Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Oktober 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta (Berichterstatter), Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gurschler als Schriftführers, in der Strafsache gegen Franz A wegen des Verbrechens der erpresserischen Entführung nach dem § 102 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Wels vom 24.Mai 1984, GZ 12 Vr 1.738/83-54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Knob, und des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Mirezki, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 26.Dezember 1958 geborene (beschäftigungslose) Franz A 1. des Verbrechens der erpresserischen Entführung nach dem § 102 Abs. 1 StGB und 2. des Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1 und 143, 2. Fall, StGB schuldig erkannt.
Den Geschwornen waren folgende zwei Hauptfragen vorgelegt worden:
1. Hauptfrage I:
'Ist Franz A schuldig, am 24.Oktober 1983 in Grieskirchen im Kundenraum der B Gallspach, Filiale Grieskirchen, sich der Kundin Ulrike C dadurch bemächtigt zu haben, daß er mit einer über den Kopf gezogenen Wollhaube und Sonnenbrillen maskiert entweder seinen linken Arm gegen den Hals Ulrike CS drückte, diese etwas zurückriß und ihr mit der rechten Hand ein 25 cm langes Fleischermesser im Rücken im Bereich der rechten Nierengegend ansetzte, oder mit seiner linken Hand den linken Oberarm Ulrike CS erfaßte, die Genannte gewaltsam gegen seinen Körper drückte und dieser mit seiner rechten Hand von hinten ein 25 cm langes Fleischermesser ansetzte, um die Kassenangestellten Manfred D und Mag. Anton E zu einer Handlung, nämlich zur Ausfolgung von Bargeld zu nötigen und um die Kassenangestellten Manfred D und Mag. Anton E zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme vom Schußwaffengebrauch gegen ihn zu nötigen ?' 2. Hauptfrage II:
'Ist Franz A schuldig, am 24.Oktober 1983 in Grieskirchen im Kundenraum der B Gallspach, Filiale Grieskirchen, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, nämlich die Äußerung:
'überfall, Geld her, sonst passiert der Frau etwas !', wobei er sich der Ulrike C auf die in der Hauptfrage I. beschriebene Weise bemächtigt hatte, unter Verwendung einer Waffe, nämlich eines 25 cm langen Fleischermessers, dem Manfred D eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld im Betrag von insgesamt 91.010 S mit dem Vorsatz abgenötigt zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern ?' Die Antwort der Geschwornen auf diese Fragen lautete:
Zur Hauptfrage I.: 8 Stimmen 'ja', aber mit (der) Einschränkung, daß (die) Variante 'oder der Angeklagte habe Frau Ulrike C am linken Oberarm erfaßt', entfällt.
Zur Hauptfrage II.: Gleichfalls 8 Stimmen 'ja', aber mit der Einschränkung 'der Frau' (gemeint: die Worte 'der Frau' hätten zu entfallen).
Der auf Grund dieses Wahrspruchs ergangene Schuldspruch wird vom Angeklagten mit einer auf die Z 9, 12 und 13 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.
Den erstgenannten Nichtigkeitsgrund erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die Geschwornen die Hauptfrage I mit der oben wiedergegebenen Einschränkung beantworteten. Diese Antwort sei in sich widersprüchlich, weil ihr nicht entnommen werden könne, welche Handlung der Angeklagte gegen Ulrike C (nämlich, ob er sie entweder etwas zurückriß, oder, ob er sie gewaltsam gegen seinen Körper drückte) tatsächlich begangen habe.
Rechtliche Beurteilung
Demgegenüber läßt jedoch der Wahrspruch keinen Zweifel daran, daß die Geschwornen die (gesamte), in der Antwort bloß nicht vollständig wiedergegebene 'Oder-Variante' ausschalten wollten und dem Angeklagten als Tathandlung im Sinn der 'Entweder-Variante' (lediglich) anlasteten, er habe seinen linken Arm gegen den Hals Ulrike CS gedrückt, sie etwas zurückgerissen und ihr mit der rechten Hand ein 25 cm langes Fleischermesser im Rücken im Bereich der rechten Nierengegend angesetzt, in welchem Sinn auch der Schuldspruch erging.
Davon, daß die Antwort der Geschwornen auf die Hauptfrage I in sich widersprechend (oder undeutlich) wäre, kann daher keine Rede sein. In Ausführung des weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes des § 345 Abs. 1 Z 12 StPO vertritt der Angeklagte die Ansicht, daß die ihm angelastete Tat rechtsirrig auch der Bestimmung des § 102 Abs. 1 StGB unterstellt worden sei. Die Gewaltanwendung gegen Ulrike C sei nur als die zum Raub erforderliche Gewalt zu beurteilen, sodaß bei richtiger Gesetzesauslegung eine Subsumtion allein unter den Tatbestand des Raubes nach den § 142, 143, 2. Fall, StGB - gegenüber der erpresserischen Entführung die Spezialnorm - zulässig gewesen wäre.
Diesem Vorbringen ist zunächst zu erwidern, daß - von der strengeren Strafdrohung des § 102 StGB abgesehen - die behauptete Spezialität schon deshalb nicht vorliegen kann, weil die beiden Deliktstypen (der erpresserischen Entführung und des Raubes) keineswegs im Verhältnis von Gattung und Art stehen, sodaß der eine Deliktstypus den anderen begriffsnotwendig in sich einschlösse (vgl. Burgstaller,
Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl. 1978, S 396; Leukauf-Steininger, StGB 2 , § 28, RN 42).
So zählt die erpresserische Entführung im Gegensatz zum Raub nicht zu den strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen (SSt. 49/47). Der Tatbestand der erpresserischen Entführung, dessen Verwirklichung unter anderem - anders als beim Raub, der demnach nicht (wie der Beschwerdeführer meint) alle Merkmale des § 102 StGB und darüber hinaus noch weitere (spezielle) enthält - voraussetzt, daß der Täter einen anderen ohne dessen Einwilligung mit Gewalt oder nach Erlangung der Einwilligung durch gefährliche Drohung oder List entführt oder sich seiner sonst bemächtigt, ist daher auch einem Täter zuzurechnen, der (wie vorliegend der Angeklagte) die physische Herrschaft über einen (von ihm mit einem Messer bedrohten) Bankkunden ausübt, um solcherart Bankangestellte zur Ausfolgung von Geld zu nötigen (vgl. Kienapfel BT I, erste Auflage RN 753; Leukauf-Steininger 2 , § 102 StGB, RN 8).
Umgekehrt war es aber auch gerechtfertigt, den Angeklagten nicht nur des Verbrechens der erpresserischen Entführung, sondern daneben auch noch des (in echter Konkurrenz verwirklichten 9 Os 73/78) Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142, 143, 2. Fall, StGB schuldig zu erkennen; hatte er doch sich nicht nur der Bankkundin Ulrike C bemächtigt, sondern - das Messer in der Hand - auch noch den Bankangestellten Manfred D mit den Worten:
'überfall, Geld her, sonst passiert etwas !' bedroht und zur (sofortigen) Ausfolgung von Bargeld im Betrag von 91.010 S genötigt (vgl. den Wahrspruch der Geschwornen zur Hauptfrage II mit der vorgenommenen Einschränkung).
Da demnach auch der auf den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 13 StPO gestützte Beschwerdeeinwand, das Erstgericht hätte die Strafe mangels Zurechenbarkeit des Deliktes nach dem § 102 Abs. 1 StGB gemäß der Strafdrohung des § 143 StGB ausmessen müssen, ins Leere geht, war die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 102 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Jahren.
Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen zweier Verbrechen verschiedener Art, die zahlreichen einschlägigen, rückfallsbegründenden Vorstrafen sowie den überaus raschen Rückfall des Angeklagten als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber das überwiegend reumütige Geständnis des Angeklagten, seine vernachlässigte Erziehung, den 'abnormen Geisteszustand' sowie die teilweise objektive Schadensgutmachung durch Sicherstellung des Großteils der Beute als mildernd.
Franz A strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung des Strafausmaßes an.
Die Berufung ist nicht begründet.
Die vom Erstgericht ausgemessene Freiheitsstrafe wird der Schuld des Angeklagten, dem Unrechtsgehalt seiner Tathandlungen, aber auch seiner durch zahlreiche einschlägige Vorstrafen belasteten Täterpersönlichkeit gerecht:
Insbesonders in Anbetracht der sich aus der Wirkungslosigkeit bisher erlittener Freiheitsstrafen und dem raschen Rückfall nach der letzten Haftentlassung ergebenden Hartnäckigkeit des verbrecherischen Willens besteht schon aus spezialpräventiven Gründen für eine Korrektur der nahe der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens ausgemessenen Freiheitsstrafe kein Anlaß. Der Berufung des Franz A war sohin der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E04876European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0110OS00147.84.1031.000Dokumentnummer
JJT_19841031_OGH0002_0110OS00147_8400000_000