Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20.September 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Radosztics als Schriftführerin in der Strafsache gegen Albert K*** wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z 1, 129 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengerichts vom 28. Mai 1984, GZ. 4 a Vr 310/84-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 198 Abs. 1 und 2 StGB (I) und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Der am 6.Jänner 1943 geborene österreichische Staatsbürger Albert K*** wurde des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 und 2 StGB (I) und des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z 1, 129 Z 1 StGB (II) schuldig erkannt. Darnach hat er im Rückfall dadurch, daß er für seine ehelichen Kinder Erwin, Albert, Monika und Helmut K*** vom 20. April 1982 bis 15.Februar 1984 keine Zahlungen leistete, vorsätzlich seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt, daß der Unterhalt der genannten Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre (I); ferner am 16.Feburar 1984 in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Hermann D*** als Diebsgenossen verschiedene (im Urteil einzeln aufgezählte) Geräte und Spirituosen (in einem 5.000 S übersteigenden Wert) dem Walter L*** mit Bereicherungsvorsatz weggenommen, indem er in dessen Wohnhaus nach Aufbrechen der Eingangstür eindrang (II). Die ausschließlich auf § 281 Abs. 1 Z 5 StPO gestützte und der Sache nach nur gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 198 Abs. 1 und 2 StGB (I) gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde rügt zu Recht die undeutliche und vor allem unvollständige Begründung der Urteilsannahme hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Angeklagten. Das Erstgericht stützt seine Feststellung, der Angeklagte hätte bei entsprechendem Bemühen eine Arbeit finden können, auf das Gutachten des Sachverständigen Amtsrat Wilhelm H***, der ausführte, der Beschwerdeführer hätte bei Inanspruchnahme des zuständigen Arbeitsamts in absehbarer Zeit Beschäftigung als Bauhilfsarbeiter oder Straßenarbeiter mit einem monatlichen Verdienst von 10.000 S vermittelt bekommen können (ON 25). Dem steht aber der vom Gericht wohl angeführte, im weiteren nicht mehr gewürdigte Bericht des Magistrats der Stadt Wien, Mag.Abt. 12, Sozialreferat für den
3. Bezirk, vom 29.März 1984, der in der Hauptverhandlung verlesen worden ist (S 130), entgegen, wonach K*** während des Deliktszeitraums ständig beim Arbeitsamt Bau-Holz gemeldet war und trotz regelmäßiger Vorsprache nicht vermittelt werden konnte (ON 31 samt Beilagen).
Diesem Beweisergebnis zumindest teilweise Rechnung tragend vermeint das Gericht, daß der Beschwerdeführer auch aus den monatlichen (im einzelnen festgestellten) Sozialbeihilfen (zuletzt rund 4.500 S) die geringfügigen Unterhaltsbeiträge für seine fünf Kinder (nämlich die im Urteilsspruch angeführten und der - noch im Anklagesatz vorkommende, in der Urteilsbegründung als "Christine" angeführte (S 137) - Christian K***, geboren am 8.April 1969) im Gesamtausmaß von 2.200 S pro Monat zumindest teilweise hätte bezahlen können.
Rechtliche Beurteilung
Diese Urteilsannahmen übergehen nicht nur die bereits aufgezeigten Widersprüche zwischen dem Gutachten des Sachverständigen und dem Bericht des Sozialamtes hinsichtlich der Vermittlungsfähigkeit des Angeklagten, sondern setzen sich stillschweigend über dessen Verantwortung hinweg, er habe die monatliche Sozialbeihilfe zum Großteil für die (relativ hohe) Miete aufwenden müssen und mit dem Rest nicht einmal selbst leben können (S 131). Da - wie die Beschwerde richtig ausführt - aktenkundig ist, daß das Sozialamt am 27.März 1984 allein für Miete während der seit 16. Februar 1984 andauernden Haft immerhin einen Betrag von 3.000 S zur Auszahlung brachte (S 91 unten), könnte tatsächlich zweifelhaft sein, ob das persönliche Leistungsvermögen des Beschwerdeführers ausreiche, seinen Unterhaltsverpflichtungen auch nur teilweise nachzukommen und ihm bei diesen persönlichen Verhältnissen trotz Unterlassung jedweder Zahlung eine gröbliche Verletzung seiner im Familienrecht begründeten Verpflichtungen vorzuwerfen ist (siehe hiezu Leukauf-Steininger2, RN 16, 19, 20 zu § 198 StGB; LSK 1979/312).
Da somit das Erstgericht die für den Tatbestand des § 198 Abs. 1 StGB wesentliche Urteilskonstatierung, der Beschwerdeführer hätte bei entsprechender Anstrengung zumindest teilweise seinen Unterhaltsverpflichtungen nachkommen können, unter Außerachtlassung relevanter Verfahrensergebnisse nur unvollständig begründet hat, erweist sich eine Neudurchführung der Hauptverhandlung als unumgänglich.
Es waren daher in Stattgebung der Mängelrüge unter Aufrechterhaltung des nicht angefochtenen Schuldspruchs wegen des Verbrechens nach §§ 127 ff StGB (II) der Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 198 Abs. 1 und 2 StGB (I) und demgemäß auch der Strafausspruch zu kassieren und in diesem Umfang die Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 285 e StPO).
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E21574European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00138.84.0920.000Dokumentnummer
JJT_19840920_OGH0002_0130OS00138_8400000_000