TE OGH 1984/10/25 13Os34/84

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Veröffentlicht am 25.10.1984
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Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Oktober 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, Dr. Lachner, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Radosztics als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ing. Alfred L*** und andere Angeklagte wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Ing. Alfred A, Siegfried B und Dipl.Ing. Johannes C gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 12.Jänner 1984, GZ. 12 Vr 1690/78-122, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Ing. Alfred A und Siegfried B wird Folge gegeben, das Urteil in Ansehung der beiden Genannten aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung verwiesen. über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dipl.Ing. Johannes C wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Das Landesgericht erkannte die Angeklagten Ing. Alfred (Karl) A und Siegfried B des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 (Z. 1) StGB (I) und den Angeklagten Dipl.Ing. Johannes C des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 (zweiter Fall) StGB (II) schuldig.

Dieses Urteil bekämpfen alle drei Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerden, und zwar Ing. A und B in einem gemeinsam ausgeführten Rechtsmittel aus den Gründen des § 281 Abs. 1 Z. 4, 5, 9 lit. a und b StPO sowie (gesondert) Dipl.Ing. Johannes C aus den Gründen des § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO.

Während über das Rechtsmittel des zuletzt genannten Angeklagten in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden wird, eignen sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Ing. A und B zur Erledigung in nichtöffentlicher Beratung (§ 285 e StPO.). Den Angeklagten Ing. A und B liegt zur Last, als Alleinaktionäre und geschäftsführende Vorstandsmitglieder der Fa. A & B AG sowie als geschäftsführende Gesellschafter der rückwirkend mit 1.März 1977 aus der gleichzeitig aufgelösten Fa. A & B AG entstandenen Firmen A & B D Ges.m.b.H. und A & B Ges.m.b.H.Holzverarbeitung als Schuldner mehrerer Gläubiger (gemeint: welche Unternehmen Schuldner mehrerer Gläubiger waren) von August 1976 bis 26.Jänner 1978 (:Tag des Geschäftstätigkeitsendes) fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der vorgenannten Unternehmen herbeigeführt zu haben, indem sie für die Ertragslage der Unternehmen wesentlich überhöhte Investitionen tätigten, den Umsatz durch übernahme von vorwiegend nicht kostendeckenden Aufträgen steigerten, die Risiken der Anwendung neuer technischer Verfahren bei der Preisgestaltung nicht hinreichend berücksichtigten und in übergroßem Maß kurzfristige Kredite, vor allem auch zur Finanzierung von Anlagegütern, verwendeten.

Hiezu enthalten die Urteilsgründe folgende wesentliche Feststellungen (Bd. V S. 246 ff.):

Gegenstand der mit Vertrag vom 21.Juni 1969 durch Umwandlung aus der A & B OHG entstandenen A & B AG mit einem Stammkapital von 10 Millionen Schilling war bis zuletzt der Betrieb des Bau- und Zimmereigewerbes mit allen damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten, insbesondere dem Baustoffhandel, der Planung und Durchführung von Hoch , Tief- und Stahlbetonbauten sowie der Planung und Errichtung von Holzkonstruktionsbauten, einschließlich der Erzeugung und des Vertriebs von Produkten der Holzindustrie. Seit 8. April 1974 waren die Angeklagten Ing. A und B je zur Hälfte Eigentümer des Unternehmens. Schon in den Jahren 1971 bis 1973 hatten sie sowohl im Bausektor als auch im Holzsektor 'Millionenbeträge' investiert. Dies deshalb, weil zum einen im Baubereich durch die Verlagerung des Schwerpunkts auf den vornehmlich von der öffentlichen Hand vergebenen Straßen- und Brückenbau eine wesentliche Verbesserung der maschinellen Einrichtungen und zum anderen auch im Bereich der Holzverarbeitung für ein von den Angeklagten entwickeltes und patentrechtlich geschütztes Verfahren, wodurch aus minderwertigem Holz hochwertiges Palettenholz hergestellt werden konnte, der Einsatz beträchtlicher finanzieller Mittel erforderlich geworden war. Obwohl diese Investitionen nur zu einem Drittel aus Eigenmitteln und zu zwei Dritteln aus Fremdkapital finanziert wurden, schloß die A & B AG auf Grund der Vielzahl kostendeckender Aufträge die Geschäftsjahre 1971 bis 1973 mit Gewinn ab.

Ab 1974, vor allem im Jahr 1975, wirkte sich die in der Baubranche spürbar gewordene Rezession dahin aus, daß die Aufträge der öffentlichen Hand nicht nur spärlicher, sondern auch zu so knapp kalkulierten Preisen vergeben wurden, daß die Ausführung der Aufträge dem Unternehmen der Angeklagten im einzelnen kaum noch Gewinne, teils sogar erhebliche Verluste brachte. Dieser Umstand sowie die Kosten des durch die Investitionen bedingten erhöhten Aufwands an Fremdkapital verursachten im Geschäftsjähr 1974 (Bilanz zum Stichtag 28.Februar 1975) einen Verlust von rund 399.000 Schilling. Diese wegen der stillen Rücklagen noch nicht bedrohliche Situation der A & B AG verschärfte sich im Wirtschaftsjahr 1975 erheblich durch einen infolge Hochwassers, also durch höhere Gewalt, im Bereich der Holzverarbeitung eingetretenen Schaden von 27 bis 30 Millionen Schilling, zu dessen Sanierung die Angeklagten den bis dahin nur bis zu einer Höhe von 2,5 bis 3 Millionen Schilling ausgenützten Kontokorrentkreditrahmen von 25 Millionen Schilling bei der E ausschöpften. Von der öffentlichen Hand wurde nur ein Förderungsbetrag von 7,9 Millionen Schilling gewährt, in welchem Zusammennhang nicht auszuschließen ist, daß zunächst durch verschiedene Politiker oder 'Institutionen' höhere Beträge versprochen worden waren.

Das Bestreben der Angeklagten, die nunmehr angespannte finanzielle Situation des Unternehmens durch forcierte Bautätigkeit zu verbessern, war erfolglos und führte zu weiteren erheblichen Verlusten, weil überwiegend nicht kostendeckende Aufträge angenommen werden 'mußten' (Bd. V S. 250). Demzufolge schloß das Geschäftsjahr 1975 zum Bilanzstichtag 29.Februar 1976 (die Bilanz lag im August 1976 vor) mit einem Verlust von rund 5,6 Millionen Schilling ab. Die negative Entwicklung setzte sich im Jahr 1976 fort, weil das Unternehmen weiterhin auf die übernahme preislich zumindest sehr knapp kalkulierter Straßen- und Brückenbauaufträge 'angewiesen' war und zusätzlich zwecks Erzielung eines Gewinns Investitionen in nicht unbeträchtlichem Maß für den holzverarbeitenden Betrieb tätigen 'mußte'. Da in der Folge keine Großbaustellen ausgeschrieben wurden, 'mußte' sich das Unternehmen auf den Bau von Ortsdurchfahrten verlegen, der mit den (an sich für Großbaustellen bestimmten) großen Maschinen nicht kostendeckend ausgeführt werden 'konnte'. Demgegenüber wurde wie in den vorangegangenen Jahren der auf lange Sicht gewinnversprechende Holzsektor zu Lasten des 'schon erheblich angeschlagenen' Bausektors aufgebaut, was zur Folge hatte, daß dessen Erholung 'immer unmöglicher und ausgeschlossener' wurde (Bd. V S. 251).

Die Angeklagten erkannten die schlechte finanzielle Situation des Bausektors Mitte des Jahrs 1976, als sie anordneten, ihnen künftig die Kalkulationen, in welchen der (zu erwartende) finanzielle Gewinn zu verzeichnen war, zur Prüfung vorzulegen. Das Geschäftsjahr 1976 (Bilanzstichtag 28.Februar 1977) schloß unter Einbeziehung einer 'Widmung nach § 10 EStG' mit einem Verlust von fast 42 Millionen Schilling ab. Da das Ausmaß des Abgangs im Wirtschaftsjahr 1976 auf Grund des Rohberichts bereits Mitte Mai 1977 erkennbar war (der endgültige und schriftliche Jahresabschluß lag erst am 31.Oktober 1977 vor), beschlossen die Angeklagten nach Beratung mit ihrem Rechtsfreund und dem Steuerberater sowie unter Verwertung eines schon zuvor aus anderem Anlaß eingeholten Gutachtens des Instituts Univ.Prof.

Dr. F der Universität Graz am 22.Juni 1977 einen umfangreichen 'Maßnahmenkatalog', der einerseits Einsparungen in den einzelnen Sektoren des Unternehmens wie Personalreduktion, konzentrierten Einsatz des Maschinenparks und Kürzung des Investitionsprogramms, aber auch eine Erhöhung des Kreditvolumens, einen Ausbau der Exportfinanzierung, eine bessere Ausnützung des 'Bundesgarantiegesetzes' (gemeint offenbar des am 1.Juli 1977 in Kraft getretenen Garantiegesetzes 1977, BGBl. 296) und insbesondere die Suche nach einem kapitalkräftigen Partner zur Unternehmensbeteiligung vorsah.

Nachdem die Angeklagten bei der E um die Erhöhung des Kontokorrentkreditrahmens von 25 Millionen Schilling (mit einer überziehungsmöglichkeit bis zu 3,5 Millionen Schilling) auf 40 Millionen Schilling angesucht und als Besicherung die verstärkte Zession von 'Kundenforderungen' (gemeint: von Forderungen an Kunden der A & B AG) angeboten hatten, zumal die Betriebsgrundstücke bereits voll belastet waren, erbrachte eine noch im Juni 1977 durch Revisoren der genannten Bank durchgeführte Prüfung der weiteren Kreditwürdigkeit des Unternehmens unter Auswertung der vorläufigen Bilanz zum 28.Februar 1977 bei gleichzeitiger Neubewertung der unfertigen Bauten einen Betriebsabgang für das Jahr 1976 von 34,4 Millionen Schilling. Statt der begehrten Erhöhung des Kreditrahmens um 15 Millionen Schilling gewährte die Bank lediglich eine Ausweitung der überziehungsmöglichkeit von 3,5 Millionen auf 5 Millionen Schilling.

Wegen der überaus bedrohlichen finanziellen Firmenentwicklung wurde auf Betreiben der E zum Stichtag 31.Mai 1977 ein Anfang September 1977 fertiggestellter Status errichtet, der im untersuchten Quartal einen weiteren Betriebsabgang von 4,92 Millionen Schilling auswies. Der schließlich zum Stichtag 31.August 1977 erstellte, Anfang November 1977

vorgelegene Halbjahrsabschluß ergab einen zusätzlichen Verlust von 4,71 Millionen Schilling. Dies veranlaßte einen der Revisoren, in seinem an den Vorstand der Bank erstatteten Bericht die Situation der A & B AG als 'aussichtslos oder nahezu aussichtslos' zu bezeichnen. Trotzdem wurde am 4.Jänner 1978 vom stellvertretenden Generaldirektor der Bank den Angeklagten gegenüber die Kreditzusage unter der Bedingung tauglicher Sicherheiten sowie der ehesten Durchführung des Sanierungskonzepts, nämlich der Erwirkung einer Beteiligung der G H am Holzbetrieb und eines anderen 'finanziell potenten' Partners für den Bausektor, aufrechterhalten (Bd. V S. 253).

Zur Ermöglichung der erwähnten Beteiligungen war zunächst mit Vertrag vom 4.November 1977 die A & B AG in die A & B D Ges.m.b.H. umgewandelt worden, die bei gleichem Betriebsgegenstand wie bisher ein von den beiden Angeklagten je zur Hälfte erbrachtes Stammkapital von 10 Millionen Schilling auswies und am 11.November 1977 ins Handelsregister eingetragen wurde. Mit einem weiteren Gesellschaftsvertrag vom 4.November 1977 wurde die A & B Ges.m.b.H. gegründet, an deren Stammkapital von 100.000 Schilling zu 80 % die neugegründete A & B D Ges.m.b.H. und zu je 10 % die beiden Angeklagten beteiligt waren. Gegenstand der A & B Ges.m.b.H. war der Holzproduktionsbetrieb der A & B D Ges.m.b.H. Mit einem 'Verschmelzungs- und Einbringungsvertrag' vom 18.November 1977 brachte die A & B D Ges.m.b.H. ihren Holzverarbeitungsbetrieb in Rohrbach und Hartberg samt den dazugehörigen Aktiven im Weg einer Kapitalerhöhung in die A & B Ges.m.b.H. ein und erhielt dafür neu ausgegebene Geschäftsanteile an dieser Gesellschaft im Nominale von einer Million Schilling. Obwohl nun solcherart das Bauunternehmen und das Holzverarbeitungsunternehmen von zwei verschiedenen Kapitalgesellschaften betrieben wurden, mißlangen die Bemühungen um eine Fusionierung mit kapitalstarken Unternehmen in den jeweiligen Geschäftszweigen, weshalb die E mit Wirkung vom 17.Jänner 1978 den Kontokorrentkreditvertrag aufkündigte. Hiefür war auch noch ausschlaggebend, daß von den Angeklagten an die Bank in überwiegendem Maß nur Forderungen an die öffentliche Hand zediert werden konnten, ohne die zur uneingeschränkten Realisierung nötigen Kompensationsverzichtserklärungen des Finanzamts vorlegen zu können, und daß in dem von den Angeklagten zur Verfügung gestellten Finanzplan eine seit 1976 bestehende Mehrwertsteuerschuld von 26,6 Millionen Schilling angeblich absichtlich nicht angeführt war. Der gesamte zusätzliche Kreditbedarf der Unternehmen belief sich auf 48 Millionen Schilling, wofür keine ausreichende Besicherung gegeben war (Bd. V S. 253/254).

Nach dem Fehlschlagen der Fusionierungsverhandlungen (und der Kündigung des Kontokorrentkreditvertrags) beantragten die Angeklagten am 26.Jänner 1978

die Eröffnung des Ausgleichs über die A & B D Ges.m.b.H. und am 13. Februar 1978 auch über die A & B Ges.m.b.H.

Im Verlauf des Insolvenzverfahrens - nach Rückziehung der Ausgleichsvorschläge hinsichtlich beider Unternehmen wurde zunächst jeweils der Anschlußkonkurs eröffnet und es kam schließlich zu (mittlerweile beendeten) Zwangsausgleichen - vergrößerte sich die zum Stichtag 28.Februar 1978 in der Bilanz für das Geschäftsjahr 1977/78 mit fast 66 Millionen Schilling ausgewiesene überschuldung noch erheblich, weil wegen der Flaute im Baugewerbe ein Teil des Maschinenparks unverkäuflich geworden war und die Abrechnung der unfertigen Baustellen 'weitere Belastungen hervorbrachte'. Im Insolvenzverfahren wurden von insgesamt ca. 1.000

Gläubigern mehr als 100 Millionen Schilling an bevorrechteten Forderungen und mehr als 150 Millionen Schilling an nicht bevorrechteten Forderungen angemeldet, wobei von den letzteren solche bis zu 100.000 Schilling nur mit 20 %, solche über 100.000 Schilling mit 10 % und solche über eine Million Schilling bloß mit 5 % erfüllt wurden, sodaß etwa 70 bis 75 Millionen Schilling unberichtigt blieben. Die den Bausektor betreffende Fa. A & B D Ges.m.b.H. wurde zur Gänze liquidiert und stillgelegt; die Fa. A & B Ges.m.b.H. Holzverarbeitung wurde unter Beibehaltung des Beschäftigtenstands für die Dauer von 5 Jahren gegen einen jährlichen Pachtschilling von 500.000 Schilling an die neu gegründete A & B Betriebsgesellschaft m.b.H. übertragen, deren Stammkapital von 2 Millionen Schilling Peter I und Robert J zu je 45 % sowie die Angeklagten A und B zu je 5 % innehaben (Bd. V S. 257). Als im Sinn des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z. 1 StGB tatbildliche fahrlässige Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit ihres Unternehmens in der jeweiligen Gesellschaftsform lastet das Erstgericht - anklagegemäß - den Angeklagten die im Urteilsspruch 'illustrativ' angeführten Verhaltensweisen ab August 1976 an, d.i. ab dem Vorliegen der zum Stichtag 29.Februar 1976 erstellten Bilanz 1975, welche trotz ungerechtfertigt hoher Bewertung unfertiger Bauten einen Verlust von rund 5,6 Millionen Schilling auswies. Das Erstgericht geht hiebei zusammenfassend davon aus (Bd. V S. 258 ff.), daß das Unternehmen der Angeklagten nach finanziellen Belastungen im Zusammenhang mit der Einführung des Taktschiebeverfahrens (im Brückenbau), durch die übernahme nicht kostendeckender Aufträge in den Jahren 1974 und 1975 und den im Juni 1975

eingetretenen Hochwasserschaden, der die gänzliche Ausschöpfung des Kontokorrentkreditrahmens erforderlich machte, in eine finanziell bedrohliche, keinen 'weiteren Spielraum für finanzielle Einbußen freilassende' Situation und zum Bilanzstichtag 29.Feber 1976 bereits in einen Zustand der überschuldung geraten war. Weitere Belastungen und Risiken wären nur unter der Voraussetzung des Erlangens gewinnbringender Aufträge, bei gleichzeitiger Einschränkung der Betriebs- und Investitionskosten, finanzierbar gewesen. Ungeachtet dieser Situation und der insbesondere im Baugewerbe anhaltenden wirtschaftlichen Rezession setzten die Angeklagten aber die Investitionstätigkeit fort, übernahmen weiterhin - sogar in vermehrtem Ausmaß - nicht kostendeckende Aufträge und suchten wegen der Ausschöpfung des Kontokorrentkreditrahmens den Hauptteil des Bedarfs an laufenden Finanzierungsmitteln teils durch Vergrößerung der Lieferantenverbindlichkeiten und teils durch Heranziehung vereinnahmter, jedoch nicht abgeführter Mehrwertsteuerbeträge von mindestens 20 Millionen Schilling abzudecken. Der den Angeklagten im Mai 1977 zur Verfügung gestandene vorläufige Jahresabschluß für das Jahr 1976/77 (Rohbericht), welcher zu den oben erwähnten Sanierungsmaßnahmen führte, dokumentierte bereits eine ausweglose Situation;

die Ende September bzw. Anfang November 1977 erstellten Quartalsbzw. Halbjahrsabschlüsse (zum 31.Mai bzw. 31.August 1977) machten den Angeklagten deutlich den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit klar.

Rechtliche Beurteilung

Die (gemeinsam ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Ing. A und B erweisen sich im Ergebnis schon insoweit als begründet, als die Beschwerdeführer, wenn auch teils formal verfehlt unter dem § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO, Feststellungsmängel geltend machen, welche den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a leg.cit. verwirklichen:

Auszugehen ist davon, daß den Angeklagten im Ersturteil, der Anklage folgend, ein die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens herbeiführendes, dem Eintritt der durch den Hochwasserschaden, also durch höhere Gewalt, bewirkten eigentlichen Krise ab deren Erkennen aus der Bilanz für das Geschäftsjahr 1975

zeitlich erst nachfolgendes Fehlverhalten ab August 1976 angelastet wird, wobei die Krisensituation gerade während der - naturgemäß längere Zeit in Anspruch nehmenden - teilweisen Umstellung des Unternehmensbetriebs vom wirtschaftlich nicht mehr attraktiven Tiefbau auf Hochbau unter spezieller Auswertung der Palettenholzherstellung im Holzverarbeitungsbetrieb einsetzte, welch letzterer Unternehmenszweig laut Feststellungen des Erstgerichts zwar auf lange Sicht gewinnversprechend war, doch zu seinem Ausbau beträchtliche, bisher zu Lasten des Bauunternehmens getätigte Investitionen erforderte, zumal gerade er (der Holzverarbeitungsbetrieb) vom Hochwasserschaden betroffen war und auch schon deshalb zu dessen Sanierung der Kreditrahmen von 25 Millionen Schilling ausgeschöpft werden mußte.

Bei einer solchen Fallkonstellation reichen indes die zu den einzelnen Kridahandlungen vom Erstgericht in sachverhaltsmäßiger Beziehung getroffenen Feststellungen weder für eine abschließende Beurteilung der objektiven (für § 159 Abs. 1 Z. 1 StGB spezifischen) Sorgfaltswidrigkeit und der objektiven Zurechenbarkeit des Erfolgs (insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer Risikoerhöhung gegenüber sorgfaltsgemäßem Alternativverhalten), noch für die Beurteilung der Frage der - die Fahrlässigkeitsschuld eingrenzenden - Zumutbarkeit sorgfaltsgemäßen Verhaltens (vgl. Kienapfel, BT II, RN 7; 17 bis 19; 24 und 26 zu § 159 StGB) aus:

Unter diesen Gesichtspunkten bedarf es vielmehr - wie die Beschwerdeführer im wesentlichen zutreffend geltend machen - vorerst auch in betragsmäßiger Hinsicht auf den Deliktszeitraum bezogener und innerhalb desselben zeitlich differenzierender Feststellungen, welche Investitionen im Verhältnis zur Ertragslage überhöht gewesen sind, welche der übernommenen Aufträge schon im voraus und ungeachtet der von den Angeklagten Mitte 1976, also etwa bereits zu Beginn des Deliktszeitraums getroffenen Anordnung, ihnen die unter Verzeichnung des zu erwartenden Gewinns zu erstellende Kalkulation vorzulegen, nicht kostendeckend gewesen sind bzw. sich erst im Verlauf der Bauausführung (und aus welchen Gründen) als nicht kostendeckend erwiesen haben und worin Fehler bei der Preisgestaltung in den Fällen der (im Ersturteil offenbar mit neuen technischen Verfahren gemeinten) Anwendung des Taktschiebeverfahrens im Brückenbau gelegen sind sowie inwieweit kurzfristige Kredite vor allem zur Finanzierung von Anlagegütern von den Angeklagten in Anspruch genommen worden sind. Da nach den eingangs angeführten Urteilsfeststellungen zunächst das Unternehmen weiterhin auf die übernahme preislich zumindest sehr knapp kalkulierter Aufträge angewiesen war und in der Folge mangels Ausschreibung von Großbaustellen Straßenbauaufträge im Ortsbereich übernommen werden mußten, welche mit den für Großbaustellen bestimmten Geräten nicht kostendeckend durchgeführt werden konnten, müßte sodann geklärt werden, ob, in welchem Umfang und bis wann die Fortführung des Bauunternehmens wirtschaftlich überhaupt noch vertretbar war, welche anderen Alternativen den Angeklagten zur Verfügung gestanden wären und welche wirtschaftlichen Aufwendungen bzw. Einbußen (Abfertigungen an Dienstnehmer; Wertverluste in Ansehung nur zu ungünstigen Bedingungen veräußerbaren Maschinen etc.) eine Stillegung des Bauunternehmens mit einem angeblichen Beschäftigtenstand von zuletzt 570

Arbeitern und 75 Angestellten (vgl. die Verantwortung des Angeklagten Ing. A Bd. IV ON. 98 S. 335) schon zu einem früheren Zeitpunkt, als tatsächlich geschehen, mit sich gebracht haben würde. Erst dann kann abschließend beurteilt werden, ob und inwieweit - ex ante betrachtet (vgl. Fleisch in ÖJZ 1984, S. 310; LSK 1984/27 und 28 = RZ 1984/66 u.a.) - das inkriminierte Verhalten der Angeklagten dem einen verantwortungsbewußten Bauunternehmer treffenden spezifischen Sorgfaltsgebot zuwiderlief, sowie ob dann das Risiko einer Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens gegenüber einem vorgestellten sorgfaltsgemäßen Verhalten - ex post gesehen (Wiener Kommentar, RZ 75 zu § 6 StGB) - zweifelsfrei erhöht wurde und ob letzteres insbesondere unter dem Aspekt des sozialen Störwerts des Verlusts einer größeren Anzahl von Arbeitsplätzen (vgl. hiezu Schick, 'Der Bauskandal auf dem Lande', in: Fälle und Lösungen zum Strafrecht !Manz 1982 S. 21/22, und LSK 1983/137 zu § 10 StGB) und einer Unternehmensstillegung vor Beendigung in Auftrag genommener und bereits begonnener Arbeiten einerseits und der allfälligen Möglichkeit einer Umstellung des Unternehmens auf einen langfristig gewinnbringenden Geschäftszweig (:Palettenholzerzeugung) andererseits - und zwar ex ante, in der speziellen Tatsituation beurteilt (vgl. Wiener Kommentar a.a.O. RZ 97) - den Angeklagten auch zumutbar war (vgl. die Angaben des Zeugen Julius K Bd. V, ON. 121 S. 215 und des Sachverständigen Dkfm. Mag. Dr. L Bd. V, ON. 118, S. 195 ff., 201; ON. 121, 219 f.). In die bezüglichen Erwägungen werden auch die von den Angeklagten behaupteten (Nach-)Forderungen an die öffentliche Hand von angeblich 35 Millionen Schilling (Bd. IV, ON. 98, S. 323 ff.; vgl. ferner abermals die Angaben des Sachverständigen Dkfm. Mag. Dr. L Bd. V, ON. 118, S. 201 f.), die erwähnte, schon Mitte 1976 in bezug auf die Kalkulation von den Angeklagten getroffene Anordnung, weiters der von den Angeklagten unter Verwertung eines Gutachtens und nach Beratung mit ihrem Rechtsfreund und ihrem Steuerberater am 22.Juni 1977 beschlossene sogenannte 'Maßnahmenkatalog' und dessen (offenbar mangelnde) Effizienz, sowie auch der Umstand, daß nach den Aussagen des seinerzeitigen Masseverwalters bis zur Ausgleichseröffnung keine Klagen und Exekutionen gegen das Unternehmen anhängig gewesen sind (Bd. V, ON. 118, S. 187; vgl. auch die Aufstellung Bd. I, ON. 21 in Verbindung mit Bd. V ON. 121, S. 225), einzubeziehen sein.

Da sich mithin - wie die Generalprokuratur in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 17.August 1984 (zugunsten der Angeklagten) zutreffend darlegte - die Nichtigkeitsbeschwerde des Ing. Alfred A und des Siegfried B schon wegen der hinsichtlich der erörterten Punkte vorliegenden Feststellungsmängel (§§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a, 288 Abs. 2 Z. 3 a.E. StPO) als begründet erweist, war das Ersturteil in seinem gesamten die beiden genannten Angeklagten verurteilenden Teil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an die erste Instanz zurückzuverweisen. Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen dieser beiden Angeklagten aus den Nichtigkeitsgründen des § 281 Abs. 1 Z. 4 und 5 StPO erübrigt sich sohin.

Nur am Rande sei mit Beziehung auf das Vorbringen in der Verfahrensrüge der Beschwerdeführer (ON. 127 Bd. V S. 306 ff.), bemerkt, daß im Fall des - als Tatfrage (Kienapfel, BT II, RN 11 zu § 159 StGB) zu lösenden - Eintritts der (aktuellen) Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners mehrerer Gläubiger (erst) mit dem Erlöschen der Möglichkeit einer Kreditinanspruchnahme, welche bis dahin seine gewissermaßen latente Zahlungsunfähigkeit überdeckt hatte, sich nichts an der Kridahaftung gemäß dem Tatbild des § 159 Abs. 1 Z. 1 StGB ändert, wenn die Kridahandlungen mit dem (schließlichen) Entzug der Kreditmöglichkeit (etwa infolge Kündigung des Kontokorrentkreditvertrags) im Sinn der Kriterien objektiver (Erfolgs-)Zurechnung (vgl. hiezu u.a. Wiener Kommentar, RZ 60 ff. zu § 6 StGB) über das Erfordernis der Kausalität hinaus auch spezifisch normativ verknüpft sind (Burgstaller in Bezauer Tage, Strafrecht 1983, S. 131).

Anmerkung

E04951

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00034.84.1025.000

Dokumentnummer

JJT_19841025_OGH0002_0130OS00034_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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