Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Oktober 1984 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Nittel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Raimund A wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichts Leoben als Schöffengerichts vom 18.Juli 1984, GZ 10 Vr 928/83-33, erhobene Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Hämmerle und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und der Ausspruch, daß gemäß § 43 Abs 2 StGB die Vollziehung der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird, aufgehoben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Raimund A gegen das oben bezeichnete Urteil, mit dem er des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB (1), des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs 2, 224 StGB (2) und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1, zweiter Deliktsfall (richtig: erster Deliktsfall, aber höherer Strafsatz - EvBl. 1982 Nr. 198, LSK. 1984/129) StGB (3) schuldig erkannt worden war, wurde - ebenso wie die Berufung des Angeklagten - mit dem Beschluß des Obersten Gerichtshofs vom 27.September 1984, GZ 13 Os 155/84-6, dem der maßgebende Sachverhalt zu entnehmen ist, bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückgewiesen.
Gegenstand des Gerichtstags war die Berufung der Staatsanwaltschaft. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 28, 201 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren, die es gemäß § 43 Abs 2 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.
Dabei waren erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit einem Vergehen, mildernd hingegen die Unbescholtenheit des Angeklagten und sein teilweises Geständnis. Insbesonders mit Rücksicht auf die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten erachtete der Senat jene berücksichtigungswürdigen Gründe des § 43 Abs 2 StGB für gegeben, die in Verbindung mit der Höhe der angedrohten Strafe erwarten ließen, daß der Angeklagte in Hinkunft keine strafbaren Handlungen mehr begehen werde (S. 155).
Rechtliche Beurteilung
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Gewährung der bedingten Strafnachsicht. Sie ist im Recht. Die Gewähr künftigen Wohlverhaltens, von der in § 43 Abs 2 StGB die Rede ist, ist im Sinn einer besonders hohen Wahrscheinlichkeit zu verstehen (LSK. 1978/90), wie sie vorliegend schon angesichts der Deliktskonkurrenz nicht bejaht werden kann. Der grobe Vertrauensbruch einer ehemaligen Arbeitskollegin (S. 142) gegenüber, der am Anfang des schließlich vollendeten Notzuchtsverbrechens steht, die Verleumdung von seit mehreren Jahren gut Bekannten (ON 17, S. 15, 17) und die hinterhältige Art der Einlassung, die dem Notzuchtsopfer und dessen Ehegatten ein erpresserisches Vorgehen unterstellte (S. 17, 20), lassen einen argen Charaktermangel des Angeklagten erkennen, der gleichfalls gegen die 'Gewähr' spricht, daß er keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen werde. Zu Recht weist die Anklagebehörde schließlich darauf hin, daß auch die Generalprävention, die durchaus zu beachten ist und bisweilen für sich allein sogar den Ausschlag geben kann (LSK. 1981/3, 13 Os 133/80, 13 Os 103/81), der vom Erstgericht gewährten Strafnachsicht entgegensteht. Darnach bedarf es, mit anderen Worten, bei der manifest gewordenen, rücksichtslosen Mißachtung der Rechtssphäre anderer Personen durch den Angeklagten in mehrfacher Beziehung der Vollstreckung der Strafe auch, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken; denn die Berücksichtigung des Unrechtsgehalts der Taten konvergiert mit den Belangen der Generalprävention, wozu der Gesichtspunkt der Festigung des Rechtsbewußtseins in der Bevölkerung gehört (LSK. 1983/170).
Anmerkung
E04939European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00155.84.1018.000Dokumentnummer
JJT_19841018_OGH0002_0130OS00155_8400000_000