Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 6.November 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich (Berichterstatter), Dr. Lachner sowie Hon.Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Robert A wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 15, 87 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17.Mai 1984, GZ 8 Vr 284/84-51, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Knob, und des Verteidigers Dr. Reitböck, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 4 (vier) Jahre erhöht; der Angeklagte wird mit seiner Berufung darauf verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des weiteren Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das oben bezeichnete Urteil, mit dem er (1.) des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 15, 87 Abs 1 StGB,
(2.) des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und (3.) des Vergehens nach § 36 Abs 1
lit a WaffG schuldig erkannt wurde, ist vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 16.Oktober 1984, GZ 10 Os 175/84-6, dem der Sachverhalt zu entnehmen ist, schon in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen worden.
Gegenstand des Gerichtstages waren daher nur noch die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft; ersterer strebt eine Herabsetzung des Strafmaßes an, letztere dessen Erhöhung. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 28 Abs 1, 87 Abs 1 StGB zu drei Jahren Freiheitsstrafe; dabei wertete es seine Provokation durch das Tatopfer, seine Enthemmung durch Alkohol, den Umstand, daß der Versuch einer schweren Körperverletzung mißlungen ist, und sein Geständnis zum Vergehen nach dem WaffG als mildernd, seine einschlägigen Vorstrafen wegen Körperverletzung, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen und das Imstichlassen des Verletzten dagegen als erschwerend.
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu. Die vom Schöffengericht angenommenen Strafzumessungsgründe bedürfen zunächst insofern einer Korrektur, als einerseits die Selbststellung des Angeklagten zusätzlich als mildernd zu berücksichtigen ist und das Imstichlassen des Verletzten durch ihn als Erschwerungsumstand zu entfallen hat, ihm aber anderseits seine Alkoholisierung nicht zugutezuhalten, sondern anzulasten ist. Die (subsidiäre) Unterlassung der erforderlichen Hilfeleistung an das Tatopfer wird nämlich auch in ihrem Schuldgehalt schon durch das primäre Verletzungsdelikt vollkommen erfaßt (vgl § 94 Abs 4 StGB), und die alkoholbedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten findet im Vorwurf, den ihm sein Alkoholgenuß den Umständen nach einträgt, deswegen ein überwiegendes Gegengewicht (§ 35 StGB), weil ihm seine Neigung zur Gewalttätigkeit im Rausch zumindest aus einer erst im Jahr 1979 erlittenen Vorverurteilung wegen eines einschlägigen Delikts (§ 287 Abs 1/§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB) jedenfalls bekannt sein mußte. Von einem in den letzten Jahren ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten dagegen kann ohne Rücksicht darauf, ob er zuletzt einem redlichen Erwerb nachging, schon im Hinblick auf seine beiden letzten, aus den Jahren 1980
sowie 1983 datierenden einschlägigen Vorstrafen ebensowenig die Rede sein wie davon, daß er die Körperverletzung in einer Verteidigungssituation begangen hätte; und umgekehrt kommt der Frage, ob seine zumindest vierzehn einschlägigen Vorstrafen auch den Voraussetzungen eines Rückfalls im Sinn des § 39 StGB entsprechen, nach Lage des Falles keine ins Gewicht fallende Bedeutung zu. Bei diesen Erwägungen zur Strafbemessung und insbesondere unter Bedacht auf die enorme Gefährlichkeit des in der Abgabe eines Pistolenschusses gegen den Kopf des Tatopfers aus einer Entfernung von nur 40 cm sowie auf die aus den zahlreichen Vorstrafen wegen Körperverletzung und Vergehen gegen das WaffG hervorleuchtende hartnäckige Neigung des Angeklagten zur Gewalttätigkeit erschien nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) eine Erhöhung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe auf die Dauer von vier Jahren als angebracht.
Dahin war demnach dem Rechtsmittel der Anklagebehörde Folge zu geben, worauf der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen war.
Anmerkung
E04864European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0100OS00175.84.1106.000Dokumentnummer
JJT_19841106_OGH0002_0100OS00175_8400000_000