Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Oktober 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta, Dr.Schneider, Dr.Reisenleitner und Dr.Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Gurschler als Schriftführer in der Strafsache gegen Benno A wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1, 128 Abs.2, 129 Z 1 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11. Mai 1984, GZ 5 c Vr 2.584/84-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Stöger, und des Verteidigers Dr.Nickl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 1 1/2 (eineinhalb) Jahre herabgesetzt.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 19. April 1951 geborene Benno A wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs.1, 128 Abs.2, 129 Z 1 und 15
StGB schuldig erkannt, weil er in der Nacht zum 27.Feber 1984 in Wien durch Einbruch in das Elektrogeschäft des Erich B in Wien 2., Obere Donaustraße 101, Elektrogeräte im Werte von zumindest 124.000 S teils durch Verbringen in seine Wohnung gestohlen, teils durch Bereitstellen zum Abtransport zu stehlen versucht hatte.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Benno A mit einer auf § 281 Abs.1 Z 4, 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch versagt.
Den erstangeführten Nichtigkeitsgrund erblickt der Beschwerdeführer in der vom Erstgericht mit Zwischenerkenntnis ausgesprochenen Abweisung der vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf Beiziehung eines weiteren (medizinischen) Sachverständigen mit besonderer Erfahrung auf dem Gebiet der Drogensucht und Veranlassung einer graphologischen Untersuchung der vom Angeklagten anläßlich seiner Vernehmung (durch die Polizei) geleisteten Unterschrift (S 229). Nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles fehlt zwar zu dem erstangeführten Beweisantrag die Bekanntgabe eines Beweisthemas; aus dem Zusammenhang, insbeosndere im Hinblick auf die eine Volltrunkenheit zur Tatzeit behauptende Verantwortung des Angeklagten (vgl. S 97, 113 und 227), läßt sich jedoch mit ausreichender Deutlichkeit entnehmen, daß durch das beantragte Gutachten die Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten (im Sinn des § 11 StGB) zur Tatzeit dargetan werden sollte. Der Antrag auf graphologische Untersuchung seiner Unterschrift (anläßlich seiner wiederholten Vernehmungen durch die Polizei am 27.Feber 1984; vgl. S 21, 22, 23, 29 und 41) wurde damit begründet, daß eine von ihm in nicht volltrunkenem Zustand geleistete Unterschrift anders (als seine Unterschrift auf den polizeilichen Vernehmungsprotokollen vom 27. Feber 1984) aussehe (S 229). Der Angeklagte ist demnach ersichtlich der Meinung, daß durch die von ihm begehrte graphologische Untersuchung seiner am 27.Feber 1984 geleisteten Unterschriften seine Volltrunkenheit zur Tatzeit nachgewiesen werden könnte.
Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung wurde er aber durch die (im Urteil begründete - s.S 244/245) Abweisung dieser Beweisanträge in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt. Die Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte zur Tatzeit zwar stark alkoholisiert, aber nicht zurechnungsunfähig (§ 11 StGB) war (S 237 und 243), stützte das Erstgericht unter anderem auf das für unbedenklich und schlüssig erachtete Gutachten des zur Hauptverhandlung beigezogenen medizinischen Sachverständigen Dr.Josef C (vgl. dessen Gutachten, S 116 bis 119 sowie 229) in Verbindung mit dem Untersuchungsergebnis des auch in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen (S 228) Polizeiamtsarztes Dr.Eugen D, der bei einer etwa eineinhalb Stunden nach der Tat (S 117 unten) vorgenommenen Untersuchung beim Angeklagten zwar eine schwere Alkoholisierung, jedoch einen geordneten Gedankenablauf feststellte und sowohl in dem von ihm erstellten polizeiamtsärztlichen Attest vom 27.Feber 1984 (S 15) als auch als Zeuge in der Hauptverhandlung (S 228) zum Ausdruck brachte, daß seiner Meinung nach der Angeklagte sich trotz einer höhergradigen Alkoholisierung (zur Tatzeit) seiner strafbaren Handlungsweise bewußt war. Widersprüche oder Mängel im Befund oder Gutachten des beigezogenen medizinischen Sachverständigen Dr.C werden in dem auf Beiziehung eines weiteren medizinischen Sachverständigen abzielenden Beweisantrag des Angeklagten nicht behauptet;
solche Widersprüche oder Mängel sind auch nicht erkennbar, sodaß die in den § 125, 126 StPO angeführten Voraussetzungen zur Beizuehung eines weiteren gerichtsärztlichen Sachverständigen nicht vorliegen. Im übrigen gab der Angeklagte vor der Polizei zunächst nur an (vgl. S 21), vor der Tat (übermäßig) Alkohol getrunken zu haben, ohne sich zur Menge des von ihm konsumierten Alkohols zu äußern (vgl. S 15 und Zeuge Dr.D, S 228/229).
Erst in der Hauptverhandlung brachte er hiezu Näheres vor und behauptete zugleich auch die Einnahme von Schlaftabletten und Beruhigungsmitteln am Abend vor der Tat (S 98, 113 und 114). Diese Umstände fanden aber in dem Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr.C Berücksichtigung (S 116 und 117). Von der Einnahme (spezieller) rauschgifthältiger Drogen vor der Tatbegehung war hingegen niemnals die Rede, sodaß sich auch aus diesem Grunde die Beiziehung eines weiteren medizinischen Sachverständigen mit besonderer Erfahrung mit Drogensüchtigen erübrigte. Da das Erstgericht ohnedies eine starke Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit als erwiesen annahm, deren Nachwirkungen wohl auch noch bei den am 27.Feber 1984 durchgeführten polizeilichen Einvernahmen des Angeklagten, insbesondere bei der ersten um 8.20 Uhr (S 21), also etwa drei Stunden nach der Festnahme des Angeklagten am Tatort, vorlagen, fänden allfällige Abweichungen der am 27.Feber 1984 vom Angeklagten auf den polizeilichen Vernehmungsprotokollen geleisteten Unterschriften von seiner (normalen) nicht unter Alkoholeinfluß abgegebenen Unterschrift durch die damals beim Angeklagten noch vorgelegene Alkoholisierung eine ausreichende Erklärung. Auch ist dem Erstgericht beizupflichten, daß durch eine graphologische Begutachtung der damaligen Unterschriften des Angeklagten der von diesem angestrebte Nachweis, er habe sich zur Tatzeit im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit befunden, nicht zu erbringen ist. Daher war dieser Beweisantrag, wie das Erstgericht in seinem bezüglichen Zwischenerkenntnis zutreffend aussprach, von vorneherein nicht zielführend und konnte ohne Verletzung von Verteidigungsrechten des Angeklagten abgewiesen werden (vgl. die im Ersturteil nachgetragene, für die Abweisung dieses Beweisantrages maßgebliche Begründung, S 245).
Als unhaltbar erweist sich die Behauptung des Angeklagten in seiner Mängelrüge, daß die Urteilsfestellung, er sei zur Tatzeit trotz erheblicher Alkoholisierung voll zurechnungsfähgig gewesen, einer Begründung entbehre;
stützt doch das Erstgericht diese Annahme nach den bezüglichen Ausführungen im Ersturteil (S 240 bis 244) nicht nur auf das Gutachten des zur Hauptverhandlung beigezogenen gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr.Josef C, auf das amtsärztliche Gutachten (S 15), auf die Angaben des in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Amtsarztes Dr.Eugen D (S 228) und die zeugenschaftlichen Bekundungen der Polizeibeamten Dr.Dieter E und Herbert F, die am 27.Feber 1984 die Einvernahme des Angeklagten bei der Polizei durchgeführt hatten (S 227 und 228). Es leitete diese Annahme darüber hinaus auch aus einer durchaus planvollen Tatausführung des Angeklagten ab, der bereits einen Teil des Diebsgutes in seine Wohnung gebracht und einen Teil in einem Müllkontainer versteckt hatte und bei seinen ersten Einvernahmen der Polizei auch Motiv und Zweck dieses Einbruchsdiebstahls (nämlich Beschaffung von Geld durch Verkauf des Diebsguts, um damit eine Operation seiner damals im Krankenhaus befindlichen Ehegattin zu bezahlen; vgl. S 21 und 23) genannt hatte. Das weitere Beschwerdevorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281
Abs.1 StPO, ein wesentlicher Teil des in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens des Sachverständigen Med.Rat Dr.C, nämlich daß der Angeklagte aus medizinischer Sicht zur Tatzeit einen Blutalkoholspiegel von 2,5 %o bis 2,7 %o, wahrscheinlich aber unter 3 %o aufgewiesen haben dürfte, sei im Ersturteil unberücksichtigt geblieben, findet in den Protokollen über die am 4.Mai 1984 und 11. Mai 1984 abgeführten Hauptverhandlungen keine Deckung, hat doch dieser Sachverständige (in der Hauptverhandlung am 4.Mai 1984) lediglich ausgeführt, daß sich auf Grund der (fragwürdigen) Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung über seinen Alkoholkonsum vor der Tat unter Berücksichtigung der nach seiner Darstellung von ihm überdies eingenommenen Schlaftabletten ein zur Tatzeit beim Angeklagten vorgelegener Blutalkoholgehalt von 3,9 %o ergäbe, der aber die Tatausführung durch den Angeklagten aus medizinischer Sicht als ausgeschlossen erscheinen lasse (S 116). Andererseits ist diesem Gutachten aber eine konkrete Aussage über einen beim Angeklagten zur Tatzeit vorgelegenen Blutalkoholgehalt von unter 3 %o bzw. von 2,5 %o bis 2,7 %o nach dem Inhalt der Hauptverhandlungsprotokolle vom 4. Mai 1984 und 11.Mai 1984 nicht zu entnehmen (vgl. S 116, 117 und 229), sodaß die vom Beschwerdeführer gerügte Unvollständigkeit durch Nichtberücksichtigung eines von ihm behaupteten, nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles im Beweisverfahren aber gar nicht hervorgekommenen Umstandes und damit eine Urteilsnichtigkeit nach der Z 5 des § 281 Abs.1 StPO nicht erkennbar ist.
In Ausführung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs.1 Z 10 StPO behauptet der Beschwerdeführer, der eine Tatbeurteilung bloß als Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs.1 StGB anstrebt, einen dem Ersturteil anhaftenden Feststellungsmangel, weil darin eine Aussage über den bei ihm (zur Tatzeit) vorgelegenen Blutalkoholgehalt fehle. Eine solche Feststellung (über das genaue Alkoholkonzentrat im Blut des Angeklagten zur Tatzeit) konnte aber vom Erstgericht nach den Verfahrensergebnissen (vgl. insbesondere das Gutachten des beigezogenen gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr.C, S 116 und
117) nicht getroffen werden. Im Ersturteil wird vielmehr unter Hinweis auf die für nicht glaubwürdig erachteten Angaben des Angeklagtgen über das Ausmaß seines Alkoholkonsums vor der Tat (S 240) ausdrücklich angeführt, daß sowohl der Zeitraum des Alkoholkonsums als auch die vom Angeklagten vor der Tat konsumierte Alkoholmenge nicht mehr exakt feststellbar ist (S 236). Davon ausgehend war daher die vom Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge vermißte Urteilsfeststellung über seinen Blutalkoholgehalt zur Tatzeit auf Grund der vorliegenden Verfahrensergebnisse nicht möglich, aber auch nicht erforderlich.
Die als erwiesen angenommene volle strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten zur Tatzeit konnte das Erstgericht, wie bereits ausgeführt, nämlich zulässigerweise und schlüssig aus anderen, im Ersturteil im einzelnen näher angeführten Verfahrensergebnissen und Erwägungen (Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr.C; polizeiamtsärztliches Gutachten; zeugenschaftliche Aussagen des Polizeiamtsarztes Dr.D sowie der Polizeibeamten Dr.E und F; planvolle und durch ein plausibles Motiv gekennzeichnete Tatausführung durch den Angeklagten) ableiten und demgemäß - rechtlich zutreffend - eine Tatbeurteilung nach dem § 287 StGB ablehnen. Soweit der Beschwerdeführer schließlich im Rahmen seiner Rechtsrüge erneut unter Wiederholung seines Beschwerdevorbringens zum Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs.1 Z 5 StPO vorbringt, daß im angefochtenen Urteil die 'Feststellungen des Sachverständigen Med.Rat Dr.C' unberücksichtigt geblieben seien, demzufolge sein (des Angeklagten) Blutalkoholgehalt zur Tatzeit etwa 3 %o betragen habe, genügt der Hinweis auf das bereits zur Mängelrüge Gesagte. Mit dem weiteren Beschwerdevorbringen, daß im Ersturteil der (angebliche) Hinweis im Gutachten dieses Sachverständigen, der Angeklagte sei zur Tatzeit einem 'die Schuldeinsicht ausschließenden Zustand sehr nahe' gekommen, übergangen worden sei, vermag hingegen der Beschwerdeführer weder einen Feststellungsmangel im Sinne des Nichtigkeitsgrundes der Z 10 des § 281
Abs.1 StPO noch einen Urteilsnichtigkeit nach der Z 5 der vorzitierten Gesetzesstelle bewirkenden Begründungsmangel aufzuzeigen, weil damit kein der Tatbeurteilung als Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs.1, 128 Abs.2, 129 Z 1 und 15 StGB entgegenstehender, sohin entscheidungswichtiger Umstand, sondern nur ein allfälliger Strafzumessungsgrund (§ 34 Z 11 StGB) berührt wird.
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Benno A war sohin - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegte - ein Erfolg zu versagen. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 128 Abs.2
StGB eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung drei auf gleicher schädlicher Neigung beruhende (sogar die Voraussetzungen des § 39 StGB begründende) Vorstrafen, die (einmalige) Wiederholung der diebischen Angriffe und den Umstand, daß die Tat vier Wochen nach einer - wenn auch nicht einschlägigen - rechtskräftigen Verurteilung verübt wurde, als erschwerend, als mildernd hingegen den Beitrag zur Wahrheitsfindung, indem der Angeklagte den objektiven Sachverhalt zugab, die Tatsache, daß es teilweise (nämlich in einem der beiden Fakten) beim Versuch blieb, sowie die Suchtgiftabhängigkeit und die relativ starke Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit.
Der Berufung, mit welcher der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt Berechtigung zu.
Wenngleich die Alkoholisierung (mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 35 StGB) und auch die Suchtgiftabhängigkeit des Angeklagten nicht als schuldmildernd herangezogen werden können, fällt zusätzlich zu den vom Erstgericht zu Recht angenommenen Strafzumessungsgründen als mildernd ins Gewicht, daß der strafrechtlich relevante Schaden die Wertgrenze von 100.000 S (§ 128 Abs.2 StGB) nur relativ geringfügig übersteigt und - wie der Berufungswerber zutreffend hinweist - das beim vollendeten Diebstahl erbeutete Diebsgut sichergestellt und dem Geschädigten rückerstattet werden konnte (siehe dazu S 5).
Auf der Basis der mithin korrigierten Strafzumessungsgründe, wobei - wie der Rechtsmittelwerber richtig anklingen läßt - ein umfassendes Geständnis vorliegt (siehe S 97, 113, 227), erachtet der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren für angemessen. In diesem Sinn war der Berufung ein Erfolg zuzuerkennen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.
Anmerkung
E04872European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0110OS00140.84.1024.000Dokumentnummer
JJT_19841024_OGH0002_0110OS00140_8400000_000