Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Oktober 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr.Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schneider, Dr.Lachner, Dr.Felzmann und Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Radosztics als Schriftführerin in der Strafsache gegen Adolf A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs.1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 24.Mai 1984, GZ. 25 Vr 2404/83-13, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs.1 StGB. (II) und demzufolge im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Das Landesgericht erkannte den am 26.August 1941 geborenen Adolf A des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs.1 StGB. (I) und des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs.1 StGB. (II) schuldig.
Den Schuldspruch nach § 202 Abs.1 StGB. (II), wonach Adolf A am 19. Juni 1983 in Leutasch-Puttbach Renate B dadurch, daß er sich trotz ihres Entgegenstemmens mit seinem Körper auf sie legte, ihre Hand von der Türklinke des Kraftwagens wegdrückte, ihre Beine auseinanderpreßte und sodann gewaltsam sein Glied in ihre Scheide einführte, mit Gewalt zum außerehelichen Beischlaf nötigte, bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs.1 Z.4, 5
und 9 lit.a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Der Mängelrüge kommt Berechtigung zu.
Das Schöffengericht ging davon aus, daß der Widerstand der Frau gegen die Gewalt mit der Zeit erlahmte, sodaß sie schließlich 'den Geschlechtsverkehr zuließ' (S.101). Dazu vermochte es einerseits allerdings nicht auszuschließen, daß der Angeklagte den 'nicht besonders ausgeprägten Widerstand Renate BS nur als (für) das übliche und natürliche Sträuben einer Frau gegen einen eiligen Geschlechtsverkehr hielt' (S.101 unten), also keine Feststellung darüber zu treffen, 'ob der Angeklagte den - zugegebenermaßen nur geringfügigen - Widerstand BS (S.101: 'Es ist nicht auszuschließen, daß sie ihre Strumpfhose selbst ausgezogen hat') als ernsthaft erkannte und wertete und daher den Vorsatz hatte, diesen zu überwinden' (S.115; auch S.119:
'Wenn auch direkte Feststellungen auf der inneren Tatseite nicht möglich waren .....'); andererseits stellte es jedoch ausdrücklich fest, daß sich der Angeklagte 'jedenfalls der Ernsthaftigkeit ihres (der Renate B) Widerstandes bzw. ihres Widerstrebens gegen den Beischlaf bewußt war' (S.119).
Wie die Beschwerde zutreffend rügt, steht hier ein Ausspruch des Gerichtshofes über eine entscheidende Tatsache mit sich selbst im Widerspruch.
Verlangt doch § 202 Abs.1 StGB. einen (zumindest bedingt) darauf gerichteten Vorsatz, die Einwilligung der Frau in den außerehelichen Beischlaf als Folge einer Willensbeugung durch Gewalt oder - nach der gegebenen Fallgestaltung außer Betracht bleibend - Drohung zu erreichen, wobei sich der Täter der Ernsthaftigkeit des widerstrebenden Willens der Frau bewußt sein muß (Leukauf-Steininger 2 , RN. 10 zu § 202 StGB.). Nur wenn sich der Angeklagte eines solchen (ernsthaften) Widerstands bewußt war, wie es das Erstgericht einerseits anzunehmen schien (S.119), böte dies - in Verbindung mit den Urteilsfeststellungen zur äußeren Tatseite - eine tragfähige Grundlage für den vom Erstgericht gefällten Schuldspruch, weil er nur diesfalls mit dem Vorsatz, einen (erkennbar) entgegenstehenden Willen der Frau (hier:) mit Gewalt zu beugen, handeln konnte. Waren aber andererseits Konstatierungen darüber, ob dem Angeklagten die Ernsthaftigkeit des ihm von Renate B entgegensetzten Widerstands bewußt war, nach Auffassung des Schöffengerichts nicht möglich (S. 101, 115, 119), wäre der Tatbestand des § 202 StGB. mangels (Erweislichkeit) der inneren Tatseite nicht erfüllt. Da die aufgezeigten widersprüchlichen Urteilsfeststellungen sohin eine entscheidungswesentliche Tatsache betreffen, die bei richtiger Anwendung des Gesetzes dem Erkenntnis zugrunde zu legen wäre, war der angefochtene Schuldspruch (sowie der Strafausspruch) bereits bei der nichtöffentlichen Beratung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten in Stattgebung der Mängelrüge zu kassieren und, weil die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung zur Schaffung eindeutiger Grundlagen für die Urteilsfeststellungen (auch) zur inneren Tatseite des Tatbestands nach § 202 StGB. nicht zu vermeiden ist (§ 285 e StPO.), die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu verweisen, ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdepunkte bedurft hätte. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die (auch den Strafausspruch umfassende) kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E04942European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00141.84.1025.000Dokumentnummer
JJT_19841025_OGH0002_0130OS00141_8400000_000