Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Oktober 1984 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Obauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr.Horak, Dr.Reisenleitner (Berichterstatter) und Dr.Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Schiller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Helfried Wilhelm A wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6.Juli 1984, GZ 4 b Vr 859/84-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Stöger, und des Verteidigers Dr.Burghofer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs 1 StPO das erstgerichtliche Urteil dahin ergänzt, daß gemäß § 38 Abs 1 Z 2 StGB dem Angeklagten die im Verfahren AZ 12 E Vr 4161/83 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz erlittene Vorhaft vom 22. November 1983, 15.15 Uhr, bis 23.November 1983, 13.00 Uhr, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet wird.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf die Dauer von einem Jahr und neun Monaten herabgesetzt; im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.Mai 1962 geborene Helfried Wilhelm A des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2
StGB schuldig erkannt, weil er in Wien unter Mitwirkung der deswegen bereits rechtskräftig abgeurteilten Margot Irmgard B mit dem Vorsatz, sich und andere Personen durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, die Angestellte der Zentralsparkasse und Kommerzialbank Wien, Zweigstelle Operngasse, Irmgard C, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über seine Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit, zur Bewilligung und Auszahlung von Darlehen, und zwar am 29.April 1983 zur Zuzählung eines Darlehensbetrages von 59.160 S und am 10.Mai 1983 zur Zuzählung eines weiteren Darlehensbetrages von 38.510 S, sohin jeweils zu einer Handlung verleitet hatte, die das vorerwähnte Kreditinstitut an seinem Vermögen (im Ausmaß von 97.670 S) schädigte.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte A mit einer auf die Gründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Gegen den Strafausspruch wendet er sich mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist unberechtigt.
Eine Unvollständigkeit des angefochtenen Urteils hält der Beschwerdeführer deshalb für gegeben, weil darin der von der Zeugin Lieselotte D, einer Angestellten des geschädigten Kreditinstitutes, in der Hauptverhandlung bekundete Umstand unberücksichtigt geblieben sei, daß der in der Bezahlung der vereinbarten Raten zur Tilgung der beiden von ihm aufgenommenen Darlehen säumig gewordene Angeklagte nicht gemahnt worden sei (S 234 oben).
Dieses Beschwerdevorbringen berührt aber keine entscheidungswichtige Tatsache, sollte doch damit unter Berufung auf die Bestimmung des § 13 KSchG über den Eintritt des Terminverlustes, der nach dieser Gesetzesstelle u.a. eine erfolglose Mahnung des Verbrauchers unter Androhung des Terminverlustes und Setzung einer Nachfrist von mindestens zwei Wochen voraussetzt, nur dargetan werden, daß die Zentralsparkasse und Kommerzialbank Wien mangels einer Mahnung zu Unrecht die gesamte, aus den beiden vom Angeklagten bei diesem Kreditinstitut aufgenommenen Darlehen resultierende Forderung fällig stellte. Soweit der Beschwerdeführer mit dieser Argumentation sowie unter Hinweis auf eine, allerdings erst zwei Wochen vor der im vorliegenden Verfahren am 6.Juli 1984 durchgeführten Hauptverhandlung vorgenommene Rückzahlung eines Betrages (von bloß) 10.000 S (vgl. S 228, 233) behauptet, daß beim Kreditgeber bisher überhaupt kein Schaden eingetreten und sein Schuldspruch wegen Betruges deshalb rechtlich verfehlt sei (zumal bei langfristigen Krediten die nicht rechtzeitige Rückzahlung einzelner Raten im Hinblick auf die dem säumigen Schuldner treffende Verpflichtung zur Bezahlung von Verzugszinsen nicht in jedem Fall zu einem Schadenseintritt führen müsse), zeigt er weder einen dem Erstgericht unterlaufenen Rechtsirrtum noch einen Begründungsmangel auf. Der Beschwerdeführer übergeht nämlich bei diesem Vorbringen, daß er nach den im Ersturteil mängelfrei begründeten Urteilsfeststellungen im Zeitpunkte der jeweils durch Täuschung erwirkten Zuzählung der beiden Darlehensbeträge weder rückzahlungsfähig noch rückzahlungswillig war, er demzufolge auch keine einzige der zur Tilgung dieser Darlehen vereinbarten und bereits ab Juni 1983 fälligen Monatsraten in der Höhe von je 2.900 S (vgl. S 228) bezahlte und der nach seiner eigenen Verantwortung erst zwei Wochen vor der Hauptverhandlung im vorliegenden Verfahren, also etwa ein Jahr nach Fälligkeit der ersten Rückzahlungsrate, ersichtlich unter dem Drucke des Strafverfahrens, dem Kreditgeber erstattete Betrag von 10.000 S bei weitem nicht der Summe der bis dahin bereits fälligen Rückzahlungsraten (von insgesamt 31.900 S) entsprach. Das für die Annahme eines vollendeten Betruges entscheidende Kriterium liegt im Eintritt des (tätergewollten) Vermögensschadens, worunter der effektive Verlust an Vermögenssubstanz zu verstehen ist. Unter den nach den Urteilsannahmen im Zeitpunkte der Aufnahme der beiden verfahrensgegenständlichen Darlehen beim Angeklagten vorgelegenen (objektiven und subjektiven) Tatumständen trat dieser Vermögensschaden bei dem kreditgewährenden Bankinstitut aber bereits mit der Zuzählung der Darlehensvaluta an den Angeklagten ein, weil bereits dadurch vom Angeklagten infolge seiner Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsunwilligkeit beim Kreditgeber eine (tätergewollte) Vermögensverminderung in der Höhe der beiden ausbezahlten Darlehensbeträge herbeigeführt wurde, für die nach dem im Ersturteil als erwiesen angenommenen (zumindest bedingt vorsätzlichen) Vorhaben des Angeklagten kein entsprechendes öquivalent (durch Bezahlung der vereinbarten Raten zur Tilgung dieser Darlehen) erbracht werden sollte (vgl. Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB 2, RN 33 zu § 146). Die (verspätete) Rückzahlung eines Betrages von 10.000 S stellt sohin bloß eine - im Ersturteil bei der Strafbemessung ohnedies berücksichtigte - teilweise Schadensgutmachung dar, wodurch aber die bereits eingetretene Strafbarkeit des Angeklagten wegen (vollendeten) Betruges nicht berührt wird.
Aber auch mit dem weiteren Beschwerdevorbringen zur Z 5 des § 281 Abs 1
StPO vermag der Beschwerdeführer eine dem Ersturteil anhaftende unzureichende Begründung nicht aufzuzeigen, lassen doch die im Ersturteil im einzelnen erörterten Verfahrensergebnisse entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers einen mit den Denkgesetzen und Erfahrungen des täglichen Lebens durchaus im Einklang stehenden Schluß auf einen zumindest bedingten Schädigungsvorsatz zu (vgl. S 246 und 247). Hiehei blieb die den Beschwerdeführer entlastende Darstellung der Zeugin Margot Irmgard B in der Hauptverhandlung (S 230 ff) keineswegs unberücksichtigt. Wenn das Erstgericht den Entlastungsversuch dieser Zeugin unter Hinweis auf ihre in einem bestimmten Punkt mit der Verantwortung des Angeklagten nicht im Einklang stehende Darstellung für gescheitert bezeichnet und dieser Zeugin mit formal ausreichender Begründung die Glaubwürdigkeit versagt (vgl. S 245 und 246), so stellt dies einen Akt der - von der Menschenrechtskonvention nicht eingeschränkten - freien richterlichen Beweiswürdigung dar, der im schöffengerichtlichen Verfahren der Anfechtung entzogen ist. Für die Behauptung des Beschwerdeführers, das Erstgericht sei bei dem angefochtenen Schuldspruch unter Verstoß gegen Prinzipien der Strafprozeßordnung und gegen die Unschuldsvermutung des Art.6 Abs 2 MRK davon ausgegangen, daß der Angeklagte seine Unschuld zu beweisen habe, finden sich in den Urteilsgründen, in denen vielmehr im einzelnen dargelegt wird, auf welche Verfahrensergebnisse sich der Schuldspruch stützt (vgl. S 244 bis 247), keine Anhaltspunkte. Das auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Beschwerdevorbringen erschöpft sich in der Behauptung, daß sich dem Ersturteil ein durch das Tatverhalten des Angeklagten bewirkter und für die Verwirklichung des Tatbestandes des Betruges in objektiver Beziehung erforderlicher Eintritt eines Vermögensschadens nicht entnehmen lasse und die Feststellung fehle, daß die vom Angeklagten aufgenommenen Darlehen nicht zurückbezahlt worden seien. Damit übergeht aber der Beschwerdeführer die ausdrückliche Urteilskonstatierung, daß der Angeklagte in der Folge (nach Aufnahme der beiden verfahrensgegenständlichen Darlehen) tatsächlich keine Rate ordnungsgemäß (gemeint: fristgerecht) bezahlte (S 246), wobei auch der Umstand keineswegs unberücksichtigt blieb, daß der Angeklagte erst nach Anberaumung der Hauptverhandlung im vorliegenden Verfahren erstmalig eine Rückzahlung in der Höhe von 10.000 S leistete, der im Rahmen der Strafzumessung als Milderungsgrund einer teilweisen Schadensgutmachung seinen Niederschlag fand (S 247 unten). Die Rechtsrüge ist insoweit, weil sie nicht von den tatsächlichen Urteilsannahmen ausgeht und diese mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht, nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin ein Erfolg zu versagen.
Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde war jedoch vom Obersten Gerichtshof gemäß § 290 Abs 1 (erster Fall) StPO von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Ersturteil zum Nachteil des Angeklagten mit dem ungerügt gebliebenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO behaftet ist, weil darin entgegen der Vorschrift des § 38 Abs 1 Z 2 StGB eine vom Angeklagten in dem Verfahren AZ 12 E Vr 4161/83 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz (Beiakt ON 20) in gerichtlicher Haft zugebrachte Zeit vom 22. November 1983, 15.15 Uhr, bis zum 23.November 1983, 13.00 Uhr, auf die über ihn verhängte Freiheitsstrafe nicht angerechnet wurde. Die vorerwähnte Vorhaft wurde zwar in dem im Verfahren AZ 12 E Vr 4161/83 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz am 15.Dezember 1983 gefällten und nunmehr im angefochtenen Urteil gemäß §§ 31, 40 StGB berücksichtigten Urteil (mit dem der Angeklagte des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB schuldig gesprochen und hiefür zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden war) gemäß § 38 (Abs 1 Z 1) StGB auf diese Freiheitsstrafe angerechnet; da aber die im Verfahren AZ 12 E Vr 4161/83 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz dem Angeklagten gewährte bedingte Strafnachsicht bisher nicht widerrufen wurde und somit die in diesem Verfahren ausgesprochene Vorhaftanrechnung bisher tatsächlich nicht wirksam wurde, wäre diese Vorhaft nach der Vorschrift des § 38 Abs 1 Z 2
StGB auch auf die nunmehr im angefochtenen Urteil über den Angeklagten verhängte Zusatzfreiheitsstrafe anzurechnen gewesen (vgl. EvBl 1983/88). Das Ersturteil war daher vom Obersten Gerichtshof gemäß § 290 Abs 1 StPO spruchgemäß zu ergänzen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 147 Abs 1 StGB und gemäß §§ 31 Abs 1, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 15.Dezember 1983, GZ 12 E Vr 4161/83-13 (womit der Angeklagte wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB zu einer - bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt worden war), zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und drei Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten und die Tatwiederholung, als mildernd eine teilweise Schadensgutmachung durch Bezahlung eines Betrages von 10.000 S nach Anberaumung der Hauptverhandlung.
Der Berufung des Angeklagten, die eine Herabsetzung des Strafausmaßes und die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, kommt nur teilweise Berechtigung zu.
Von einem reumütigen Geständnis kann entgegen der Ansicht des Angeklagten nach dem Inhalt seiner Verantwortung keine Rede sein. Liegt aber keine Reue vor, so ist es - entgegen den weiteren Darlegungen des Berufungswerbers - schon nach dem Wortlaut des § 34 Z 17 StGB von Bedeutung, ob seine Aussage wesentlich zur Wahrheitsfindung beitrug (und somit - wie die Berufung es formuliert - 'dem Gericht durch das Geständnis die Arbeit erleichtert wurde'). Eine Unbesonnenheit, die der Berufungswerber für sicher reklamiert, ist angesichts der Tatwiederholung gewiß nicht gegeben. Auch eine verlockende Gelegenheit liegt nicht vor, wurde doch im vorliegenden Fall die an sich vorgenommene Prüfung der Kreditwürdigkeit bei Vergabe der Kredite durch Vorlage falscher Lohnbestätigungen planmäßig in eine falsche Richtung geleitet. Richtig ist allerdings, daß dem Angeklagten der Milderungsgrund des § 34 Z 1 StGB zugute kommt: er hatte zum Zeitpunkt der Begehung der beiden deliktischen Angriffe das 21.Lebensjahr - wenn auch knapp - noch nicht vollendet.
Dem Angeklagten kommt auch, wie die Berufung im Ergebnis zutreffend geltend macht, der Milderungsgrund des § 34 Z 6 StGB zugute, denn nach den auf den Verfahrensergebnissen beruhenden erstgerichtlichen Feststellungen war die bereits rechtskräftig verurteilte Margot Irmgard B die Initiatorin zu den dem Angeklagten zur Last fallenden deliktischen Angriffen.
Unter Beachtung dieser zusätzlichen Milderungsgründe - aber auch unter Einbeziehung des gleichfalls vom Erstgericht übergangenen Umstandes, daß die Schadenssumme sehr nahe an die Grenze des § 147 Abs 3 StGB heranreicht - erachtete der Oberste Gerichtshof, daß bei gleichzeitiger Aburteilung mit dem dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 15.Dezember 1983, GZ 12 E Vr 4161/83-13, zugrundeliegenden Delikt eine Freiheitsstrafe von insgesamt zwei Jahren zu verhängen gewesen wäre. Demgemäß war - in teilweiser Stattgebung der Berufung - das Ausmaß der nunmehr über den Angeklagten zu verhängenden Freiheitsstrafe auf ein Jahr und neun Monate herabzusetzen.
Eine bedingte Strafnachsicht käme nur in Betracht, wenn aus besonderen Gründen Gewähr dafür geboten wäre, daß der Angeklagte keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Diese Gewähr ist nicht gegeben, denn der Angeklagte weist mehrere wegen Vermögensdelikten verhängte Vorstrafen auf, wobei bereits einmal eine bedingte Strafnachsicht gewährt wurde und ein weiteres Mal eine bedingte Entlassung verfügt wurde. Schon deshalb, weil diese Maßnahmen keine nachhaltige Wirkungen zeitigten, liegen die besonderen Voraussetzungen des § 43 Abs 2 StGB nicht vor. Es war daher insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E04840European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0090OS00147.84.1023.000Dokumentnummer
JJT_19841023_OGH0002_0090OS00147_8400000_000