TE OGH 1984/9/27 13Os108/84

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Veröffentlicht am 27.09.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.September 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Felzmann (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gurschler als Schriftführers in der Strafsache gegen Gerhard A wegen des Verbrechens des Mords nach § 75 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht Klagenfurt vom 28.Mai 1984, GZ. 8 Vr 1538/83-148, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, und des Verteidigers Dr. Eckhart, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 15.Juni 1960 geborene Dachdeckergehilfe Gerhard A wurde des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. (I 1 und 2), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB. (II) und des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB. (III) schuldig erkannt. Dem letztgenannten, allein angefochtenen Schuldspruch zufolge hat Gerhard A am 8.Juni 1983 in Klagenfurt Mario B durch Versetzen eines Messerstichs in die Brust vorsätzlich getötet (III). Die Geschwornen bejahten die anklagekonform gestellte vierte Hauptfrage (ebenso wie die übrigen drei Hauptfragen) einstimmig und ließen dementsprechend die in Richtung § 76 StGB. gestellte Eventualfrage unbeantwortet. Ebenso stimmeneinhellig verneinten sie die nach dem Vorliegen einer Notwehrsituation (§ 3 Abs. 1 StGB.) und die in Richtung fahrlässiger Notwehrüberschreitung (§ 3 Abs. 2 StGB.) gestellten Zusatzfragen, wodurch die Beantwortung der auf fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z. 1 StGB. gestellte Eventualfrage zu entfallen hatte. Diesen Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mordes (III) bekämpft der Angeklagte aus den Gründen der Z. 1 (auch unter Heranziehung des Art. 6 Abs. 1

und 2 MRK.), 5, 6, 8, 9 und 10 des § 345 Abs. 1 StPO. mit Nichtigkeitsbeschwerde.

Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund wird behauptet, die am Verfahren beteiligten Geschwornen seien befangen gewesen und hätten sich bei ihrer Entscheidung mehr durch die (dem Rechtsmittel beigelegten) Berichte Kärntner Zeitungen, in denen die Tat als Rachemord in Zuhälterkreisen dargestellt wurde, als von den Ergebnissen des Beweisverfahrens beeinflussen lassen. In dieser sich erst aus dem Wahrspruch manifestierenden (und daher in der Hauptverhandlung nicht gerügten) Befangenheit der Laienrichter sei auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 und 2 MRK. zu erblicken.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist zu erwidern, daß - abgesehen davon, daß es sich bei diesem Beschwerdevorbringen um eine sachlich durch nichts begründete Hypothese handelt - selbst tatsächliche Befangenheit eines oder mehrerer Geschworner den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund deshalb nicht verwirklichen könnte, weil die Teilnahme bloß befangener (nicht ausgeschlossener) Geschworner an der Hauptverhandlung mangels Anführung dieses Tatbestands, sei es in der Z. 1 oder an einer anderen Stelle der taxativen Aufzählung der Nichtigkeitsgründe im § 345 Abs. 1 StPO., nur unter den - hier nicht gegebenen - formellen Voraussetzungen des § 345 Abs. 1 Z. 5 StPO. gerügt werden könnte (EvBl. 1975/142). Durch die Menschenrechtskonvention wurde dieser Katalog der Nichtigkeitsgründe nicht erweitert, so daß die im Art. 6 Abs. 1 und 2 MRK.

festgelegten Grundsätze, daß nur unabhängige und unparteiische, auf Gesetz beruhende Gerichte zu entscheiden haben und daß bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld vermutet wird, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist, nur im Rahmen der Prozeßvorschriften zum Tragen kommen können (EvBl. 1972/36, 1975/180).

Die weitere Verfahrensrüge (§ 345 Abs. 1 Z. 5 StPO.) moniert die Verlesung der Aussage der zur Hauptverhandlung nicht erschienenen Zeugin Sylvia C (Namensschreibung siehe ON. 92), obwohl die Hauptverhandlung vom 2.Mai 1984 unter anderem zu deren neuerlicher Ladung vertagt worden war (S. 422/II) und der Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 28.Mai 1984 der Verlesung dieser Zeugenaussage gemäß § 252 Abs. 1 Z. 1 StPO. nicht zugestimmt habe (S. 438/II). Die Vernehmung dieser Zeugin wäre vor allem deshalb erforderlich gewesen, weil sie entgegen den Aussagen der (wegen falscher Beweisaussage vorbestraften) Zeugin Sylvia D nicht gesehen habe, daß der Angeklagte schon beim Betreten des Lokals ein Messer in der Hand hatte.

Dem ist entgegenzuhalten, daß ein Antrag auf Ausforschung und Einvernahme dieser Zeugin zum nunmehr angeführten Beweisthema in der Hauptverhandlung gar nicht gestellt wurde, so daß die formellen Voraussetzungen für die erfolgreiche Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrunds fehlen. Im übrigen entsprach die Verlesung dieser Aussage der keine Parteienzustimmung voraussetzenden gesetzlichen Ermächtigung des § 252 Abs. 1 Z. 1 StPO., konnte doch der Schwurgerichtshof bei seiner diesbezüglichen Entscheidung auf den aktenkundigen Umstand hinweisen, daß Sylvia C unauffindbar (weil angeblich im Ausland aufhältig) ist (S. 438/II in Verbindung mit den in der Beilagenmappe erliegenden Rückscheinbriefen). Der Beweisantrag hätte daher auch, wenn er prozeßordnungsgemäß gestellt worden wäre, mangels Durchführbarkeit abgelehnt werden müssen (SSt. 52/3).

Gestützt auf § 345 Abs. 1 Z. 6 StPO. rügt Gerhard A, daß der Schwurgerichtshof nicht Eventualfragen in Richtung der Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83, 86 StGB. und der absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge nach § 87 Abs. 1

und 2 StGB. gestellt habe, was deshalb indiziert gewesen sei, weil er in der Hauptverhandlung die 'aktive Führung' des schließlich den Eintritt des Todes des Mario B nach sich ziehenden Bruststichs eingeräumt, aber einen Tötungsvorsatz immer bestritten habe. Gemäß § 314 Abs. 1 StPO. ist an die Geschwornen unter anderem dann eine entsprechende Schuldfrage (Eventualfrage) zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte. Diese 'Tatsachen' müssen so weit konkretisiert sein, daß sie - wäre das Schöffengericht zuständig - der Begründungspflicht des § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO. unterlägen (SSt. 44/29). Das bloße Bestreiten des einem Angeklagten zum Vorwurf gemachten Tötungsvorsatzes stellt für sich allein noch nicht die Behauptung eines Verletzungsvorsatzes (einer Verletzungsabsicht) dar und verpflichtet sohin den Schwurgerichtshof nicht, zu Eventualfragen in der Richtung der §§ 83 bis 87 StGB., es sei denn, daß im Beweisverfahren noch andere Umstände hervorgekommen sind, welche die Stellung einer solchen Eventualfrage geboten erscheinen lassen (EvBl. 1968/373, SSt. 39/13).

Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung zugegeben, gegen Mario B (dessen Leiche mehrfache Messerstichverletzungen aufwies) - seiner Verantwortung nach allerdings in Notwehr - jedenfalls zwei Stiche, nämlich den tödlichen von oben herunter gegen die vordere Seite der linken Achsel (Gutachten ON. 8) und einen zweiten Stich gegen die linke Ellenbeuge geführt zu haben (S. 395, 399/II in Verbindung mit S. 433/II). In bezug auf die subjektive Tatseite beschränkte er sich darauf, den Tötungsvorsatz zu bestreiten (S. 400 in Verbindung mit S. 433, 434/II). Die weitere Einlassung des Beschwerdeführers, er habe 'aus Angst zugestochen' (S. 395/II), und zwar, 'damit er mit der Flasche nichts mehr machen kann' (gemeint eine abgebrochene Flasche, mit der B nach der Darstellung des Angeklagten auf ihn eingedrungen sein soll), dient ersichtlich nur der Darlegung der Motive für das Zustechen in der behaupteten Notwehrsituation im Rahmen der Interessenabwägung zur Wahrung der eigenen Verteidigung, sagt aber nichts über das hiebei für die körperliche Integrität des Kontrahenten einkalkulierte Risiko (Tod, Verletzung) aus. Zur Abwehr eines unmittelbar bevorstehenden gegnerischen Angriffs kann nach Lage des Falls der Entschluß auf Tötung des Angreifers als einzig adäquates Verteidigungsmittel erscheinen, manchmal wird auch nur der Vorsatz (die Absicht) vorliegen, den Gegner durch (schwere) Verletzung auszuschalten.

Häufig werden sich aber die Verteidigungshandlungen darauf beschränken, die Angriffshandlungen als solche abzufangen oder den Angreifer abzulenken. Die nur den Tötungsvorsatz leugnende Verantwortung des Angeklagten enthält somit keinen Hinweis darauf, daß er B (wenn auch in Ausübung einer behaupteten Notwehr) nur verletzen wollte, indiziert daher auch keine weitere Eventualfrage nach einem Körperverletzungsdelikt (siehe vorletzten Absatz). Aber auch die weiteren Beweisergebnisse enthalten keine Tatsachen, die auf ein Bestreben des Beschwerdeführers, seinen Kontrahenten nur kampfunfähig zu machen, hindeuten könnten.

Die Tatzeugen geben im wesentlichen übereinstimmend an, daß sie das dem Zustechen unmittelbar vorangegangene Geschehen nicht genau beobachtet haben.

Aus dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen, das in der Hauptverhandlung verlesen wurde (ON. 8 und 57, S. 411, 412/II in Verbindung mit S. 439/II) ergibt sich, daß der tödliche Stich sehr heftig gegen die linke Achsel geführt wurde. Das eine Klingenlänge von 20 bis 25 cm aufweisende Messer durchtrennte die Brustmuskulatur im vierten Zwischenrippenraum, durchbohrte die linke Herzkammer, das Zwerchfell und den linken Leberrand und verletzte auch noch die Magenwand. Nach der Art der Wunde wurde das Messer im Stichkanal noch hin- und hergezogen. Ein derartiger, von einem zurechnungsfähigen (Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen ON. 118 in Verbindung mit S. 439/II) Mann gesetzter Angriff gibt ebensowenig wie das der Tat nachfolgende (jede Hilfeleistung unterlassende) Verhalten des Angeklagten und seiner (eingeweihten) Begleiter einen Hinweis darauf, daß sich der Vorsatz (die Absicht) des Messerstechers lediglich auf die Zufügung einer (schweren) Verletzung beschränkt haben könnte. Aus der Tatsache, daß der Tod erst 20 bis 30 Minuten nach der Zufügung der an sich tödlichen Verletzung eingetreten ist und bei sofortiger chirurgischer Versorgung der Wunde noch abgewendet hätte werden können, kann für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewonnen werden. Die reklamierte Fragestellung konnte daher ohne Mißachtung der Vorschrift des § 314 StPO. unterbleiben.

Aber auch in der Reihenfolge der gestellten Fragen kann - entgegen den eine hier nicht zutreffende Entscheidung zitierenden Beschwerdeausführungen - eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (§ 317 Abs. 2 StPO.) nicht erblickt werden, weil die Zusatzfrage auf Notwehr logischerweise vor der Eventualfrage auf Notwehrüberschreitung zu stellen ist (13 Os 42/74). Zu der auf § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO. gestützten Rüge ist zu sagen: Die zur vierten Hauptfrage (Mord) erteilte schriftliche Belehrung (S. 449/II) erläutert den Tatbestand des § 75 StGB. sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht erschöpfend. Wenn der Angeklagte in bezug auf die Erklärung des dolus eventualis jenen Satz zitiert, daß bei Handeln mit bedingtem Vorsatz der Täter die Verwirklichung des Unrechtssachverhalts (Tod eines anderen Menschen) nicht anstrebe, sondern um anderer Zwecke willen handle (S. 450/II), reißt er damit in sinnstörender Weise einen Teil der Belehrung aus dem Zusammenhang und übergeht, daß sich der Sinn dieses Satzes klar und unmißverständlich aus den unmittelbar anschließenden, den Inhalt des § 5 Abs. 1 StGB. richtig darlegenden Ausführungen ergibt. Auch die Belehrung, daß ein Handeln im (sinngemäß: sthenischen oder asthenischen) Affekt der Beurteilung als Mord nicht entgegenstehe, entspricht der Rechtslage. Darüber, unter welchen Voraussetzungen eine heftige Gemütsbewegung des Täters zur Beurteilung als Totschlag nach § 76 StGB. zu führen hat, waren die Geschwornen im Rahmen der Darlegungen zu der auf dieses Verbrechen gerichteten Eventualfragen zu belehren; wobei dort auch das Wesen der 'allgemeinen Begreiflichkeit' der heftigen Gemütsbewegung zutreffend und hinreichend erörtert wurde (S. 451, 452/II). Das bei beiden Tatbeständen erwähnte Motiv des Zorns konnte bei den Geschwornen eine mißverständliche Auslegung der Begriffe Mord und Totschlag nicht herbeiführen. Sie wurden vielmehr zutreffend darüber belehrt, daß sich Mord und Totschlag voneinander nicht durch die Richtung des Gefühlsimpulses des Täters, sondern dadurch unterscheiden, daß für die Annahme eines Totschlags ein auch vom Tötungsvorsatz getragenes Handeln des Täters jedoch in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung maßgebend ist. Die Anführung von Beispielsfällen, insbesonders unter Bezugnahme auf den konkreten Sachverhalt, hatte in der Rechtsbelehrung zu unterbleiben, weil sie über den Vergleich mit dem gegenständlichen Sachverhalt mittelbar die Beweiswürdigung der Geschwornen beeinflussen und solcherart sogar ihrerseits zur Verwirklichung des Nichtigkeitsgrunds des § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO. führen hätten können (vgl. SSt. 45/9, LSK. 1979/356). Die Erörterung von Tat- und Beweisfragen (ohne Vorwegnahme der Beweiswürdigung) ist nach der klaren Vorschrift des § 323 Abs. 2 StPO. der Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschwornen vorbehalten.

Die Teilverweisung auf das bereits zum Verbrechen des Mordes Gesagte in der Rechtsbelehrung zum Totschlag war zulässig (EvBl. 1978/82). Soweit der Angeklagte behauptet, die Niederschrift der Geschwornen zeige, daß diese die Annahme des Tötungsvorsatzes allein aus seinem Vorleben und der Unglaubwürdigkeit der Entlastungszeugen abgeleitet, nicht aber aus objektiven Anhaltspunkten gefolgert hätten, widerlegt er sich im vorhergehenden Satz der Rechtsmittelausführung selbst. Dort führt er nämlich im Einklang mit der Niederschrift der Geschwornen zutreffend aus, daß die Laienrichter die Bejahung der Hauptfrage nach Mord auf den objektiven, insbesondere sich aus dem Gutachten ergebenden Sachverhalt in Verbindung mit dem Vorleben des Angeklagten und dessen persönlichen Eindruck sowie den unglaubwürdigen Eindruck der Entlastungszeugen gestützt haben. Die Rechtsbelehrung betreffend die Zusatzfrage nach Notwehr ist zwar eher knapp gefaßt, aber nicht unrichtig. Der Angeklagte rügt diesbezüglich, daß die Belehrung darauf hinzuweisen gehabt hätte, daß eine Notwehrsituation auch gegeben sein kann, wenn der Täter vorerst Angriffshandlungen setzt, diese dann beendet und sich nach dem Abschluß dieser Tätlichkeiten einem bevorstehenden Angriff des vorher Angegriffenen gegenübersieht. Dem ist zu erwidern, daß eine unvollständige Rechtsbelehrung nur dann einer unrichtigen (§ 345 Abs. 1 Z. 8 StPO.) gleichzuhalten ist, wenn die Unvollständigkeit zu Mißverständnissen der Geschwornen in bezug auf die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf die eine Frage gerichtet ist, zur irrigen Auslegung der in einer Frage enthaltenen Ausdrücke des Gesetzes, zu Irrtümern über das Verhältnis der Fragen zueinander oder über die Folgen der Bejahung oder Verneinung der einzelnen Fragen Anlaß geben kann (SSt. 41/61, EvBl. 1974/77). Keine dieser Voraussetzungen trifft hier zu, zumal sich aus der gemäß § 331 Abs. 3 StPO. abgefaßten Niederschrift der Geschwornen klar ergibt, daß diese gar nicht von einem bereits abgeschlossenen Angriff des Angeklagten und einem bevorstehenden Angriff des Mario B ausgegangen sind, sondern im Gegenteil davon, daß sich der Beschwerdeführer im Angriff, B aber in der Verteidigung befunden hat (S. 447/II). An welcher Stelle des Wahrspruchs - dem Beschwerdevorbringen zufolge - festgestellt sein soll, daß B 'nach vorhergegangener verbaler Auseinandersetzung mit Angriffshandlungen begonnen hat', muß unerfindlich bleiben. Soweit schließlich im Rahmen der Ausführungen zu diesem Nichtigkeitsgrund eine Beweiswürdigung vorzunehmen versucht wird, ist darauf nicht einzugehen.

Unter § 345 Abs. 1 Z. 9 und 10 StPO. macht der Angeklagte geltend, daß die gemäß § 331 Abs. 3 StPO. abgefaßte Niederschrift 'im auffallenden Widerspruch' zum Inhalt des Wahrspruchs stehe, der Schwurgerichtshof aber dessen ungeachtet die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens (§ 332 Abs. 4 StPO.) unterlassen habe. Ein derartiger Widerspruch ist weder vorhanden noch wird er mittels Textvergleichs aufzuzeigen versucht. Im übrigen bringt die Behauptung eines Widerspruchs von Niederschrift und Verdikt keinen der angezogenen Nichtigkeitsgründe zur gesetzmäßigen Darstellung; dazu genügt ein Hinweis auf den Wortlaut der Z. 9 und der Z. 10 des § 345 Abs. 1 StPO. (siehe ferner EvBl. 1974/96, LSK. 1982/49). Der letztliche Beschwerdeeinwand, die Niederschrift gemäß § 331 Abs. 3 StPO. sei entgegen der Bestimmung des § 332 (Abs. 2) StPO. weder dem Ankläger noch dem Verteidiger zur Kenntnis gebracht worden, bezeichnet eine Unterlassung, die nicht mit Nichtigkeit bedroht ist. Die Beschwerde war demnach zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über Gerhard A nach §§ 28, 75 StGB. eine 20-jährige Freiheitsstrafe und wertete als erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen mit einem Verbrechen, die Wiederholung der leichten Körperverletzung, die über die Rückfallsqualifikation hinausreichenden Vorstrafen, den relativ raschen Rückfall und die besondere Brutalität für das Opfer (qualvolle Weise des Todes), als mildernd das Teilgeständnis (hinsichtlich der Schuldsprüche I und II) und das herausfordernde Verhalten des Opfers, das den bereits vorhandenen Tatentschluß des Angeklagten sicherlich noch verstärkt hat.

Dem Berufungsbegehren auf schuldangemessene Strafherabsetzung kommt Berechtigung nicht zu.

Da der Berufungswerber die Auseinandersetzung mit dem ihm als gewalttätig bekannten späteren Opfer gesucht hat, kann von einer verlockenden Gelegenheit keine Rede sein. Die bereits an anderer Stelle geschilderte Tathandlung läßt sich unschwer als brutaler (id est: roher, rücksichtsloser, gefühlloser) Aggressionsakt qualifzieren, vor allem, wenn man bedenkt, daß der Täter das Opfer hilflos liegen und verbluten ließ. Bei einem bereits von Kindheit an auffälligen 23-jährigen Gewalttäter, der durch vielfache Abstrafungen nicht resozialisiert werden konnte, kann ein allfälliger Erziehungsmangel nicht mehr mildernd ins Gewicht fallen (LSK. 1983/38). Die Tat ist geradezu der Ausfluß der völlig haltlosen, zu ständiger krimineller Entladung, vor allem im alkoholisierten Zustand, neigenden Persönlichkeit des Berufungswerbers, so daß auch der Berauschung gemäß § 35 StGB. mildernde Bedeutung nicht zukommen kann. Es bleibt daher als einziger wesentlicher schuldmildernder Tatumstand die Eröffnung der Auseinandersetzung durch das (die Gefahr bereits erkennende) Opfer, welchem Umstand aber durch die Verhängung der zeitlichen, indes nicht höchstzulässigen Freiheitsstrafe (siehe § 75 StGB.) voll Rechnung getragen wurde.

Anmerkung

E04936

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00108.84.0927.000

Dokumentnummer

JJT_19840927_OGH0002_0130OS00108_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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