Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.September 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon.Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gurschler als Schriftführer in der Strafsache gegen Leopold A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 9.Juli 1984, GZ. 12 Vr 724/84-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, die Tat sei mit einem solchen Mittel und auf solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, begangen worden, in der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung der Tat (auch) als schwere Körperverletzung nach § 84 Abs. 2 Z. 1 StGB. sowie demgemäß im Strafausspruch (einschließlich des davon abhängigen Ausspruchs gemäß § 38 StGB.) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Leopold A des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er am 12.März 1984 in Villach (seine damalige Lebensgefährtin) Lucia B mit einem (16 cm langen, 10 cm breiten, 5 cm hohen und ca. 1 kg schweren) Betonziegel, somit mit einem solchen Mittel und auf solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihr durch wiederholtes Versetzen von Schlägen gegen den Kopf (an sich noch leichte Verletzungen, nämlich) tiefe Rißquetschwunden an der Schädeldecke, eine Prellung der linken Augengegend und eine Fraktur des vierten Fingers der rechten Hand zufügte, wobei die Tat eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Der nur gegen die Qualifikation nach § 84 Abs. 2 Z. 1 StGB. erhobenen auf die Z. 5, '9 a (10)' - sachlich nur Z. 10 - des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu. In Ansehung der bekämpften Erfolgsqualifikation hat das Erstgericht lediglich zur objektiven Tatseite festgestellt, daß die vom Angeklagten mit einem lebensbedrohlichen Mittel, nämlich einem Betonziegel geführten Schläge gegen den Kopf ihrer Art nach zudem durchaus geeignet waren, lebensgefährliche Verletzungen bzw. den Tod herbeizuführen (S. 112).
Zu Recht führt der Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsrüge (Z. 10) gegen das Ersturteil ins Treffen, daß dieses jedwede Feststellungen über die subjektiven Erfordernisse des § 84 Abs. 2 Z. 1 StPO. vermissen lasse. Denn die objektive Feststellung allein, daß die Tat mit einem solchen Mittel und auf solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, begangen wurde, genügt für den Tatbestand nicht. Es bedarf vielmehr zur Annahme der in Rede stehenden Qualifikation auch in subjektiver Hinsicht der (über den Verletzungs- bzw. Mißhandlungsvorsatz nach § 83 StGB. hinausgehenden) Feststellung, daß der Täter auch den lebensgefährlichen Charakter seiner Tat als solchen in seinen (zumindest bedingten) Vorsatz aufnimmt, indem er ihn mindestens ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (vgl. Leukauf/Steininger Kommentar 2 RN. 9, Burgstaller im Wiener Kommentar Rz. 42 ff., 65 f. je zu § 84, Kienapfel BT I RN. 352 und die dort jeweils zitierte Judikatur). Schon der aufgezeigte Feststellungsmangel macht in Ansehung des betroffenen Qualifikationsfalls eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich, sodaß nach Anhörung der Generalprokuratur bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO.), ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedarf.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte darauf zu verweisen. Im fortgesetzten Verfahren wird vom Erstgericht bei der (neuerlichen) Vorhaftanrechnung gemäß § 38 StGB. zu beachten sein, daß dem Angeklagten im ersten Rechtszug (ON. 27) die gesamte Vorhaft (vom 12.März 1984 bis zur Urteilsverkündung am 9.Juli 1984) angerechnet worden ist, obwohl er nach der Aktenlage offensichtlich (vgl. ON. 13, 14, 15) in der Zeit vom 2.April bis 2.Juni 1984 eine zweimonatige Freiheitsstrafe im Verfahren zum AZ. 12 E Vr 534/84 des Landesgerichtes Klagenfurt verbüßt hat. Da die insoweit ungerechtfertigte Vorhaftanrechnung im ersten Rechtsgang von der Staatsanwaltschaft unbekämpft blieb, wäre deren allfällige (zum Nachteil des Angeklagten ausschlagende) Ausschaltung in der neuerlichen Entscheidung mit Nichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO. behaftet und daher unzulässig (§§ 293 Abs. 3, 290 Abs. 2 StPO.).
Anmerkung
E04582European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0100OS00144.84.0911.000Dokumentnummer
JJT_19840911_OGH0002_0100OS00144_8400000_000