TE OGH 1984/10/23 4Ob103/83

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Veröffentlicht am 23.10.1984
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Norm

InvEG §8 Abs2

Kopf

SZ 57/158

Spruch

Die Kündigung eines begünstigten Invaliden ist nur dann rechtswirksam, wenn im Zeitpunkt der Kündigungserklärung ein rechtskräftiger Zustimmungsbescheid des Invalidenausschusses vorliegt

OGH 23. 10. 1984, 4 Ob 103/83 (LG Linz 12 Cg 4/83; ArbG Linz 2 Cr 68/81)

Text

Der Kläger ist seit 1. 10. 1940 bei der beklagten Versicherungsgesellschaft beschäftigt; seit 1952 ist er provisorischer, seit 1953 definitiver Leiter der Landesdirektion Linz der beklagten Partei. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Dienstvertrag vom 1. 1. 1969 sA I zugrunde.

Der § 11 des Dienstvertrages hat folgenden Wortlaut: "Mit Bezug auf alle durch diesen Vertrag nicht geregelten Fragen finden die Bestimmungen des jeweils in Kraft befindlichen Kollektivvertrages für Angestellte des Innendienstes der Versicherungsunternehmungen (KVI) und des Angestelltengesetzes sinngemäß Anwendung."

Am 10. 3. 1978 richtete die beklagte Partei nachstehendes Schreiben an den Kläger:

"Wir sehen uns gezwungen, Ihnen mitzuteilen, daß der Vorstand unserer Gesellschaft einstimmig beschlossen hat, Sie auf Grund von § 11 Ihres Dienstvertrages bzw. § 32 Punkt 1 c des KVI mit sofortiger Wirkung vom Dienst zu suspendieren.

Sie sind damit von dem in Ihrem Dienstvertrag fixierten Auftrag sofort entbunden. Damit entfällt auch ab sofort Ihre Handlungs- und Zeichnungsvollmacht." Der Kollektivvertrag für Angestellte des Innendienstes der Versicherungsunternehmungen (im folgenden: KVI) enthält in seinem Abschn. VI (§§ 21 bis 23) Bestimmungen über "Ordnungs- und Disziplinarstrafen", im Abschn. VII (§§ 24 bis 31) über das "Disziplinarverfahren". Der daran auschließend Abschn. VIII "Suspendierung" (§ 32) lautet folgendermaßen:

"(1) Die Suspendierung ist keine Strafe, sondern eine administrative Vorbeugungsmaßnahme und kann von der Direktion in folgenden Fällen angeordnet werden:

a) wenn ein Angestellter einer strafgerichtlichen oder einer Disziplinaruntersuchung unterzogen wird;

b) im Falle einer groben Verletzung der dem Vorgesetzten gebührenden Achtung und dienstlichen Unterordnung;

c) wenn die Sicherheit des Dienstes und die Interessen der Anstalt es als notwendig erscheinen lassen.

(2) Während der Suspendierung bleibt der Angestellte im Genuß der ihm zustehenden Bezüge. Auch die Zeitvorrückung bleibt gewahrt."

Im vorliegenden, seit 9. 3. 1981 anhängigen Rechtsstreit verlangt der Kläger (ua.) die Verurteilung der beklagten Partei, seine Suspendierung vom Dienst binnen 14 Tagen aufzuheben. Diese Maßnahme sei schon deshalb rechtsunwirksam, weil keiner der in § 32 Abs. 1 KVI taxativ aufgezählten Suspendierungsgrunde vorliege. Gerade als Angestellter der Versicherungsbranche habe der Kläger ein Recht auf Beschäftigung. Die bekämpfte Maßnahme der beklagten Partei sei in Wahrheit eine Disziplinarmaßnahme, welche gemäß § 102 ArbVG nur mit Zustimmung der Organe der Betriebsverfassung hätte verhängt werden dürfen; eine solche Zustimmung sei aber von der beklagten Partei niemals eingeholt worden.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Abgesehen davon, daß sich aus den Bestimmungen des KVI kein Recht des Angestellten auf Beschäftigung konstruieren lasse, gäbe selbst die Verletzung eines solchen Rechtes keinen Erfüllungsanspruch, sondern nur die Möglichkeit eines vorzeitigen Austrittes. Da der Kläger davon seit drei Jahren keinen Gebrauch gemacht habe und ihm daher das Rechtsschutzinteresse fehle, müsse seine Prozeßführung als schikanös bezeichnet werden. Im übrigen habe der Kläger eine Reihe von Tatbeständen verwirklicht, die eine Suspendierung voll rechtfertigen würden; er habe sich mehrfach Rechte angemaßt, die ihm nicht zustunden, habe den Inhalt von Vereinbarungen mit dem Vorstand der Beklagten unrichtig wiedergegeben, habe durch sein Verhalten die Sicherheit des Dienstes und die Interessen der Anstalt beeinträchtigt sowie schließlich die seinen Vorgesetzten gebührende Achtung und dienstliche Unterordnung verletzt. Sie habe das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 14. 7. 1981 unter Einhaltung der gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen zum 31. 3. 1982 aufgekundigt; das vorliegende Klagebegehren sei daher schon wegen Fehlens eines Rechtsschutzinteresses abzuweisen.

Der Kläger erwiderte, daß die am 14. 7. 1981 ausgesprochene Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechtsunwirksam sei, weil sie - ohne vorherige Befassung des Betriebsrates - zu einem Zeitpunkt ausgesprochen worden sei, in welchem der zustimmende Bescheid des Invalidenausschusses beim Landesinvalidenamt für OÖ (§ 8 Abs. 2 des Invalideneinstellungsgesetzes) noch nicht rechtskräftig gewesen sei.

Außer Streit steht, daß a) der Bescheid des Invalidenausschusses beim Landesinvalidenamt für OÖ vom 8. 7. 1981, mit welchem gemäß § 8 Abs. 2 des Invalideneinstellungsgesetzes die Zustimmung zur Kündigung des Klägers erteilt worden war, den Parteien am 13. 7. 1981 zugestellt wurde; b) die beklagte Partei das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 14. 7. 1981 zum 31. 3. 1982 aufgekundigt hat; c) der Kläger den Bescheid des Invalidenausschusses mit Berufung angefochten hat, dieser Berufung mit Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 16. 10. 1981 nicht Folge gegeben wurde und der Berufungsbescheid den Parteien erst nach dem Ausspruch der Kündigung des Klägers zugegangen ist.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und nahm folgenden wesentlichen Sachverhalt als erwiesen an: Der Betriebsrat der Landesdirektion Linz hatte zwar seine Kompentenzen in der Causa des Klägers gemäß § 114 ArbVG an den Zentralbetriebsrat in Wien übertragen, sich aber das Recht der Zustimmung zu einer allfälligen Kündigung des Klägers ausdrücklich vorbehalten und dies auch der beklagten Partei gegenüber mehrfach zum Ausdruck gebracht. Die beklagte Partei stellte am 8. 5. 1981 an den Invalidenausschuß beim Landesinvalidenamt für OÖ den Antrag, der beabsichtigten Kündigung des Klägers zuzustimmen. Sie verständigte hievon sowohl den Zentralbetriebsrat in Wien als auch den Betriebsrat der Filialdirektion Linz; letzterer erklärte daraufhin, seinen Beschluß vom 22. 12. 1980 - mit welchem er einer "Administrativpensionierung" des Klägers zugestimmt hatte - aufrecht zu erhalten. Auch während des Verfahrens vor dem Invalidenausschuß hielten der Betriebsrat der Filialdirektion Linz und der Zentralbetriebsrat in Wien ständig Kontakt mit dem Vorstand der beklagten Partei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Invalidenausschuß am 23. 6. 1981, bei welcher neben dem Kläger und Generaldirektor Karl R auch der damalige Obmann des Betriebsrates der Filialdirektion Linz, Erich N, und der Obmann des Zentralbetriebsrates, Walter K, anwesend waren, erklärte Erich N, daß von seiten des Betriebsrates keine Einwendungen gegen die Kündigung erhoben würden; auch Walter K meinte, daß die "Administrativpensionierung" des Klägers gemäß § 33 Abs. 10 KVI die einzige Lösung dieser Angelegenheit sei. Unmittelbar nach der Zustellung des dem Antrag der beklagten Partei stattgebenden Bescheides des Invalidenausschusses benachrichtigte der Vorsitzende des Vorstandes der beklagten Partei, Karl R, noch am 13. 7. 1981 den Obmann des Zentralbetriebsrates Walter K und ersuchte ihn, den Betriebsrat in Linz davon zu informieren, weil unverzüglich die Kündigung des Klägers ausgesprochen werden sollte. Bei der beklagten Partei war es durchaus üblich, die Kontakte zu den örtlichen Betriebsräten über den in Wien befindlichen Obmann des Zentralbetriebsrates laufen zu lassen. Walter K führte am 13. 7. 1981 zwei Telefongespräche mit Erich N: Während er im ersten dieser beiden Gespräche Erich N über die nunmehr vorliegende Zustimmung des Invalidenausschusses unterrichtete, teilte ihm Erich N beim zweiten Gespräch mit, daß der Betriebsrat der Filialdirektion Linz keinen Einwand gegen den Ausspruch der Kündigung erhebe. Walter K leitete diese Erklärung an den Vorstandsvorsitzenden Karl R weiter. Erich N seinerseits hatte nach der Verständigung von der Zustimmung des Invalidenausschusses zwei der insgesamt vier Mitglieder des Betriebsrates der Filialdirektion Linz hievon in Kenntnis gesetzt; das vierte Betriebsratsmitglied wurde erst einige Wochen später informiert. Ein neuer Beschluß des Betriebsrates wurde nicht gefaßt, weil man die Auffassung vertrat, mangels neuer Fakten sei die Erklärung vom 22. 12. 1980 - welche noch dazu in der Zwischenzeit mehrmals gegenüber dem Vorstand der beklagten Partei bekräftigt worden war - weiterhin aufrecht.

Rechtlich meinte das Erstgericht, die Organe der beklagten Partei hätten vor allem auf Grund der ständigen Erklärungen des Betriebsrates der Filialdirektion Linz während des Verfahrens vor dem Invalidenausschuß und auch vor diesem Verfahren mit Recht annehmen dürfen, daß die Erklärungen des Betriebsratsobmannes Erich N durch einen ordnungsgemäß zustande gekommenen Beschluß des Betriebsrates in seiner Gesamtheit gedeckt seien; daß sich dabei sowohl Erich N zur Abgabe seiner Zustimmungserklärung als auch Karl R zur Empfangnahme dieser Mitteilung eines Boten in der Person des Zentralbetriebsratsobmannes Walter K bedient hatten, könne die Rechtswirksamkeit der Erklärung des Erich N nicht beeinträchtigen. Auch die Auffassung des Klägers, daß seine Kündigung nicht vor Rechtskraft des Bescheides des Invalidenausschusses hätte ausgesprochen werden dürfen, sei nach ständiger Rechtsprechung (Arb. 6569) verfehlt: § 8 Abs. 2 des Invalideneinstellungsgesetzes lasse die Kündigung eines begünstigten Invaliden erst nach Zustimmung des Invalidenausschusses zu; daß dieser Zustimmungsbescheid auch rechtskräftig sein müßte, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der Berufung gegen den Bescheid des Invalidenausschusses könne gemäß § 64 AVG schon deshalb keine aufschiebende Wirkung zugebilligt werden, weil eine solche nur in der Aufschiebung der Vollstreckung, nicht aber auch der Rechtskraft bestunde und der hier in Rede stehende Bescheid seinem Inhalt nach einer Vollstreckung gar nicht zugänglich sei. Da die Kündigung des Klägers nach Zustellung des Bescheides des Invalidenausschusses rechtswirksam zum 31. 3. 1982 ausgesprochen worden sei, habe das Klagebegehren mangels Rechtsschutzinteresses des Klägers abgewiesen werden müssen.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Sachverhaltsfeststellungen wie das Ersturteil; ergänzend stellte es noch fest, daß der Verwaltungsgerichtshof die vom Kläger gegen den Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 16. 10. 1981 erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 9. 3. 1983 als unbegrundet abgewiesen hat. Auf dieser Tatsachengrundlage billigte das Berufungsgericht auch die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes durch das Prozeßgericht erster Instanz.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge; er hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Als teilweise aktenwidrig rügt der Kläger die Feststellungen der Vorinstanzen über die seiner Kündigung vorangegangenen telefonischen Kontakte zwischen dem Obmann des Betriebsrates der Filialdirektion Linz, Erich N, und dem Obmann des Zentralbetriebsrates, Walter K, bei welchen der Letztgenannte als Bote für beide Seiten aufgetreten sei. Auf die hier aufgeworfenen, die ordnungsgemäße Durchführung des betriebsverfassungsrechtlichen Vorverfahrens nach §§ 105 ff. ArbVG betreffenden Fragen braucht jedoch diesmal nicht weiter eingegangen zu werden: Beide Untergerichte haben nämlich übersehen, daß gemäß § 8 Abs. 2 Satz 4 des Invalideneinstellungsgesetzes (im folgenden: InvEG) die Bestimmungen des § 105 Abs. 2 bis 6 ArbVG über den sogenannten "allgemeinen Kündigungsschutz" auf die Kündigung eines begünstigten Invaliden keine Anwendung finden (s. dazu auch Floretta in Floretta - Spielbüchler - Strasser, Arbeitsrecht[2] I 210;

Floretta in Floretta - Strasser, ArbVG 698, §§ 105-107 Anm. 15.2);

selbst eine Verletzung dieser betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbestimmungen könnte deshalb die Rechtswirksamkeit der vorliegenden Kündigung nicht berühren.

Soweit sich aber die Revision gegen die Rechtsansicht der Untergerichte wendet, ein iS des § 8 Abs. 2 InvEG ergangener Zustimmungsbescheid des Invalidenausschusses brauche im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung noch nicht rechtskräftig zu sein, ist sie begrundet. Richtig ist, daß diese Auffassung in der Judikatur schon mehrfach vertreten wurde, und zwar nicht nur vom Landesgericht für ZRS Wien (Arb. 5706; SozM I A d 207) und vom Landesgericht Linz (Arb. 6321), sondern auch vom OGH (Arb. 6569). In der Begründung der letztgenannten Entscheidung wurde zunächst darauf verwiesen, daß der Zustimmungsbescheid des Invalidenausschusses seinem Inhalt nach kein rechtsgestaltender Verwaltungsakt sei. Er berühre die dienstrechtlichen Beziehungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer nicht, sondern erteile dem Arbeitgeber lediglich die Erlaubnis, sein Kündigungsrecht zu verwirklichen. Ob der Arbeitgeber davon Gebrauch machen wolle, hänge einzig und allein von seinem Willensentschluß ab; der Zustimmungsbescheid des Invalidenausschusses verpflichte ihn in keiner Weise, die Kündigung auszusprechen. Daraus folge aber, daß einer Berufung des Arbeitnehmers gegen diesen Bescheid keine aufschiebende Wirkung nach § 64 AVG in dem Sinne zukommen könne, daß durch ein solches Rechtsmittel die in dem bekämpften Bescheid ausgesprochene Erlaubnis zur Kündigung in eine Untersagung einer derartigen Maßnahme verwandelt werden könnte; das Wesen der aufschiebenden Wirkung liege vielmehr immer nur in der Aufschiebung der Vollstreckung des Bescheides. Der Arbeitgeber sei daher befugt, bei Vorliegen des Zustimmungsbescheides der ersten Instanz sogleich und ohne erst den Ausgang des Berufungsverfahrens abzuwarten, die Kündigung des Arbeitnehmers auszusprechen; er tue dies allerdings im Hinblick auf eine mögliche Aufhebung des Zustimmungsbescheides durch die Berufungsbehörde auf eigene Gefahr.

Im arbeitsrechtlichen Schrifttum ist diese oberstgerichtliche Entscheidung mehrfach auf Kritik gestoßen: Floretta (Arbeitsrecht[2] I 218) meint, daß die Berufung gegen den Zustimmungsbescheid des Invalidenausschusses gemäß § 64 AVG "automatisch aufschiebende Wirkung habe", sodaß trotz dieser Zustimmung die Kündigung noch nicht rechtswirksam ausgesprochen werden könne. Erst wenn die Berufung zurück- oder abgewiesen wird, werde der Zustimmungsbescheid voll wirksam; ab diesem Zeitpunkt sei die Kündigung erlaubt. Schließe allerdings der Invalidenausschuß die aufschiebende Wirkung eines allfälligen Rechtsmittels nach § 64 Abs. 2 AVG aus, dann könne auch im Fall einer Berufung rechtswirksam gekundigt werden. Auch nach Schrank (Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Schutzobjekt der Rechtsordnung 139) hat die gemäß § 19 a Abs. 1 InvEG gegen den Bescheid des Invalidenausschusses offenstehende Berufung an den Landeshauptmann grundsätzlich aufschiebende Wirkung iS des § 64 AVG. Tutschka-Dungl (Handbuch des österr. Arbeitsrechtes[4], 538 f.) begnügen sich hingegen mit einem kurzen Hinweis auf Arb. 6569.

Nach abermaliger Prüfung dieser Rechtsfrage kann der erkennende Senat die vom OGH seinerzeit in Arb. 6569 vertretene Auffassung nicht aufrechterhalten. Ausgangspunkt der Beurteilung ist dabei § 64 Abs. 1 AVG, wonach rechtzeitig eingebrachte Berufungen - mangels eines gegenteiligen Ausspruches der Behörde (§ 64 Abs. 2 AVG) - aufschiebende Wirkung haben. Daß dieser Grundsatz für die Berufung gegen einen nach § 8 Abs. 2 InvEG ergangenen Zustimmungsbescheid des Invalidenausschusses keine Geltung haben sollte, kann entgegen der Meinung der Vorinstanzen weder aus der Rechtsnatur eines solchen Bescheides abgeleitet noch dem Zusammenhang der Regelung des § 8 Abs. 2 InvEG entnommen werden.

a) Mit der Zustimmung des Invalidenausschusses wird das in § 8 Abs. 2 InvEG normierte Kündigungsverbot aufgehoben; der Arbeitgeber erhält damit die ihm nach den Bestimmungen des Privatrechtes zustehende Befugnis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses zurück. Der Bescheid des Invalidenausschusses hat also keinen unmittelbaren Einfluß auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses; er ist aber insoweit konstitutiver Natur, als er dem Arbeitgeber die Erlaubnis zur Ausübung seines Kündigungsrechtes gibt und so eine neue Rechtslage begrundet (im gleichen Sinne auch Floretta in Floretta - Strasser, ArbVG 820, §§ 120 bis 122 Anm. 2.2.2 zur insoweit vergleichbaren Regelung des § 120 Abs. 1 ArbVG; ebenso OGH SZ 53/67). Daß ein rechtsgestaltender Bescheid dieser Art keiner Zwangsvollstreckung - iS der unmittelbaren Verwirklichung seines Spruches durch behördliche Maßnahmen - zugänglich ist, schließt aber entgegen der in Arb. 6569 vertretenen, von den Vorinstanzen übernommenen Auffassung die aufschiebende Wirkung einer dagegen erhobenen Berufung nicht aus. Da eine fristgerecht erhobene Berufung, wie sich aus § 68 Abs. 1 AVG und aus dem Systemzusammenhang ergibt, auch die Rechtskraft und deren Wirkungen hinausschiebt, können auch die durch den Bescheid ausgesprochenen Rechtswirkungen vorerst nicht eintreten. Das bedeutet bei Leistungsbescheiden, daß die auferlegte Leistung vorläufig nicht zu erbringen ist, bei Feststellungsbescheiden, daß die Feststellung noch nicht als verbindlich gilt, und schließlich bei rechtsgestaltenden Bescheiden, daß die betreffende Gestaltungswirkung (also etwa die Zuerkennung oder Aberkennung eines Rechtes) vorläufig nicht eintritt (Walter-Mayer, Grundriß des österr. Verwaltungsverfahrensrechts[3], 175). Auch der VwGH dessen Judikatur zum Begriff der Vollstreckung von Bescheiden lange Zeit hindurch uneinheitlich und widersprüchlich gewesen war (s. dazu die informative Darstellung bei Schmelz, Die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln im österr. Verwaltungsrecht, dargestellt am Sozialversicherungsrecht, ZAS 1982, 83 ff.), hat zuletzt in der - von einem verstärkten Senat gefällten - Entscheidung vom 25. 2. 1981, SlgNF 10 381 A, unter Hinweis auf die Rechtsschutzfunktion des Instituts der aufschiebenden Wirkung die Auffassung bekräftigt, daß unter der Vollziehung eines Bescheides iS des § 30 Abs. 2 VwGG (und damit auch des § 64 AVG) nichts anderes als die Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit zu verstehen ist (in diesem Sinne insbesondere auch Walter-Mayer aaO; Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen I 389 zu § 64 AVG; Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht 281; Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren[8] I 351 f.; Kopp, Rechtsfragen der aufschiebenden Wirkung im Verwaltungsverfahren (§ 64 AVG) und im Verfahren vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts (§ 30 VwGG und § 86 VfGG) JBl. 1973, 57). Aus dem Umstand, daß es sich bei einem nach § 8 Abs. 2 InvEG ergangenen Zustimmungsbescheid des Invalidenausschusses um einen rechtsgestaltenden und deshalb einer behördlichen Zwangsvollstreckung nicht zugänglichen Verwaltungsakt handelt, ist demnach für die Rechtsmeinung der Vorinstanzen, wonach einer Berufung gegen diesen Bescheid schon begrifflich keine aufschiebende Wirkung zukommen könne, nichts zu gewinnen.

b) Die von den Vorinstanzen vertretene Rechtsansicht findet aber entgegen der Meinung des angefochtenen Urteils auch im Wortlaut des § 8 Abs. 2 InvEG keine Stütze. Daß hier die Rechtskraft des Zustimmungsbescheides nicht ausdrücklich gefordert wird, läßt angesichts der generellen, nach dem oben Gesagten auch auf Zustimmungsbescheide des Invalidenausschusses anwendbaren Regelung des § 64 Abs. 1 AVG noch nicht den Schluß zu, daß die Kündigung eines begünstigten Invaliden auch schon vor Rechtskraft eines derartigen Bescheides zulässig wäre. Ebensowenig stichhältig ist der mehrfache Hinweis des Berufungsgerichtes auf die im zweiten Satz des § 8 Abs. 2 InvEG vorgesehene Möglichkeit einer nachträglichen Zustimmung des Invalidenausschusses. Der Gesetzgeber hat zwar für besondere Ausnahmefälle - also nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen, die hart an der Grenze des Kündigungsschutzes überhaupt liegen und überdies dadurch gekennzeichnet sind, daß dem Arbeitgeber die vorherige Einholung einer behördlichen Zustimmung nicht möglich oder zumindest nicht zumutbar war (Arb. 7115; VwSlgNF 3442 A, 5037

A) - tatsächlich auch diese Möglichkeit eröffnet; das ändert aber nichts daran, daß bei Fehlen der angeführten Voraussetzungen (also gewissermaßen im "Normalfall") die Kündigung eines begünstigten Invaliden erst nach Vorliegen des (rechtskräftigen) Zustimmungsbescheides des Invalidenausschusses rechtswirksam ausgesprochen werden kann. Daß aber von einem "besonderen Ausnahmefall" iS des § 8 Abs. 2 Satz 2 InvEG diesmal keine Rede sein kann, zeigt die Vorgangsweise der beklagten Partei, welche schon vor dem Ausspruch der Kündigung des Klägers um die Zustimmung des Invalidenausschusses angesucht und den positiven Bescheid der ersten Instanz abgewartet hatte. Auch die Überlegung des Berufungsgerichtes, wonach - bei der von ihm abgelehnten Auffassung - der Arbeitgeber nach Zustimmung durch den Invalidenausschuß den gekundigten Arbeitnehmer vielleicht noch Monate hindurch bis zur Rechtskraft des Zustimmungsbescheides beschäftigen und entlohnen (müßte), mit der möglichen Folge, nach Rechtskraft des Zustimmungsbescheides mit jedenfalls viel Aufwand an Zeit und Kosten das dem Dienstnehmer bezahlte Entgelt einbringen zu müssen, während der gekundigte Dienstnehmer im Fall erfolgreicher Berufung gegen den Zustimmungsbescheid seine Bezüge sofort nachgezahlt erhält, geht am Kern der Sache vorbei; die hier aufgezeigten (möglichen) Nachteile des Arbeitgebers liegen vielmehr in der Natur eines arbeitsrechtlichen Bestandschutzverfahrens, das die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber an die vorherige Zustimmung einer Verwaltungsbehörde bindet (s. dazu Schrank aaO 118 ff.). Soweit es aber das Berufungsgericht im Anschluß an Arb. 6321 für ausreichend hält, wenn die Rechtskraft des Zustimmungsbescheides des Invalidenausschusses im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, in der die Rechtswirksamkeit der Kündigung zu prüfen ist, vorliegt, genügt zur Widerlegung dieser Auffassung ein Hinweis auf den klaren Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 1 InvEG, wonach schon der Ausspruch der Kündigung an die vorherige Zustimmung des Invalidenausschusses gebunden ist (so auch Floretta, Arbeitsrecht 217, wonach die Zustimmung des Invalidenausschusses vor dem Zugehen der Kündigung erteilt werden muß). Daß sich die Berufung des Klägers gegen diesen Zustimmungsbescheid nachträglich als ebenso unbegrundet erwiesen hat wie seine Beschwerde an den VwGH, kann an der bereits eingetretenen Rechtsunwirksamkeit der (verfrüht ausgesprochenen) Kündigung vom 14. 7. 1981 nichts mehr ändern; eine nochmalige, nach Rechtskraft des Zustimmungsbescheides ausgesprochene Kündigung des Klägers hat aber die beklagte Partei nicht einmal behauptet.

Ist das Arbeitsverhältnis des Klägers demgemäß nicht rechtswirksam aufgekundigt worden, dann kann das auf Aufhebung seiner Suspendierung gerichtete Klagebegehren nicht mit der Begründung abgewiesen werden, daß es dem Kläger am erforderlichen Rechtsschutzinteresse fehle. Die Vorinstanzen werden vielmehr das Verfahren fortzusetzen und dabei zu prüfen haben, ob sich der Kläger der ihm von der Beklagten konkret vorgeworfenen Verstöße tatsächlich schuldig gemacht und damit Handlungen begangen hat, die gemäß § 32 Abs. 1 lit. b und c KVI seine vorläufige Enthebung vom Dienst notwendig erscheinen lassen könnten.

Anmerkung

Z57158

Schlagworte

Invalider, Rechtswirksamkeit der Kündigung, Kündigung (eines begünstigten Invaliden), Rechtswirksamkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0040OB00103.83.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19841023_OGH0002_0040OB00103_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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