Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gurschler als Schriftführers in der Strafsache gegen Martin A wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Wiener Neustadt als Schöffengerichts vom 14. Juni 1984, GZ 12 a Vr 2588/83-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.
über die Berufung wegen Strafe wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Text
Gründe:
Der am 31.Oktober 1931 geborene Frührentner Martin A wurde des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I) und des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1
StGB (II) schuldig erkannt. Darnach hat er in Grafenbach-St. Valentin in wiederholten Angriffen seine beiden leiblichen Töchter, und zwar die am 8.April 1964 geborene Monika A von 1977 und die am 10. September 1966
geborene Rosemarie A von 1979 bis zur Vollendung ihres 14. Lebensjahrs durch Betasten an den Brüsten und an den Geschlechtsteilen (I), ferner auf diese Weise sowie Monika A bis Ende 1980 und Rosemarie A bis 1981
auch dadurch, daß er sie veranlaßte, mit seinem Glied zu onanieren (II), zur Unzucht mißbraucht.
Rechtliche Beurteilung
Diese Schuldsprüche ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an. Die Verfahrensrüge wendet sich gegen die Abweisung des Antrags auf Einvernahme des Zeugen Alois B, der zum Beweis für die 'Aufenthaltszeiten der Zeugin Rosemarie A am Gendarmerieposten Wimpassing' beantragt worden war und dazu befragt werden sollte, 'was ihm die Zeugin A anläßlich der Einvernahme am Gendarmerieposten Wimpassing über den Sachverhalt erzählt hat' (S. 124). In Abweisung dieses Antrags (S. 125) hat das Schöffengericht (im Urteil) ausgeführt, daß es sich um einen unzulässigen Erkundungsbeweis handle und nachträglichen Erzählungen und Wahrnehmungen aus dritter Hand kein entscheidungswesentlicher Beweiswert zukomme, längere Vernehmungszeiten der Zeugin Rosemarie A außer Streit stehen und wegen der anfangs schwierigen Beweislage und des diffizilen Vernehmungsthemas unbedenklich seien (S. 136). Diesen Argumenten, die erkennen lassen, daß Verteidigungsrechte durch die Ablehnung des Beweisantrags nicht beeinträchtigt wurden, weil das Gericht ohnehin von den zu erweisenden Umständen ausgegangen ist, ist beizupflichten.
Die übrigen in der Beschwerde angeführten Beweisthemen (S. 154) finden in der Antragstellung keine Deckung.
Die Mängelrüge hält die Konstatierung, daß der Angeklagte die seiner Autorität unterworfenen minderjährigen Töchter in wiederholten Angriffen (S. 128) zur Unzucht mißbrauchte (II), für durch die Beweisergebnisse nicht gedeckt, weil die beiden Mädchen nach ihren Angaben jedes nur einmal nach Vollendung des 14. Lebensjahrs Opfer eines geschlechtlichen Mißbrauchs ihres Vaters geworden seien. Der Beschwerdeführer übersieht dabei, daß auch durch die dem § 207 Abs 1 StGB unterstellten (unbestrittenermaßen wiederholten) Tathandlungen idealkonkurrierend der Tatbestand des § 212 Abs 1 StGB
erfüllt wurde, sodaß selbst unter der Annahme eines jeweils nur einmaligen Mißbrauchs des Autoritätsverhältnisses nach Vollendung des 14. Lebensjahrs der Opfer unter Einbeziehung des geschlechtlichen Mißbrauchs vor dieser Altersgrenze eine Tatbegehung nach § 212 Abs 1 StGB in wiederholten Angriffen zu Recht angenommen wurde (S. 129' ... durch die unter I angenommenen Handlungen sowie dadurch ...').
Ob schließlich der Angeklagte, nicht aber dessen Ehegattin Rosa A
(S. 130 unten), einen irreparablen Knochenbruch erlitten hat, ist entgegen der Meinung des Nichtigkeitswerbers irrelevant. Die in der Beschwerde gezogenen Schlußfolgerungen stellen mit der Behauptung, der sexuelle Mißbrauch beim Holzschlichten im Keller könne sich schon deshalb nicht, wie von Monika A geschildert, ereignet haben, weil Rosa A es war, die wegen ihrer körperlichen Gebrechen im Keller Holz geschlichtet habe, nachdem es der Angeklagte im Hof zerkleinert hatte (siehe auch S. 120 unten; 122 unten 123), eine fallweise Situation als ausnahmslos hin, was letztlich auf eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung abzielt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO schon in einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Die Berufung des Angeklagten wegen Schuld war, weil eine solche Anfechtung eines kollegialgerichtlichen Urteils nicht vorgesehen ist, gleichfalls als unzulässig zurückzuweisen.
Für die Verhandlung und Entscheidung über die Berufung, soweit sie gegen den Strafausspruch ergriffen wurde, wird ein Gerichtstag angeordnet werden (§ 296 Abs 3 StPO).
Anmerkung
E04575European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00147.84.0927.000Dokumentnummer
JJT_19840927_OGH0002_0130OS00147_8400000_000