotzdem unter Gebrauch einer Ausflucht vor den Augen dieses Zeugen zu vollenden, worin sich eine entsprechende Stärke seines Täterwillens und Intensität seines deliktischen Verhaltens manifestiert. Aber auch die vom Gesetz ausdrücklich geforderte Rücksichtnahme auf Erfordernisse der Generalprävention (§ 42 Abs. 1 Z. 3 zweiter Fall StGB.) spricht gegen den Freispruch des Angeklagten gemäß § 259 Z. 4 StPO., um andere Personen von derartig gelagerten Diebstählen, die einen nicht unbeträchtlichen sozialen Störwert für die Umwelt beinhalten, abzuhalten.

Da im vorliegenden Fall somit diese im § 42 StGB. normierten Voraussetzungen nicht gegeben waren, war der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben und der Angeklagte wie im Spruch ersichtlich schuldig zu sprechen.

Weil der Angeklagte unbescholten und sozial integriert ist, er weiters einen guten Leumund hat und im Hinblick auf sein Alter noch grundsätzlich resozialisierungsfähig ist, ist anzunehmen, daß der Schuldspruch allein genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Auch bedarf es nach Lage des Falles nicht des Ausspruchs und der Vollstreckung der Strafe, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Es war daher der Ausspruch und die Vollstreckung der verwirkten Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufzuschieben.

Anmerkung

E04632

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0120OS00063.84.0809.000

Dokumentnummer

JJT_19840809_OGH0002_0120OS00063_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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