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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §39 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Berger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde 1. des MV, 2. der AKJ in K, beide Tschechische Republik, beide vertreten durch Dr. Dieter Brandstätter, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 19a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 19. März 2003, Zl. uvs-2003/16/011-2, betreffend Verfall einer Sicherheitsleistung in einer Verwaltungsstrafsache (Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 7. Jänner 2003 wurde der Betrag von EUR 1.450,--, der als vorläufige Sicherheitsleistung wegen des Verdachtes der Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes durch die Zweitbeschwerdeführerin als Unternehmerin eingehoben und vom Erstbeschwerdeführer als Lenker bezahlt worden war, gemäß § 37a Abs. 5 VStG in Verbindung mit § 37 Abs. 5 und § 17 Abs. 3 VStG für verfallen erklärt. Nach der Begründung dieses Bescheides sei laut einer Anzeige der Zollwachabteilung Brenner/MÜG vom 1. Oktober 2002 folgende Verwaltungsübertretung begangen worden:
"Ein Verantwortlicher des Unternehmens und somit gemäß § 9 VStG als nach außen hin zur Vertretung berufenes Organ der Firma A (zweitbeschwerdeführende Partei) mit Sitz in CZ-..... K, die Zulassungsbesitzerin des Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen KLM 9 ... und KLM 3 ... (beide CZ) ist, (hat es) unterlassen, dafür Sorge zu tragen, dass der Lenker für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern durch das Gebiet der Republik Österreich am 27. September 2002 von Italien kommend nach Deutschland fahrend, die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz angeführten Berechtigungen, entgegen den Bestimmungen des § 9 Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet im Kraftfahrzeug mitgeführt hat und den Aufsichtsorganen auf deren Verlangen vorweisen konnte. Dies haben sie als Verantwortlicher des Unternehmens unterlassen.
Diese Übertretung wurde anlässlich einer Kontrolle durch Bedienstete der Zollwacheabteilung Brenner/MÜG am 27. September 2002 um 10.30 Uhr auf der A 13 Brennerautobahn bei km 10,8 im Gemeindegebiet Schönberg im Stubaital in Fahrtrichtung Deutschland festgestellt."
Dadurch sei eine Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs. 3 GütbefG 1995 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Z 6 und 9 GütbefG 1995 in der Fassung BGBl. Nr. 106/2001 verwirklicht worden. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2002 bzw. 22. November 2002 sei das Unternehmen ("Firma A", die zweitbeschwerdeführende Partei) aufgefordert worden, der Behörde ein gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen befugtes Organ des Unternehmens bekannt zu geben. Ein Verantwortlicher im Sinne des § 9 VStG sei nicht bekannt gegeben worden und habe als Beschuldigter von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck auch nicht namhaft gemacht werden können. Der Unternehmer selbst habe seinen Sitz im Ausland, ein Abkommen über die Vollstreckung von Geldstrafen zwischen der Republik Österreich und dem Heimatstaat habe nicht bestanden.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Parteien gegen diesen Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung als unbegründet abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der von der Zweitbeschwerdeführerin eingesetzte Lenker habe die Sicherheitsleistung entrichtet. Der erstinstanzliche Bescheid habe sich nur an jenen Fahrer der Zweitbeschwerdeführerin richten können, der die Sicherheitsleistung (für diese) entrichtet habe, weil - trotz zweier Aufforderungen an die Zweitbeschwerdeführerin bzw. den in der Folge als deren Rechtsvertreter einschreitenden Rechtsanwalt - "kein weiterer Ansprechpartner namhaft gemacht" worden sei. Da mit der Tschechischen Republik "keine Rechtshilfe ... und auch kein Vollstreckungsübereinkommen" bestehe, sei die Annahme der Erstbehörde, dass kein Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt bzw. eine allenfalls verhängte Geldstrafe nicht vollstreckt werden könne, berechtigt und schlüssig. Eine bestimmte Person habe wegen des dem Unternehmer vorgeworfenen Verwaltungsdeliktes nicht verfolgt oder bestraft werden können, weil kein Geschäftsführer namhaft gemacht worden sei. Verweigere das im Verdacht der Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes stehende Unternehmen (die Zweitbeschwerdeführerin) seine Mithilfe, könne die Behörde davon ausgehen, dass kein Strafverfahren durchgeführt werden könne. Der erstinstanzliche Bescheid (der an "M.V." (den Lenker) und an "A" (die Zweitbeschwerdeführerin) zu Handen des sowohl für den Lenker als auch die Zweitbeschwerdeführerin einschreitenden Rechtsanwalt adressiert worden war) sei entgegen dem Berufungsvorbringen kein "absolut nichtiger Bescheid, da dieser lediglich auf einen Ansprechpartner der Firma A ... lautet und sonst alle wesentlichen Bestandmerkmale eines Bescheides" aufweise. Eine Beschwer durch die Nennung des Lenkers im Spruch liege nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:
1. Gemäß § 9 Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz (GütbefG), BGBl. Nr. 593/1995 in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2001, hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet mitgeführt werden. Gemäß § 9 Abs. 3 GütbefG hat jeder Unternehmer, der veranlasst, dass eine Fahrt durch Österreich durchgeführt wird, für die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 3298/94, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2012/2000 (Ökopunkteverordnung), Ökopunkte zu entrichten sind, dem Fahrer vor Antritt der Fahrt die entsprechende Anzahl von Ökopunkten zu übergeben. Wird ein Umweltdatenträger benützt, hat sich der Unternehmer davon zu überzeugen, dass ausreichend Ökopunkte zur Verfügung stehen und dass der Umweltdatenträger einwandfrei funktioniert. Er hat weiters den Fahrer darüber zu belehren, welche Maßnahmen dieser zur Einhaltung der Ökopunkteverordnung zu treffen hat.
§ 22 Abs. 1 und 3 GütbefG in der Fassung BGBl. I Nr. 106/2001 lautet:
"(1) Die Behörde hat Verstöße von Unternehmern, die ihren Wohnsitz, oder von Unternehmen, die ihren Sitz in einem anderen Staat haben, der zuständigen Behörde des Staates, in dem der Unternehmer seinen Wohnsitz hat oder das Unternehmen seinen Sitz hat, mitzuteilen, wenn diese Verstöße einen Entziehungstatbestand bilden. Diese Benachrichtigung hat auch die von der Behörde getroffenen Maßnahmen zu enthalten.
(3) Weitergehende gegenseitige Amts- und Rechtshilfeabkommen werden dadurch nicht berührt."
Gemäß § 23 Abs. 1 GütbefG in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2002 begeht, abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen eine Verwaltungsübertretung, wer - unter anderem - als Unternehmer Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hierfür erforderliche Bewilligung durchführt oder Gebote oder Verbote von zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht einhält (Z 3), § 9 Abs. 3 zuwiderhandelt (Z 6), oder unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist (Z 9).
§ 24 GütbefG in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2002, lautet:
"Als vorläufige Sicherheit im Sinne des § 37a VStG kann bei Verdacht einer Übertretung der Vorschriften über den grenzüberschreitenden Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen (§§ 7 bis 9) oder einer Zuwiderhandlung gemäß § 23 Abs. 1 Z 3, 6 sowie Z 8 bis 10 ein Betrag von 1.453,-- EUR festgesetzt werden. Bei Verdacht einer Übertretung des Unternehmers gilt dabei der Lenker als Vertreter des Unternehmers, falls nicht dieser selbst oder ein von ihm bestellter Vertreter bei den Amtshandlungen anwesend ist."
2. Zunächst ist zum Beschwerdevorbringen, der Erstbeschwerdeführer sei im Sinne des § 24 GütbefG nur als Vertreter des Unternehmers anzusehen, weshalb jedenfalls ihm gegenüber ein Verfallsbescheid unzulässig gewesen sei, darauf hinzuweisen, dass der in Rede stehende Geldbetrag vom Erstbeschwerdeführer als Lenker erlegt wurde und mit zwei Schriftsätzen, jeweils vom 28. Oktober 2002, vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides neben der Zweitbeschwerdeführerin auch der Erstbeschwerdeführer selbst die Refundierung dieser Sicherheitsleistung verlangt hat. Auch wenn der Lenker gemäß § 24 GütbefG bei der Festsetzung einer vorläufigen Sicherheit wegen des Verdachtes einer Übertretung des Unternehmers als dessen Vertreter gilt, falls der Unternehmer nicht selbst oder ein von ihm bestellter Vertreter bei den Amtshandlungen anwesend ist, so ist der Erstbeschwerdeführer im vorliegenden Verfallsverfahren jedenfalls Partei, weil er unter Hinweis darauf, dass er die Sicherheitsleistung für seinen Arbeitgeber entrichtet habe, deren Rückgabe an ihn selbst beantragt hat.
Der erstinstanzliche Bescheid (der an "M.V." (den Lenker) und an "A" (die Zweitbeschwerdeführerin) zu Handen des sowohl für den Lenker als auch die Zweitbeschwerdeführerin einschreitenden Rechtsanwalt adressiert worden war) ist daher auch an beide beschwerdeführenden Parteien ergangen und von beiden in Berufung gezogen worden. Der Erstbeschwerdeführer ist daher dadurch, dass dieser Bescheid auch ihm gegenüber ergangen ist, nicht in Rechten verletzt worden.
3. Nicht von Relevanz ist das weitere Beschwerdevorbringen, wegen des Vorfalles vom 27. September 2002 sei gegen den Erstbeschwerdeführer als Lenker ein Verwaltungsstrafverfahren anhängig, weil es für den Verfall der in Rede stehenden Sicherheitsleistung gemäß § 17 Abs. 3 VStG darauf ankommt, ob der Unternehmer verfolgt oder bestraft werden kann.
4. Gemäß § 37 Abs. 5 VStG kann die Sicherheit für verfallen erklärt werden, sobald sich die Strafverfolgung des Beschuldigten oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist. § 17 ist sinngemäß anzuwenden.
Kann keine bestimmte Person verfolgt oder bestraft werden, so kann gemäß § 17 Abs. 3 VStG auf den Verfall selbständig erkannt werden, wenn im übrigen die Voraussetzungen dafür vorliegen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ermächtigt § 17 Abs. 3 VStG die Behörde, den Verfall als selbständige Maßnahme (objektiver Verfall) auszusprechen, wenn der Tatbestand einer in ihre Zuständigkeit zur Strafverfolgung fallenden Verwaltungsübertretung gegeben ist, eine bestimmte Person jedoch aus welchen Gründen immer nicht verfolgt werden kann, also Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen (vgl. die Erkenntnisse vom 28. Februar 1996, Zl. 94/03/0263, und vom 24. Oktober 1990, Zl. 90/03/0152).
Die beschwerdeführenden Parteien rügen, das ihnen zur Last gelegte Verhalten stelle eine Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Z 3 GütbefG, und nicht - wie von der Behörde angenommen - eine Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs. 3 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Z 6 und 9 GütbefG dar. Mit diesem - an sich zutreffenden - Vorbringen zeigen die beschwerdeführenden Parteien keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Dass der Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck fallenden Verwaltungsübertretung nicht erfüllt gewesen wäre, haben die beschwerdeführenden Parteien im Verfallsverfahren nicht behauptet; vielmehr haben sie die dem erstinstanzlichen Bescheid zugrunde gelegten Feststellungen in der Anzeige vom 1. Oktober 2002, wonach die bei der Kontrolle am 27. September 2002 vorgelegte Fahrtengenehmigung Nr. 006047 bei der Einfahrt am Brennerpass nicht vorschriftsmäßig entwertet worden sei, während des gesamten Verwaltungsstrafverfahrens nicht bestritten. Da der objektive Verfall gemäß § 17 Abs. 3 VStG ebenso wie der in den § 37 Abs. 5 und § 37a Abs. 5 VStG vorgesehene Verfall beschlagnahmter Gegenstände keine Strafe, sondern eine Sicherungsmaßnahme darstellt (vgl. Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze II2, Anm. 2 und 12 zu § 17 VStG), bestand - entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Parteien - für die belangte Behörde keine Verpflichtung, im Spruch des angefochtenen Bescheides die verletzten Verwaltungsvorschriften zu bezeichnen. Die unrichtige Subsumtion der Tat verletzte die Beschwerdeführer daher nicht in ihren Rechten.
Die beschwerdeführenden Parteien bringen in diesem Zusammenhang weiters vor, die erstinstanzliche Behörde habe lediglich bei der Zweitbeschwerdeführerin angefragt, wer das zur Vertretung nach außen befugte Organ sei. In einem an die erstinstanzliche Behörde gerichteten Schreiben sei (durch den Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Parteien) mitgeteilt worden, dass, sollte die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens beabsichtigt sein, keine Verpflichtung zur Selbstbelastung bestehe, was die Erstbehörde unzulässigerweise zum Anlass genommen habe, die Sicherheitssumme für verfallen zu erklären; ein Ermittlungsverfahren sei nicht eingeleitet worden.
Dazu ist zu bemerken, dass zwar grundsätzlich die zur Vertretung nach außen berufene Person im Sinne des § 9 VStG von Amts wegen festzustellen ist (vgl. Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze II2, Anm. 8 zu § 9 VStG). Im vorliegenden Fall war dies der belangten Behörde jedoch nicht möglich, da - was in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen wird - zwischen der Republik Österreich und der Republik Tschechien kein Vertrag über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen besteht (vgl. dagegen den diesbezüglichen Vertrag der Republik Österreich mit der Bundesrepublik Deutschland, BGBl. 1990/526; weitere Hinweise bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, Anm. 3 zu § 1 VVG und Anm. 1 zu § 11 ZustellG). Im Beschwerdefall war somit eine Strafverfolgung im Sinne von § 37 Abs. 5 und § 17 Abs. 3 VStG unmöglich.
Schließlich ist mit dem Hinweis der beschwerdeführenden Parteien auf § 22 GütbefG, dass "im Sinne des Gemeinschaftsrechtes auch Amtshilfe ... ausdrücklich vorgesehen" sei, für die beschwerdeführenden Parteien schon deshalb nichts gewonnen, weil die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Verstöße keinen Entziehungstatbestand - auf diesen bezieht sich § 22 GütbefG - bilden.
5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 8. Juni 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003030084.X00Im RIS seit
03.07.2005Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008