Norm
ABGB §542Kopf
SZ 57/147
Spruch
Die Erbunwürdigkeitsgrunde sind im § 542 ABGB nicht taxativ aufgezählt. Auch die Unterschiebung eines gefälschten letzten Willens macht erbunwürdig und schließt das Pflichtteilsrecht aus
OGH 27. 9. 1984, 6 Ob 690/83 (OLG Linz 4 R 95/82, KG Wels 6 Cg 347/81)
Text
Der Kläger begehrt von den Beklagten die Bezahlung des Betrages von 750 000 S sA mit der Begründung, er habe als leibliches (uneheliches) Kind und Adoptivsohn des am 19. 3. 1978 verstorbenen Josef R gegenüber den aus einem im Dezember 1976 errichteten Kodizill begünstigten Beklagten einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in der Höhe des Klagebegehrens.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein: Der Kläger habe nicht nur seinen Pflichtteil bereits zur Gänze erhalten, sondern den gesamten ihm zustehenden Erbteil, der nur durch geringfügige Beschränkungen vermindert worden sei. Außerdem liege hinsichtlich des Klägers ein Erbunwürdigkeitsgrund gemäß § 542 ABGB vor, weil der Kläger ein Testament vom Dezember 1978 selbst gefälscht oder die Fälschung desselben veranlaßt habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Der Kläger hat am 29. 3. 1978 zum ganzen Nachlaß des am 19. 3. 1978 verstorbenen Josef R die unbedingte Erbserklärung auf Grund des Gesetzes abgegeben, weil er der Meinung war, der Erblasser sei ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung gestorben. Mit Schriftsatz vom 3. 4. 1978 legte Dr. Jörg A auch als Vertreter der Beklagten eine letztwillige Verfügung des Erblassers vom Dezember 1976 (eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Kodizill) dem Abhandlungsgericht vor, nach deren Inhalt der Kläger keine Ansprüche als Erbe hätte geltend machen können. Im Juni 1978 wurde dem Notar Dr. August M anonym ein Testament zugeschickt, welches folgenden Wortlaut hat: "Mein letzter Wille! Ich Josef R, wohnhaft in V, errichte hiemit nach reiflicher Überlegung, frei von jedem Irrtum, Betrug und Zwang meine letztwillige Anordnung wie folgt: Ich hebe damit alle von mir früher errichteten letztwilligen Anordnungen auf, als ob ich dieselben niemals errichtet hätte. Zum Universalerben meines gesamten Vermögens setze ich meinen Sohn Franz R ein, V im März 1978. Josef R." Diese letztwillige Verfügung stammt nicht von Josef R und ist somit eine Fälschung. Diese Fälschung wurde entweder vom Kläger selbst oder von einer dritten Person mit seinem Wissen und Willen verfertigt. Am 24. 8. 1979 wurde dem Kläger der gesamte Nachlaß nach Josef R auf Grund dieses Testamentes, dessen Fälschung noch nicht bekannt war, eingeantwortet.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, gemäß § 542 ABGB sei jeder, der eine dem wahren Willen des Erblassers widersprechende Ordnung der Erbfolge herbeizuführen suche, daher auch der, der eine letzte Willenserklärung unterschiebe, erbunwürdig. Davon seien auch die Handlungen umfaßt, die nach dem Tod des Erblassers gesetzt würden. Die somit gegebene Erbunwürdigkeit des Klägers gemäß § 542 ABGB führe auch zur Verwirkung seines Pflichtteilsanspruches.
Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht hielt der Auffassung des Klägers, § 542 ABGB sei nicht anwendbar, weil der festgestellten Handlungsweise des Klägers ein doloser Charakter insofern fehle, als nicht festgestellt sei, daß der Kläger mit dem Brief, in dem das gefälschte Testament dem Notar Dr. August M übersendet worden ist, irgend etwas zu tun gehabt habe, entgegen: Gemäß § 542 ABGB sei vom Erbrecht ausgeschlossen, wer einen vom Erblasser bereits errichteten letzten Willen unterdrückt habe. Die Verhinderung könne sich gegen jeden letzten Willen, also auch gegen ein Kodizill richten. Da die Verhinderung nicht zu dem vom Erbunwürdigen vorgestellten Ergebnis geführt haben müsse, genüge der Versuch der Verhinderung. Strafbarkeit der Handlung sei nicht verlangt. Das Gesetz wolle den wahren Willen des Erblassers möglichst sicherstellen und zu diesem Zweck alle Handlungen, durch die der wahre Wille des Erblassers in unzulässiger Weise alteriert werden könne, mit der Ausschließung vom Erbrecht bestrafen. Es unterliege keinem Zweifel, daß durch die Fälschung eines Testaments der wahre Wille des Erblassers verletzt werden könne. Eine solche Handlungsweise stelle eindeutig den Versuch einer durch § 542 ABGB verpönten Verhinderung des Vollzugs des letzten Willens des Erblassers dar. Ob der Kläger auch bei der Übersendung des gefälschten Testaments beteiligt gewesen sei, sei unerheblich, zumal er sich nach Übersendung dieses Testaments auf dieses berufen und ausdrücklich bestritten habe, daß es gefälscht sei. Die Fälschung des Testaments komme der Unterdrückung des wahren letzten Willens des Erblassers gleich, sodaß auf Grund des festgestellten Sachverhaltes von der Erbunwürdigkeit des Klägers ausgegangen werden müsse. Da diese auch zur Verwirkung des Pflichtteilsanspruches führe, habe das Erstgericht die Pflichtteilsergänzungsklage des Klägers zu Recht abgewiesen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bei den Darlegungen zur Beweislast verkennt der Kläger, daß die Beweislastregeln keine Richtlinien dafür bieten, zu wessen Gunsten oder Ungunsten die Beweise zu würdigen sind oder ob ein Beweis als erbracht oder als nicht erbracht anzusehen ist (4 Ob 69/78), sondern nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Beweisergebnisse nach der Überzeugung der Tatsacheninstanz nicht ausreichen, um einen entscheidungswesentlichen Tatbestand als erwiesen oder als nicht erwiesen anzunehmen, die freie Beweiswürdigung also zu keinem Ergebnis führt (vgl. Fasching, Zivilprozeßrecht, Rdz. 878; EFSlg. 34 497; 5 Ob 34/83 ua.). Im vorliegenden Fall ist aber die entscheidungswesentliche Feststellung über die Fälschung des Testaments getroffen worden, sodaß für Beweislastregeln kein Raum ist.
Dem Kläger kann auch nicht zugestimmt werden, soweit er § 542 ABGB nicht als anwendbar erachtet, weil das gegenständliche Testament nicht der Unterdrückung des wahren Testamentes eines Erblassers gleichkomme. Dem Kläger, der diese Behauptung durch keinerlei Argumente zu begrunden versucht, ist entgegenzuhalten, daß nach der herrschenden Lehre und Rechtsprechung die Aufzählung der Erbunwürdigkeitsgrunde des § 542 ABGB nicht taxativ ist und durch § 542 ABGB jede Handlung (Unterlassung) erfaßt wird, die in der Absicht geschieht, den Willen des Erblassers zu vereiteln (1 Ob 581/84), weshalb auch die Unterschiebung eines falschen letzten Willens unter die Sanktion des § 542 ABGB fällt (vgl. Ehrenzweig[2] II/2, 373; Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht[3] 38 f.; Gschnitzer-Faistenberger, Erbrecht[2], 54; Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[6] II 241; Welser in Rummel, ABGB, Rdz. 4 zu § 542; JBl. 1954, 174). Da, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, durch die erfolgte Unterschiebung des Testamentes auch das Pflichtteilsrecht des Klägers ausgeschlossen wurde (vgl. Koziol-Welser aaO 240; Welser aaO Rdz. 1 zu § 540; EvBl. 1957/20), haben die Vorinstanzen das Klagebegehren schon aus diesem Grund zu Recht abgewiesen.
Anmerkung
Z57147Schlagworte
Erbunwürdigkeit, Ausschluß des Pflichtteilsrechts, Erbunwürdigkeit bei Unterschieben eines gefälschten letzten Willens, Erbunwürdigkeitsgrunde, keine taxative Aufzählung, Pflichtteilsrecht, Ausschluß bei Erbunwürdigkeit, Testament, s. a. ErbunwürdigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0060OB00690.83.0927.000Dokumentnummer
JJT_19840927_OGH0002_0060OB00690_8300000_000