Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Oktober 1984 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Müller, Dr.Horak, Dr.Felzmann und Dr.Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr.Nittel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard A wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Wels als Schöffengerichts vom 8.Juni 1984, GZ 12 Vr 1971/83-99, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr.Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr.Kojer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr.Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe
auf 18
(achtzehn) Monate herabgesetzt.
Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 23.August 1958 geborene Frührentner Gerhard A wurde des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. und des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z.1 und 2 und Abs 2 SuchtgiftG., jeweils in bezug auf Haschisch, schuldig erkannt.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z.9 lit a, 10 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Rechtsirrig (§ 281 Abs 1 Z.9 lit a StPO) sei der Schuldspruch, weil Haschisch kein Suchtgift sei. Der im Verfahren 6 c Vr 3973/84 des Landesgerichts für Strafsachen Wien beeidete Sachverständige Prim.Dr.HERMANN habe nämlich die Ansicht vertreten, daß Haschisch keine physische oder psychische Abhängigkeit erzeuge. Aber selbst wenn man Haschisch als Suchtgift qualifizieren wolle, könnte durch die Einfuhr von 450 Gramm dieses Stoffs nach Österreich mangels Schädlichkeit für die Volksgesundheit keine Gemeingefahr (§ 12 Abs 1 SuchtgiftG.) hervorgerufen worden sein; daher hätte nur eine Verurteilung wegen des Vergehens nach § 16 SuchtgiftG. ergehen dürfen (§ 281 Abs 1 Z.10 StPO).
Indes: Nach § 1 Abs 1 SuchtgiftG. sind unter Suchtgift Stoffe und Zubereitungen zu verstehen, die durch die Einzige Suchtgiftkonvention vom 30.März 1961 zu New York in der Fassung des Protokolls vom 25.März 1972 zu Genf, BGBl. Nr.531/1978, Beschränkungen hinsichtlich der Erzeugung (Gewinnung und Herstellung), des Besitzes, des Verkehrs, der Ein-, Aus- und Durchfuhr, der Gebarung oder der Anwendung unterworfen sind. Nach Anhang IV (in Verbindung mit Art.2 Abs5 B.) zählt dazu auch das unter der Bezeichnung Haschisch bekannte Cannabisharz, eine harzartige Absonderung der Blütenspitzen der Cannabispflanze. Dieses enthält den psychoaktiven Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC), der zudem im § 1 Abs 3 litk SuchtgiftG. und im Anhang V der Suchtgiftverordnung 1979 ausdrücklich unter den von diesen Bestimmungen erfaßten Suchtgiften angeführt ist (Foregger-Litzka, Suchtgiftgesetz, 1980, mit Ergänzungsheft 1983).
Angesichts dieser klaren und eindeutigen gesetzlichen Regelung kann nicht in Zweifel gezogen werden, daß Haschisch unter den Begriff Suchtgift im Sinn des § 1 Abs 1
SuchtgiftG. fällt. Demzufolge kann dieser Stoff Gegenstand nicht nur des Vergehens nach § 16 SuchtgiftG., sondern auch des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. sein. Zur Frage der sogenannten 'Grenzmenge' (d.i. das zur Herstellung des Tatbilds des § 12 Abs 1 SuchtgiftG. wenigstens erforderliche Suchtgiftquantum) hat sich der beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz eingerichtete Beirat zur Bekämpfung des Mißbrauchs von Alkohol und anderen Suchtmitteln einhellig der auf wissenschaftlichen Untersuchungen der Universitätsprofessoren Dr.C und Dr.D fußenden Sachverständigenmeinung angeschlossen. Darnach genügen zwei Gramm THC, um eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen in größerer Ausdehnung herbeizuführen (Erlaß des BM.f.Justiz vom 8. September 1981, Anlage I zu JABL.
1981/21). Dies ergibt für Haschisch (Cannabisharz), dessen THC-Gehalt gewöhnlich zwischen einem und zwölf Prozent liegt und starken Schwankungen unterworfen ist (siehe die vom Generalsekretariat der Interpol verfaßte 'Suchtgift-Terminologie', Erlaß des BM.f.Justiz vom 1.August 1979, E. 703.012/1-II 2/79; auszugsweise abgedruckt in Foregger-Litzka S.124 ff., insbes. 127), eine Grenzmenge zwischen 200 Gramm und 16,6 Gramm, mithin selbst bei einem - dem Schuldspruch ersichtlich zugrunde gelegten (S.444 oben) - THC-Gehalt von (durchschnittlich) nur 2 % eine Menge von 100 Gramm (Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 2 , Anm. B 1 S.842, und E.Nr.25 b zu § 12 SuchtgiftG. S. 853; Erben-Kodek-Pipal, Kommentar zur Suchtgiftgesetzgebung, S. 40).
Das Erstgericht hat auf dieser wissenschaftlichen Grundlage konform mit der Rechtsprechung bei der festgestellten Einfuhr von 450 Gramm Haschisch ('Marokkaner') nach Österreich mit dem Ziel, zumindest die Hälfte der auf Gerhard F und Siegfried G entfallenden Anteile (also 150 Gramm) an einen weder bestimmten noch beschränkten Abnehmerkreis gewinnbringend zu verkaufen und hiedurch wenigstens 30 bis 50 Menschen im Weg einer breitgestreuten Verteilung zu erreichen (S. 430, 431; 444), die Herbeiführung einer Gemeingefahr (§ 12 Abs 1 SuchtgiftG.) bejaht. Folgerichtig wurde das Verhalten des mit Gefährdungsvorsatz handelnden Beschwerdeführers, der sich an dieser Suchtgifteinfuhr beteiligt hat, dem Tatbestand nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. unterstellt: Auf der Basis von 150 Gramm Haschisch, die nicht für den Eigenverbrauch des Angeklagten und seiner Komplizen bestimmt waren, errechnet sich der THC-Gehalt (2 %, siehe oben) mit 3 Gramm, also um die Hälfte mehr als die Grenzmenge. Sachverständigengutachten müssen bei der Lösung der Rechtsfrage außer Betracht bleiben. Weiters: Gutächtliche Äußerungen in irgendeinem anderen Prozeß dürfen schon zufolge § 258 Abs 1 StPO nicht berücksichtigt werden.
Die Beischaffung der Akten 6 c Vr 3973/84 des Landesgerichts Wien und eine Ladung des Sachverständigen Prim.Dr.H, wie dies vom Rechtsmittelwerber in der Nichtigkeitsbeschwerde begehrt wird, liefe aber auf eine im Nichtigkeitsverfahren verbotene Neuerung hinaus (§ 288 Abs 2 Z. 3 StPO).
Mit seinem Einwand, bei der Strafbemessung hätte gemäß § 31 StGB auf eine Vorverurteilung des Kreisgerichts Wels vom 4.November 1981 Bedacht genommen werden müssen, releviert der Beschwerdeführer keine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z.11 StPO, weil er eine überschreitung des bei gemeinsamer Aburteilung anzuwendenden Strafrahmens gar nicht behauptet. übrigens hat er einen Teil der urteilsgegenständlichen Taten erst nach jener Verurteilung begangen (I, II 1 b und 2); damit ist § 31 StGB unanwendbar.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 12 Abs 1 (erster Strafsatz, erste Strafstufe) SuchtgiftG. unter Bedachtnahme auf § 28
StGB eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und gemäß § 12 Abs 4 SuchtgiftG.
eine Verfallsersatzstrafe von 2.250 S (im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen). Dabei waren erschwerend eine einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen derselben Art, deren Begehung über einen längeren Zeitraum hinweg und der relativ rasche Rückfall, mildernd hingegen das teilweise, wenn auch nur sehr wenig zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis des Angeklagten sowie der Umstand, daß die Tat (richtig: Taten; II 1 a und 3) im Jahr 1980 vor der ersten Verurteilung liegt (liegen).
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes und die bedingte Strafnachsicht an.
Soweit sie sich gegen das Strafmaß wendet, kommt der Berufung Berechtigung zu; im übrigen bleibt ihr ein Erfolg versagt. Gewiß soll das - je nach der Natur der Droge verschiedene - Quantum des Rauschgifts, das ja schon für den Tatbestand nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. als Grenzmenge wesentlich ist, in dem Ausmaß, in dem es diese übersteigt, auf die Höhe der Strafe von Einfluß sein; denn mit der Menge nimmt auch die deliktsspezifische Gefährdung zu, sodaß schon nach der allgemeinen Norm des § 32 Abs 3 StGB mit deren Zunahme die Strafe umso strenger zu bemessen ist.
Es liegt allerdings in der Natur der Sache, daß zwischen Drogenquantum und Strafausmaß keine lineare Proportionalität herrschen kann (vgl. LSK. 1980/28 zu § 20 FinStrG), vielmehr das Strafmaß in der Steigerung zurückbleiben wird. Schon daraus erhellt, daß mit der Abnahme des involvierten Drogenquantums bis an die Grenzmenge die Strafen, generell gesehen, relativ streng ausfallen werden.
Dennoch: Hier liegt das Suchtgiftquantum bei der Einfuhr im Bereich der mehr als vierfachen Grenzmenge, bei der beabsichtigten gestreuten Verteilung (450 Gramm abzüglich des Eigenverbrauchs der Mittäter) in der Größenordnung der eineinhalbfachen Grenzmenge (150 Gramm). Es kann sich daher das Strafmaß gerade noch an der Untergrenze des Strafrahmens orientieren, wobei eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten den anderen, hier strafbestimmend wirkenden Faktoren, so der Deliktskonkurrenz, den einschlägigen Vorstrafen und dem raschen Rückfall als Indikatoren für die negative Einschätzung der Täterpersönlichkeit, angemessen Rechnung trägt.
Für eine bedingte Strafnachsicht fehlen die strengen Voraussetzungen des § 43 Abs 2 StGB
Anmerkung
E04930European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00160.84.1018.000Dokumentnummer
JJT_19841018_OGH0002_0130OS00160_8400000_000