Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Oktober 1984 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Nittel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut A wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB. über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Bezirksgerichts Bregenz vom 19.Jänner 1984, GZ. U 1236/83-14, und des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgerichts vom 19.April 1984, AZ. Bl 305/84, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Brustbauer, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Urteile des Bezirksgerichts Bregenz vom 19.Jänner 1984, GZ. U 1236/83-14, und des Landes- als Berufungsgerichts Feldkirch vom 19. April 1984, Bl 305/84, verletzen die Bestimmung des § 198 Abs. 1 StGB.
Die angeführten Urteile werden im Ausspruch, Helmut A habe seine Unterhaltspflicht auch im Juni 1982 sowie vom November 1982 bis März 1983
gröblich verletzt bzw. in der Verwerfung der Berufung wegen Nichtigkeit bezüglich dieser Zeiträume, das Ersturteil auch im Strafausspruch, aufgehoben.
Gemäß §§ 288 Abs. 2 Z. 3, 292 StPO. wird in der Sache selbst erkannt:
Helmut A wird von der Anklage, im Juni 1982 sowie vom November 1982 bis März 1983 in Lustenau und Höchst seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber dem minderjährigen Helmut A jun. gröblich verletzt und dadurch bewirkt zu haben, daß dessen Unterhalt ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre, gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.
Für das ihm nach dem aufrecht bleibenden Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallende Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB. wird Helmut A gemäß derselben Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von 5 (fünf) Tagen verurteilt.
Gemäß § 43 Abs. 1 StGB. wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Text
Gründe:
Mit dem im Spruch zitierten Urteil des Bezirksgerichts Bregenz wurde Helmut A des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt und zu vierzehn Tagen Freiheitsstrafe verurteilt, die gemäß § 43 Abs. 1 StGB. unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Darnach hat er vom April 1982 bis 19.Jänner 1984 in Lustenau und Höchst seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber seinem am 5.Feber 1966 geborenen ehelichen Sohn Helmut gröblich verletzt und dadurch bewirkt, daß dessen Unterhalt ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre.
Den Urteilsfeststellungen zufolge war der Angeklagte zunächst zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von 1.800 S und ab 1.Oktober 1982 im Hinblick darauf, daß der Unterhaltsberechtigte seit Mitte 1982 als Schlosserlehrling eine monatliche Lehrlingsentschädigung von über 2.000 S erhält, zur Zahlung von 1.000 S monatlich verpflichtet.
Der Angeklagte verdiente bis zum 31.Mai 1982 monatlich 11.000 S und vom 24.Juni 1982 bis 15.Oktober 1982 8.000 S. Er verlor jeweils seinen Arbeitsplatz wegen Krankheit. In der Folge war er als arbeitsuchend gemeldet und bezog Arbeitslosengeld in der Höhe von 7.000 S, später Notstandsunterstützung von 6.000 S monatlich. Zuletzt wurde am 19.März 1983
ein Unterhaltsbetrag von 424 S vom Arbeitsamt an die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn überwiesen. Für Schulden, die während seiner Ehe entstanden waren und deren Rückzahlung er anläßlich der Scheidung 1978 übernommen hatte, hat der Angeklagte monatlich 1.900 S an die B in Lustenau zurückzuzahlen. Bis März 1983 benützte er noch die Ehewohnung, für welche er 4.000 S Monatsmiete entrichten mußte. Seither bezahlt er für Quartier und Verpflegung 2.000 S monatlich.
Das Erstgericht kam zur Überzeugung, daß A, auch wenn er seit Oktober 1982 keine Arbeit finden konnte und bloß Arbeitslosengeld bzw. Notstandsunterstützung bezog, gleichwohl in der Lage gewesen wäre, während des gesamten inkriminierten Zeitraums seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem minderjährigen Sohn nachzukommen.
Gegen dieses Urteil erhob der Angeklagte Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe. Das Landes- als Berufungsgericht in Feldkirch verwarf am 19.April 1984, Bl 305/84, die Berufung wegen Nichtigkeit, gab der Schuldberufung keine Folge und bestätigte das angefochtene Urteil im Hinblick auf im Berufungsverfahren unterbreitete Belege über Unterhaltszahlungen von 1.800 S am 6.August 1982 sowie je 1.000 S am 3.September und 1.Oktober 1982
'mit der Maßgabe, daß die Monate August, September und Oktober 1982 vom Schuldspruch ausgenommen werden'. Auch die Strafberufung blieb erfolglos. Die Rechtsmittelinstanz teilte die positive Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten durch das Erstgericht und vertrat die Ansicht, daß diesem auch zugemutet hätte werden könne, seine Bankverpflichtungen zugunsten der Unterhaltszahlungen für das Kind einzuschränken.
Rechtliche Beurteilung
Die Entscheidungen des Bezirksgerichts Bregenz und des Landes- als Berufungsgerichts in Feldkirch verletzen das Gesetz. Eine gröbliche Unterhaltspflichtverletzung liegt vor, wenn der Täter seine Verpflichtung geraume Zeit (LSK. 1979/141: nicht schematisierbar) nicht oder nur unvollständig erfüllt, obwohl er dazu imstande wäre. Ist er nicht in der Lage, überhaupt oder in einer seinen Verhältnissen angemessenen Weise Unterhalt zu leisten, handelt er nicht tatbildmäßig. Wer keinen Unterhalt leistet, weil er sonst seinen eigenen notwendigen Unterhalt verkürzen müßte, erfüllt - mangels Leistungsfähigkeit - nicht den Tatbestand des § 198 Abs. 1 StGB. (Pallin im WK., § 198 StGB., RZ. 30).
Damit erweist sich die Bejahung einer Unterhaltspflichtverletzung durch Helmut A auch für Juni 1982 und vom November 1982 bis März 1983 als rechtsirrig: Während dieser Zeit hatte Helmut A 4.000 S an Miete monatlich zu entrichten. Im überwiegenden Teil des Monats Juni 1982 erhielt er keinen Lohn, sondern war auf den Bezug eines Krankengelds angewiesen (S. 23).
Vom November 1982 bis März 1983 bezog er 7.000 S monatliche Arbeitslosenunterstützung. Auf diese Weise verblieben dem Angeklagten für die angeführten Zeiten nicht mehr als die für seinen notwendigen Unterhalt erforderlichen Mittel.
Sonach war der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs. 2 StPO. erhobenen Beschwerde stattzugeben und nach § 292 StPO. wie eingangs zu erkennen.
Bei der notwendigen Strafneubemessung konnte von den von den Untergerichten angeführten Strafzumessungsgründen ausgegangen werden, nämlich dem bisher tadelsfreien Verhalten und der zur Wahrheitsfindung wesentlich beitragenden Verantwortung des Angeklagten als mildernd, dem als erschwerend nichts gegenüberstand. Mit Rücksicht auf den Entfall von Deliktszeiträumen war jedoch die Freiheitsstrafe geringer, nämlich mit dem im Spruch bezeichneten Maß zu schöpfen und deren Vollzug weiterhin bloß anzudrohen (§ 43 Abs. 1 StGB., §§ 292, 290 Abs. 2 StPO.).
Anmerkung
E04940European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00163.84.1018.000Dokumentnummer
JJT_19841018_OGH0002_0130OS00163_8400000_000