TE OGH 1984/9/25 9Os140/84

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Veröffentlicht am 25.09.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.September 1984 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak (Berichterstatter), Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schiller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl A wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und 2 Z 1, 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 18. November 1981, GZ 10 Vr 328/81-40, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Durch das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 18.November 1981, GZ 10 Vr 328/81-40, ist insoweit, als Karl A damit in den Punkten A/, 1/, 2/, 3/ und B/ 7/, 8/, 9/ des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt worden ist, das Gesetz in der Bestimmung des Art 14 Abs 1

des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13.Dezember 1957, BGBl 1969/320, verletzt.

Dieses Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, wird im bezeichneten Teil des Schuldspruches sowie im Strafausspruch einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Karl A wird von der Anklage, fremde bewegliche Sachen nachgenannten Personen durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar A/ in Gesellschaft des Herbert B als Beteiligter 1./ am 27.März 1981 in Leoben dem Alfred C ein Jagdmesser, zwei Gewehrpatronen, Lebensmittel und Spirituosen im Werte von 270 S, 2./ am 27.März 1981 in Niklasdorf dem Vinzenz D eine Flasche Schnaps, einen Holzbohrer, einen Meterstab, eine Brille und vier Flaschen Bier im Werte von ungefähr 2.000 S, 3./ am 27.März 1981 in Niklasdorf dem Johann E einen Samtrock, einen Schlüsselbund, einen Schraubenzieher und Lebensmittel im Gesamtwerte von ungefähr 1.000 S, B/ Karl A allein in Niklasdorf 1./ am 28.März 1981 durch Einsteigen der Ingrid F eine Schmuckkassette mit Schmuck im Werte von 13.550 S sowie eine Damenhose und eine Jacke im Werte von 1.500 S, 2./ am 29.März 1981 dem G H einen Schlafsack unbekannten Wertes und der Marion I einen Geldbetrag von 40 S sowie einen Badeblock unbekannten Wertes, 3./ am 29. März 1981 dem Bertrand J eine Sonnenbrille und ein Taschenmesser unbekannten Wertes, und auch hiedurch das Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für das durch die im unberührt gebliebenen Teil des Urteils zu Punkt

B/

1./ bis 6./ des Schuldspruches bezeichneten Taten verwirklichte Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 2, 129

Z 1 StGB wird Karl A nach § 128 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 (drei) Jahren und 9 (neun) Monaten verurteilt. Gemäß § 38 Abs 1 StGB wird die Vorhaft vom 24.Februar 1981, 12,50 Uhr, bis 27.März 1981, 8,00 Uhr, und vom 19.September 1981, 12,00 Uhr, bis 18.November 1981, 9,15 Uhr, auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

Text

Gründe:

Im Verfahren 10 Vr 328/81 des Kreisgerichtes Leoben erhob die Staatsanwaltschaft am 26.März 1981 gegen den in Untersuchungshaft angehaltenen Beschuldigten Karl A eine Anklage wegen Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB (ON 11). Das Strafverfahren konnte zunächst nicht fortgesetzt werden, weil der Beschuldigte am 27.März 1981 aus dem kreisgerichtlichen Gefangenenhaus Leoben flüchtete und unbekannten Aufenthaltes war (ON 12). Nach Festnahme des Karl A am 2.Juli 1981 in der Bundesrepublik Deutschland wurde seine Auslieferung zur Verfolgung der von der Anklage erfaßten strafbaren Handlungen erwirkt (ON 17, ON 18 und ON 23). Der Genannte verbüßte bis 19. September 1981

in der Bundesrepublik Deutschland eine vom Amtsgericht Traunstein verhängte Strafe, wurde danach in Auslieferungshaft genommen und den österreichischen Behörden am 22.September 1981 um 12,30 Uhr übergeben (ON 28).

Schon am 8.Mai 1981 hatte die Anklagebehörde im Verfahren 1 Vr 759/81 des Kreisgerichtes Leoben - übrigens dem § 91 StPO zuwider ohne vorangegangene Voruntersuchung - gegen den abwesenden Karl A eine weitere Anklage wegen Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB erhoben, in der ihm am 27., 28. und 29.März 1981 nach seiner Flucht aus der Untersuchungshaft - zum Teil in Gesellschaft des Herbert B - begangene deliktische Angriffe zur Last gelegt wurden (S 325 ff).

Am 21.Oktober 1981 wurden die beiden Strafsachen gegen Karl A über Verlangen der Staatsanwaltschaft vereinigt (S 1 e verso), sodaß beide Anklagen Gegenstand der am 18.November 1981 durchgeführten Hauptverhandlung waren (ON 39). Karl A wurde im Sinne dieser Anklagen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128

Abs 2, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt (ON 40), welche er derzeit verbüßt.

Rechtliche Beurteilung

Das mangels einer Anfechtung in Rechtskraft erwachsene Urteil steht insoweit, als der Schuldspruch auch die ursprünglich im Verfahren 1 Vr 759/81

des Kreisgerichtes Leoben verfolgten Diebstahlsfakten umfaßt, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Laut dem im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland bei einer Auslieferung - nach Maßgabe der beiderseitigen Vorbehalte und Erklärungen sowie unter Bedachtnahme auf den zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland am 31.Jänner 1972 abgeschlossenen Vertrag über die Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens und die Erleichterung seiner Anwendung, BGBl 1977/35 - anzuwendenden Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13.Dezember 1957, BGBl 1969/320 (vgl Linke-Epp-Dokoupil-Felsenstein, Internationales Strafrecht, 203) darf gemäß Art 14 Abs 1 dieses übereinkommens eine ausgelieferte Person wegen einer anderen vor der übergabe begangenen Handlung als jener, die der Auslieferung zugrunde liegt, nur dann verfolgt und abgeurteilt werden, wenn a/ der Staat, der sie ausgeliefert hat, zustimmt oder b/ die ausgelieferte Person, obwohl sie dazu die Möglichkeit hatte, das Hoheitsgebiet des Staates, dem sie ausgeliefert worden ist, innerhalb von 45 Tagen nach ihrer endgültigen Freilassung nicht verlassen hat oder nach Verlassen dieses Gebietes dorthin zurückgekehrt ist. Dieser in Österreich auch unabhängig von zwischenstaatlichen Vereinbarungen wirksame Grundsatz der Spezialität der Auslieferung (§§ 1 und 70 des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes, BGBl 1979/529) stand als materiellrechtliches Verfolgungshindernis der Verurteilung des Angeklagten Karl A wegen der im Verfahren 1 Vr 759/81 des Kreisgerichtes Leoben unter Anklage gestellten Diebstahlstaten entgegen, weil sich die Auslieferungsbewilligung nicht auf diese Handlungen erstreckt hat und die Voraussetzungen, unter denen dennoch eine Strafverfolgung zulässig gewesen wäre, nicht erfüllt gewesen sind. Am Rande sei bemerkt, daß dies auch für die Bestrafung der Flucht des Karl A aus der Untersuchungshaft am 27.März 1981

zu gelten gehabt hätte, welche mit Straferkenntnis des Leiters des kreisgerichtlichen Gefangenenhauses Leoben vom 23.September 1981 (ON 32) erfolgt ist (EvBl 1977/158).

In Ansehung der dem Angeklagten Karl A in der Strafsache 1 Vr 759/81 des Kreisgerichtes Leoben angelasteten strafbaren Handlungen wäre es Sache der Staatsanwaltschaft gewesen, die nachträgliche Erwirkung der Verfolgungszustimmung der Bundesrepublik Deutschland bei Gericht zu beantragen (SSt 52/49).

Mangels eines solchen Begehrens war in Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 StPO erhobenen Beschwerde spruchgemäß zu erkennen.

Bei der hiedurch erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe diente -

ausgehend von den erstgerichtlichen Strafzumessungsgründen - das Verhältnis des verbleibenden (rund 270.000 S) Wertes der gestohlenen Sachen zu dem wegfallenden (rund 20.000 S) Schaden als Richtschnur und erschien aus diesem Blickwinkel eine um drei Monate verminderte Freiheitsstrafe als tatschuldgerecht.

Im Rahmen der Anrechnung der Vorhaft war nicht auf den Zeitpunkt der Einlieferung des Karl A in das gerichtliche Gefangenenhaus am 22. September 1981, 19,30 Uhr, abzustellen, wie dies das Kreisgericht Leoben getan hat, sondern auf den Beginn der Auslieferungshaft in der Bundesrepublik Deutschland (siehe hiezu Mayerhofer-Rieder, StGB, 2. Auflage, E Nr 2, 7 f zu § 38).

über die Anrechnung der vom Verurteilten nach Fällung des erstinstanzlichen Urteils in Strafhaft zugebrachten Zeit auf die Freiheitsstrafe wird in analoger Anwendung der §§ 359 Abs 3, 400 StPO das Erstgericht zu entscheiden haben.

Anmerkung

E04846

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0090OS00140.84.0925.000

Dokumentnummer

JJT_19840925_OGH0002_0090OS00140_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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