TE OGH 1984/10/2 11Os128/84

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Veröffentlicht am 02.10.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Oktober 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider (Berichterstatter) und Dr. Reisenleitner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gurschler als Schriftführers, in der Strafsache gegen Horst Alois A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den § 15, 202 Abs. 1 und 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengerichtes vom 3.Juli 1984, GZ. 19 Vr 4.016/83- 47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwaltes Dr. Bassler, und des Verteidigers DDr. Dorazil, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13.Oktober 1954 geborene, zuletzt ohne Beschäftigung gewesene Angeklagte Horst Alois A (zu Punkt I des Schuldspruches) des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den § 15, 202 Abs. 1 und 2 StGB und (zu Punkt II des Schuldspruches) des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG schuldig erkannt. Von weiteren Anklagefakten erging ein unangefochten gebliebener Teilfreispruch.

Der Angeklagte bekämpft der Sache nach (nur) den Schuldspruch wegen Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Insoweit liegt ihm zur Last, am 18.Dezember 1983 in Anif dadurch versucht zu haben, Nada B mit Gewalt zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen, daß er ihr mehrere Schläge ins Gesicht versetzte, sie an den Haaren riß, ihren Kopf gegen die Innenseite des PKWs schlug, ihr Mieder zerriß, ihre Strumpf- und Unterhose abstreifte, der Flüchtenden nachlief und ihr Schläge und Fußtritte versetzte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB), nämlich einen Nasenbeinbruch mit Verschiebung ('Knick') der Bruchstücke, eine Verletzung der Unterlippe mit Lockerung eines Zahnes des linken Unterkiefers, Blutunterlaufungen am rechten Augenunterlid sowie Blutungen im Bereich der behaarten Kopfhaut mit büschelweise ausgerissenen Haaren, zur Folge hatte. Sich auf § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO berufend, macht der Angeklagte geltend, es lasse das Erstgericht nach der Aktenlage mögliche Urteilskonstatierungen darüber vermissen, daß Nada B ihren eigenen Angaben zufolge ihn ausdrücklich aufgefordert habe, sich auszuziehen, und überdies zweimal aus dem PKW aus- und wieder eingestiegen sei (S. 13; 14, 15/Band II).

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Meinung der Beschwerde liegt darin aber keine Unvollständigkeit, weil das erste (nicht konstatierte) Aussteigen aus dem PKW ersichtlich vor den inkriminierten Vorfällen stattfand und von Nada B laut ihrer Angabe dazu genutzt wurde, den Beschwerdeführer zur Heimfahrt zu überreden (S. 15/Band II), und die Aufforderung an den Angeklagten, sich auszuziehen, Teil der vom Opfer geschilderten und vom Erstgericht ohnedies festgestellten 'Verzögerungstaktik' (S. 23/Band II) war. Ein Urteil ist aber nur dann wegen Unvollständigkeit nichtig, wenn das Gericht bei der Feststellung einer entscheidenden Tatsache in der Hauptverhandlung aufgenommene Beweise oder sonst im Beweisverfahren hervorgekommene Umstände mit Stillschweigen übergeht oder ungewürdigt läßt. Davon kann aber im gegebenen Fall keine Rede sein. Das Vorbringen des Angeklagten stellt sich vielmehr als unzulässiger und daher unbeachtlicher Angriff auf die schöffengerichtliche Beweiswürdigung mit der Zielsetzung dar, seiner (vom Erstgericht abgelehnten) Verantwortung, Nada B habe einem Geschlechtsverkehr zugestimmt, zum Durchbruch zu verhelfen.

Gleiches gilt für die - in der vorgebrachten Form überdies aktenwidrige - Behauptung des Beschwerdeführers, der Untersuchungsbericht der kriminaltechnischen Abteilung der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 22.Dezember 1983 stelle fest, daß Nada B sich Slip und Strumpfhose 'selbst abgestreift habe', was der vom Erstgericht getroffenen Urteilsannahme, der Angeklagte habe der Frau diese Kleidungsstücke ausgezogen, widerspreche, ohne daß das Erstgericht auf diese Beweismittel eingegangen sei. Denn abgesehen davon, daß dem Untersuchungsbericht nur zu entnehmen ist, daß diese Kleidungsstücke mangels Beschädigungen oder überdehnungen 'wahrscheinlich von der Trägerin selbst abgestreift wurden' (S. 59/Band I), nahm das Schöffengericht auf diesen Untersuchungsbericht ohnedies Bezug (S. 27, 28/Band II) und gelangte mängelfrei - nämlich gestützt auf die Aussage der Zeugin Nada B (S. 13/Band II) - zu der bekämpften Feststellung, wobei es überdies (lebensnah) ausführte, daß B zum Zeitpunkt des Ausziehens der Strumpfhose wegen der ihr zugefügten Mißhandlungen, ihre körperliche Unterlegenheit erkennend, den Widerstand bereits 'praktisch aufgegeben' hatte (S. 24; 27, 28/Band II).

Mit der Wiederholung seines Vorbringens zur Mängelrüge (auch) im Rahmen der Rechtsrüge ist der Beschwerdeführer auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen.

Soweit er darüber hinaus seine Verantwortung wiedergibt (vgl. S. 6/Band II), er habe angenommen, daß Nada B freiwillig bereit sei, mit ihm einen Geschlechtsverkehr auszuführen, und sein Verhalten auf - vom Erstgericht seiner Meinung nach zu Unrecht außer acht gelassene - 'Verständigungsschwierigkeiten' und dadurch bedingte 'Mißverständnisse' zurückführt, begibt er sich neuerdings auf das ihm verwehrte Gebiet der Beweiswürdigung, ohne einen Feststellungsmangel über entscheidungswesentliche Tatsachen aufzuzeigen.

Es versagt aber auch der weitere, in der Rechtsrüge zur subjektiven Tatseite des Verbrechens nach dem § 202 StGB erhobene Einwand, dem Urteil sei nicht zu entnehmen, daß dem Angeklagten 'die Ernsthaftigkeit des widerstrebenden Willens des Opfers bewußt war'.

Dem ist nämlich folgendes entgegenzuhalten:

Das Erstgericht erörterte und verneinte in Widerlegung der Verantwortung des Angeklagten ausdrücklich die Frage, ob Nada B freiwillig zum Geschlechtsverkehr bereit war (S. 26 bis 28/Band II). Aus den (Urteils-) Feststellungen in ihrer Gesamtheit, insbesondere aus dem konstatierten Tatablauf mit wiederholt ausgeübter, sogar eine schwere Verletzung des Opfers nach sich ziehender brutaler Gewalt ergibt sich darüber hinaus eindeutig, daß dem Angeklagten - ungeachtet sprachlicher Barrieren und infolge mehrmaliger schwerer Mißhandlungen (nur) 'scheinbarer' Bereitschaft des Opfers (vgl. S. 26, 29/Band II) - die Ernsthaftigkeit des einem Geschlechtsverkehr entgegenstehenden Willens bewußt war. Der behauptete Feststellungsmangel liegt mithin gleichfalls nicht vor, sodaß die Nichtigkeitsbeschwerde insgesamt zu verwerfen war. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 202 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, mehrere einschlägige Vorstrafen wegen Körperverletzungsdelikten sowie den überaus raschen Rückfall nach einer Verurteilung wegen des Vergehens nach dem § 83 Abs. 2 StGB als erschwerend, hingegen als mildernd ein teilweises Geständnis und den Umstand, daß das Sittlichkeitsdelikt nur bis ins Versuchsstadium gediehen war.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Der Meinung des Beschwerdeführers zuwider wurde die Tat nicht unter Umständen begangen, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen. Dafür sprechen weder eine - nur mäßige - Alkoholisierung (s.S. 9, 14/Band II) noch der Umstand, daß Nada B in den Personenkraftwagen des Angeklagten einstieg und sich (zuerst in der Discothek und sodann im Auto) zum Austausch von Zärtlichkeiten bereitfand (s.S. 11; 23/Band II). Denn eine weitere Annäherung wurde - den Urteilsfeststellungen zufolge (vgl. abermals S. 26 bis 28/Band II) für den Angeklagten deutlich erkennbar - abgelehnt; die daraufhin vom Berufungswerber an den Tag gelegte sehr brutale Vorgangsweise geht ersichtlich bloß auf aggressive Veranlagung zurück. Schließlich irrt der Berufungswerber auch, wenn er vermeint, die Vorstrafen wegen Körperverletzung lägen nicht auf der gleichen schädlichen Neigung wie das Nötigungsdelikt nach dem § 202 Abs. 2 StGB Gemäß dem § 71 StGB beruhen mit Strafe bedrohte Handlungen dann auf der gleichen schädlichen Neigung, wenn sie gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet oder auf gleichartige verwerfliche Beweggründe oder auf den gleichen Charaktermangel zurückzuführen sind. Sowohl das Vergehen nach dem § 83 (Abs. 1 und Abs. 2) StGB als auch das Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf beruhen hier auf dem Charaktermangel der Aggressionsneigung. Im gegebenen Zusammenhang ist insbesondere auf die - qualifizierend im Sinn des Abs. 2 des § 202 StGB wirkende - schwere Körperverletzung hinzuweisen, die der Angeklagte seinem widerstrebenden Opfer zufügte.

Zusammenfassend ergibt sich mithin, daß das Schöffengericht auf der Grundlage der im wesentlichen richtig und vollständig festgestellten besonderen Strafzumessungsgründe (§ 33 f. StGB) und der allgemeinen Strafbemessungsnormen des § 32 StGB eine angemessene Freiheitsstrafe verhängte, die sich selbst unter Berücksichtigung des anfänglichen Verhaltens des Opfers - insbesondere aus spezialpräventiven überlegungen - nicht als reduktionsbedürftig erweist. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04873

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0110OS00128.84.1002.000

Dokumentnummer

JJT_19841002_OGH0002_0110OS00128_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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