Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Oktober 1984 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak (Berichterstatter), Dr. Reisenleitner und Hon. Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner A wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4, 1. Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Jugendschöffengericht vom 18. Juli 1984, GZ 8 Vr 352/84-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Kern zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt - in bezug auf das Unterbleiben eines Ausspruchs, der Angeklagte Werner A habe die ihm angelastete Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen, sowie demgemäß im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung dieser Tat als Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.August 1966 geborene Spenglerlehrling Werner A des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB schuldig erkannt. Ihm liegt im wesentlichen zur Last, am 29.März 1984 in Niederösterreich dadurch, daß er als 17-jähriger, ohne im Besitz eines Führerscheins zu sein und ohne mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges und den Verkehrsvorschriften genügend vertraut zu sein, mit seinem nicht zum Verkehr zugelassenen Personenkraftwagen auf durch Regen aufgeweichter, nicht asphaltierter Fahrbahn mit zu hoher Geschwindigkeit fuhr, fahrlässig eine an sich schwere Körperverletzung des Franz B, nämlich mehrere Knochenbrüche und eine Nierenquetschung, verbunden mit einer Gesundheitsstörung von mehr als 24 Tagen, sowie eine leichte Körperverletzung des Herbert C herbeigeführt zu haben. Hiefür, sowie unter nachträglicher Straffestsetzung gemäß §§ 13 Abs 2, 46 Abs 4 JGG für das ihm laut dem Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 12. Oktober 1983, GZ 8 Vr 658/83-13, weiters zur Last liegende Vergehen der Täuschung nach § 108 Abs 1 StGB wurde Werner A nach dem ersten Strafsatz des § 88 Abs 4 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt.
Mit ihrer auf die Gründe der Z 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft die Staatsanwaltschaft das Urteil im Schuldspruch insoweit, als darin die Qualifikation des § 81 Z 1 StGB verneint, sowie im Strafausspruch deshalb, weil die Strafe nicht nach § 108 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 und Abs 2 StGB bemessen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde erweist sich schon aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund als berechtigt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes liegen besonders gefährliche Verhältnisse im Sinne des § 81 Abs 1 StGB vor, wenn vom Täter eine qualitativ verschärfte Gefahrenlage im Sinne einer außergewöhnlichen Unfallwahrscheinlichkeit geschaffen wird, wobei die so geartete Gefährdung einer einzigen Person ausreicht. Diese gegenüber normalen Fällen gesteigerte Gefährlichkeit, welche eine schwere Schädigung an Leib und Leben eines anderen in hohem Maße wahrscheinlich machen muß, kann entweder in der Person des Kraftfahrzeuglenkers oder in einer Verschärfung der Verkehrssituation gelegen sein (vgl ZVR 1984/53 ua). Ob ein solcher gesteigerter Gefährlichkeitsgrad im Einzelfall anzunehmen ist, kann nur auf Grund einer umfassenden konkreten Wertung aller risikoerhöhenden und risikovermindernden Umstände beurteilt werden (vgl Burgstaller im WK, RN 22 zu § 81 StGB).
Im vorliegenden Fall läßt sich diese Frage indes auf Grund der vom Erstgericht getroffenen Konstatierungen noch nicht abschließend beantworten.
Danach war der Angeklagte Werner A zwar infolge seines jugendlichen Alters noch nicht im Besitz eines Führerscheines, der ihn zum Lenken eines Kraftfahrzeuges berechtigt hätte (vgl S 72). Ob er demzufolge mangels Fahrausbildung mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht genügend vertraut war, blieb jedoch in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils unerörtert; die Bezeichnung dieses Tatumstandes im Urteilsspruch vermag die fehlende Feststellung in den Urteilsgründen nicht zu ersetzen (vgl ÖJZ-LSK 1982/132). Im übrigen wurde vom Erstgericht lediglich als erwiesen angenommen, daß es zur Tatzeit um ca 18,45 Uhr leicht geregnet habe, die Oberfläche der 6 m breiten, nicht asphaltierten Straße schmierig und rutschig gewesen sei, und der Angeklagte infolge Einhaltens einer relativ überhöhten Fahrgeschwindigkeit von etwa 70 bis 80 km/h mit dem von ihm gelenkten (zudem noch nicht zum Verkehr zugelassenen) Fahrzeug ins Schleudern geraten, nach rechts von der Fahrbahn abgekommen und in weiterer Folge frontal gegen einen neben der Straße befindlichen Waldbaum geprallt sei (vgl S 73).
Hingegen läßt das Urteil Konstatierungen über den Straßenverlauf am Unfallsort, den technischen Zustand des (zum Verkehr nicht zugelassenen) Fahrzeuges und die im Unfallszeitpunkt herrschenden Sicht- und Beleuchtungsverhältnisse, sonach über Umstände, die nach Lage des Falles für die Beantwortung der Frage, ob durch das Zusammenwirken mehrerer Risikofaktoren besonders gefährliche Verhältnisse im Sinne des § 81 Z 1 StGB bestanden, von Bedeutung gewesen wären, vermissen. In diesem Zusammenhang ist namentlich hervorzuheben, daß der Angeklagte von Franz B (vgl dessen Angaben vor der Gendarmerie, S 23) vor der Linkskurve, in der er dann ins Schleudern geriet, gewarnt worden war und daß nach den von der Gendarmerie aufgenommenen Lichtbildern rund eine halbe Stunde nach dem Unfall bereits Dunkelheit herrschte (vgl S 25). Da sohin Umstände, die für die rechtliche Beurteilung der Tat wesentlich waren, nicht festgestellt wurden, obwohl die Ergebnisse des Beweisverfahrens auf die Bedeutsamkeit dieser Umstände hinwiesen (vgl SSt 22/2 ua), erweist sich das Urteil als mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO behaftet, weshalb in Stattgebung der staatsanwaltschaftlichen Nichtigkeitsbeschwerde spruchgemäß zu entscheiden war. Infolge Kassierung des Strafausspruchs sind die Beschwerdeausführungen der Anklagebehörde zur Z 11
des § 281 Abs 1 StPO gegenstandslos geworden und bedarf es mithin diesbezüglich keiner weiteren Einlassungen.
Anmerkung
E04845European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0090OS00127.84.1002.000Dokumentnummer
JJT_19841002_OGH0002_0090OS00127_8400000_000