Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18. September 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini (Berichterstatter), Dr. Walenta, Dr. Lachner sowie Hon. Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gurschler als Schriftführer in der Strafsache gegen Manfred A wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143 erster Fall und § 15 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Linz vom 11. April 1984, GZ 22 Vr 1783/83-84, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik und des Verteidigers Dr. Adler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 41 Abs 1 StGB auf 4 (vier) Jahre herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden - auch Teilfreisprüche enthaltenden - angefochtenen Urteil wurde Manfred A der Verbrechen (I.) des (1.) in einem Fall vollendeten und (2.) in einem weiteren Fall (an einer Taxilenkerin) versuchten schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143 erster Fall und 15 StGB, (II.) der (in einem Fall) versuchten Erpressung (zur späteren Ausfolgung von 500 S) nach § 15, 144
Abs 1 StGB und (III.) des (in drei Fällen mit einem Beutewert von rund 11.900
S verübten) schweren Diebstahls (teils) durch Einbruch (in Personenkraftwagen) nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB sowie (IV.) des (in zwei Fällen begangenen) Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Als vollendeter schwerer Raub (I. 1.) liegt ihm zur Last, am 13. Juni 1983
in Linz in Gesellschaft eines Beteiligten (§ 12 StGB) durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), und zwar mit dem Umbringen, während sein Komplize Aufpasserdienste leistete, dem Wolfgang B 500 S Bargeld mit dem Vorsatz abgenötigt zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Rechtliche Beurteilung
Der nur gegen diesen Teil des Schuldspruchs gerichteten, auf § 345 Abs 1 Z 6, 8 und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Einen Subsumtionsfehler des Schwurgerichtshofs (Z 12) erblickt er zunächst darin, daß 'schon nach der Anklage' lediglich eine 'gefährliche' Drohung und nicht eine solche 'mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben' vorliege, weil darnach entsprechend forensischer Erfahrung eine Drohung mit dem Umbringen in der Regel 'nicht ernst zu nehmen' sei; deshalb - so vermeint er - habe er zum Faktum I. 1. nicht Raub, sondern nur Erpressung zu verantworten. Diese Rüge geht indessen grundlegend fehl.
Denn zum einen kann der geltend gemachte materiell-rechtliche Nichtigkeitsgrund nur durch einen Vergleich des (von den Geschwornen) im Wahrspruch als erwiesen angenommenen Sachverhalts mit dem (vom Schwurgerichtshof) darauf angewendeten Gesetz prozeßordnungsgemäß dargetan werden; sowohl bei der Feststellung des Sinngehalts einer öußerung, der ihr vom Täter beigemessen wird, als auch bei der Konstatierung jener Begleitumstände, von denen es abhängt, ob eine Drohung vom Adressaten in concreto ernst zu nehmen, also unter Anlegung eines Durchschnittsmaßstabs aus objektiver Sicht geeignet ist, bei jenem die begründete Besorgnis der Verwirklichung des ihm angedrohten übels hervorzurufen, handelt es sich aber um Tatfragen.
Haben daher die Geschwornen - nach richtiger Erläuterung der im gegebenen Zusammenhang maßgebenden rechtlichen Aspekte in der (nach Z 8 anfechtbaren) Rechtsbelehrung - mit ihrem Verdikt (wie hier) die Frage bejaht, ob der Angeklagte dem Tatopfer durch eine bestimmte Äußerung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben gedroht habe, dann ist bei der rechtlichen Beurteilung dieses Wahrspruchs sowohl in Ansehung des Sinngehalts der betreffenden öußerung als auch in bezug auf deren Eignung, dem Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflösen, von einem das in Rede stehende Tatbestandsmerkmal in rechtlicher Hinsicht deckenden Tatsachensubstrat auszugehen, sodaß insoweit eine Subsumtionsrüge nicht zum Erfolg führen kann.
Indem er seinen Einwand nicht auf das Verdikt der Geschwornen, sondern auf die Anklageschrift abstellt, bringt demnach der Beschwerdeführer den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund gar nicht zu einer gesetzmäßigen Ausführung.
Im übrigen hat aber auch die Anklagebehörde keineswegs in Frage gestellt, daß die inkriminierte Drohung - die für diesen Fall, abermals im Gegensatz zur Beschwerdeauffassung, nicht einmal als 'gefährlich' (§ 74 Z 5 StGB) zu beurteilen wäre, sodaß selbst die Annahme (bloß) einer Erpressung (§ 144 Abs 1 StGB) nicht in Betracht käme - vom Tatopfer ernst zu nehmen war, sondern lediglich angenommen, daß sie nicht als Drohung mit dem Tod, sondern nur als solche mit einer Körperverletzung zu verstehen war; eine derartige Drohung jedoch reicht - weil dazu, neuerlich der Beschwerde zuwider, eine solche gegen Leib oder Leben genügt - zur Tatbestandsverwirklichung nach § 142 Abs 1 StGB vollauf hin.
Durchaus unzutreffend ist ferner die weitere Beschwerdeansicht (Z 12), die für diesen Tatbestand essentielle 'Imminenz' der Drohung, also die Ankündigung einer sofortigen übelszufügung, müsse sich durch die Verwendung von Schußwaffen, Messern, Atrappen oder dergleichen manifestieren; für ein derartiges Erfordernis bietet das Gesetz keinerlei Anhaltspunkt.
Die Fragestellung an die Geschwornen rügt der Angeklagte (Z 6) wegen des Unterbleibens einer Eventualfrage nach Erpressung, die seiner Auffassung nach aus den bisher erörterten 'rechtlichen überlegungen' erforderlich gewesen wäre.
Nach § 314 Abs 1 StPO wäre jedoch eine derartige Frage nur dann zu stellen gewesen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden wären, nach denen - würden sie als erwiesen angenommen - die ihm zur Last gelegte Tat unter jenes Strafgesetz fiele; eine dahingehende Behauptung ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, die demgemäß auch in diesem Belang eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen läßt. Eine von der Anklage abweichende rechtliche Beurteilung des ohnedies schon von der Hauptfrage erfaßten (selben) Tatsachensubstrats, wie sie der Angeklagte anstrebt, konnte - wie der Vollständigkeit halber vermerkt sei - nicht Gegenstand einer Fragestellung an die Geschwornen sein, sondern nur vom Schwurgerichtshof bei der Subsumtion im Rahmen der auf deren Wahrspruch zu gründenden Urteilsfällung vorgenommen wird; die Unstichhältigkeit der insoweit ohnehin erhobenen Rechtsrüge (Z 12) ist bereits aufgezeigt worden.
Nicht zielführend schließlich ist der Vorwurf einer (als Unrichtigkeit zu wertenden) Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung (Z 8), und zwar darüber, 'daß im Falle einer Verneinung der Imminenz der Drohung der Täter nicht freizusprechen sei, sondern dann eben der Tatbestand der Erpressung vorliege'.
Denn zum einen ist diese materiellrechtliche Konsequenz den Erläuterungen zu den Tatbeständen des Raubes sowie der Erpressung in ihrem Zusammenhang ohnehin zwanglos zu entnehmen, und zum anderen muß die in Rede stehende Belehrung nach den Bestimmungen des § 321 Abs 2 StPO in prozessualer Hinsicht zwar (unter anderem) die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage klarlegen, nicht aber auch jene (in ihrer denkbaren Vielfalt kaum vollständig erfaßbaren) einer einschränkenden Beifügung zu einem bejahenden Verdikt (§ 330 Abs 2 StPO), mittels der hier die relevierte 'Verneinung einer Imminenz der Drohung' von den Geschwornen gegebenenfalls hätte zum Ausdruck gebracht werden können (vgl S 1 der Rechtsbelehrung sowie den entsprechenden Hinweis in StPF-Prot. Nr 15);
sind derartige Erörterungen aktuell, dann fallen sie vielmehr in den Bereich der im Anschluß an die mündliche Rechtsbelehrung (§ 323 Abs 1 StPO) vorgesehenen Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschwornen (§ 323 Abs 2 StPO).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 28, 143 erste 'Strafstufe' (richtig: erster Strafsatz) StGB zu sieben Jahren Freiheitsstrafe und ordnete außerdem gemäß § 21 Abs 2 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an. Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen von drei Verbrechen und zwei Vergehen sowie 'eine Häufung der Fakten' (gemeint: die Tatwiederholung bei Raub, Diebstahl und unbefugtem Gebrauch von Fahrzeugen) als erschwerend, die strafrechtliche Unbescholtenheit des Angeklagten, seine vernachlässigte Erziehung, seine verminderte Zurechnungsfähigkeit, den Umstand, daß der Raub in einem Fall und die Erpressung beim Versuch geblieben sind, sein Teilgeständnis sowie eine teilweise objektive Schadensgutmachung hingegen als mildernd.
Der Berufung des Angeklagten, mit der er (lediglich) eine (außerordentliche) Strafmilderung (§ 41 StGB) anstrebt, kommt Berechtigung zu.
Eine 'Mitverantwortung der hiefür zuständigen Organe' für die Straftaten des Berufungswerbers, weil sie 'trotz der gesetzlichen Möglichkeiten nicht rechtzeitig geeignete Maßnahmen ergriffen' hätten, kann ihm zwar nicht als schuldmindernd zugute gehalten werden. Wohl aber ist ihm darin beizupflichten, daß das Geschwornengericht das Gewicht der vorliegenden Milderungsgründe, insbesondere seine verminderte Zurechnungsfähigkeit auf Grund seiner hochgradigen Persönlichkeitsabartigkeit, unter deren Einfluß er diese Taten beging, entschieden zu wenig berücksichtigt hat. Der Ordnung halber ist zudem zu vermerken, daß er nicht zwei, sondern nur ein Vergehen zu verantworten hat, anderseits aber die ihm zur Last fallenden Diebstähle mehrfach qualifiziert sind. Alles in allem überwiegen die gegebenen Milderungsumstände gegenüber den festgestellten Erschwerungsgründen nicht nur zahlenmäßig, sondern vor allem ihrem inneren Gewicht nach beträchtlich; die begründete Aussicht aber, daß der Angeklagte auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde, wird im gegebenen Fall durch die vorbeugende Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB, die seiner Gefährlichkeit Rechnung trägt (vgl RZ 1979/54) und deren Dauer nur durch ihre zweckbedingte Notwendigkeit begrenzt ist (§ 25 Abs 1 StGB), vollauf gewährleistet, sodaß einer außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB) in der Tat nichts im Wege steht. In Stattgebung der Berufung war daher das Ausmaß der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe auf die nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) angemessene Dauer von vier Jahren herabzusetzen.
Anmerkung
E04562European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0100OS00140.84.0918.000Dokumentnummer
JJT_19840918_OGH0002_0100OS00140_8400000_000