TE OGH 1984/11/7 11Os124/84

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Veröffentlicht am 07.11.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.November 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner (Berichterstatter) als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schiller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ludwig A und Liselotte B wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach den § 146, 147

Abs. 1 Z 1, Abs. 3 sowie 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 27.Jänner 1984, GZ 27 Vr 517/81-65, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Hauptmann, des Angeklagten Ludwig A und des Verteidigers Dr. Tews zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil in seinem freisprechenden Teil sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaftzeiten) aufgehoben und die Sache gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO an das Kreisgericht Wels zu neuer Verhandlung und Entscheidung (über die Fakten Punkt A/II/1-5 und Punkt B/II des angefochtenen Urteils sowie über die zufolge der rechtskräftigen Schuldsprüche laut dem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 3.Mai 1982, GZ 27 Vr 517/81-43, zu verhängenden Strafen) verwiesen. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (im zweiten Rechtsgang gefällten) Urteil wurde der am 16.Juni 1948 geborene Ludwig A gemäß dem § 259 Z 3 StPO von der wider ihn erhobenen Anklage freigesprochen, in der Zeit zwischen 9. Dezember 1980 und 6.März 1981 in Linz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Vortäuschung seiner Fähigkeit und seines Willens zur Zurückzahlung von Krediten Verfügungsberechtigte der C Linz in zwei Angriffen zum Teil unter Benützung einer verfälschten Urkunde, nämlich eines Einzahlungsbeleges der Postsparkasse, zur Ausfolgung und überweisung von 143.000 S und 77.253 S sowie zur Einlösung von Schecks über insgesamt 20.000 S (A/II/1), Verfügungsberechtigte der Filiale Schlantenfeld der Oberösterreichischen D in zwei Angriffen zur Ausfolgung von 214.000 S und 56.000 S (A/II/2) und Verfügungsberechtigte der Filiale Leonfeldnerstraße der E Linz-Urfahr zur Ausfolgung von 150.000 S (A/II/4) verleitet, ferner Verfügungsberechtigte der F Steg zur Ausfolgung von 300.000 S (A/II/3) und Verfügungsberechtigte der Fa. G (Immobilienmaklergesellschaft m.b.H.) zur Gewährung eines Kredits von 500.000 S (A/II/5) zu verleiten versucht zu haben, wodurch die betreffenden Institute und Firmen am Vermögen um die genannten Beträge geschädigt werden sollten und in den Fällen A/II/2 und 4 des Urteilstenors auch tatsächlich geschädigt wurden, und hiedurch das Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 3 sowie § 15 StGB begangen zu haben.

Die am 4.Juni 1961 geborene Liselotte B wurde gleichfalls gemäß dem § 259 Z 3 StPO von der Anklage freigesprochen, durch telefonische Bestätigung von Eingängen über 270.000 S und 300.000 S (für Ludwig A beim Postamt 4010 Linz) zur Ausführung der unter Punkt A/II/2 und 3 des Urteilsspruches bezeichneten Betrugstaten des Ludwig A beigetragen und hiedurch das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges (als Beteiligte) nach den § 12 (dritter Fall), 146, 147 Abs. 3

und 15 StGB begangen zu haben (B/II/ des Urteilstenors). Wegen Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den § 223 Abs. 2, 224 StGB, welches den bereits im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüchen A/I/1 und B/I des Urteils des Landesgerichtes Linz vom 3.Mai 1982, GZ 27 Vr 517/81-43, zufolge Ludwig A als unmittelbarem Täter und Liselotte B als Beitragstäterin zur Last liegt, wurden - unter überflüssiger und rechtlich verfehlter (vgl. insbes. RZ 1980/14) Wiederholung der betreffenden Schuldsprüche, denen auch in den Entscheidungsgründen eine insoweit unnötige und außerdem mißverständliche Konstatierung zur subjektiven Tatseite beigefügt ist (Bd. II S 101) - über beide Angeklagten Geldstrafen verhängt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Freisprüche richtet sich die auf die Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der Berechtigung zukommt.

Im Punkt des Freispruches des Angeklagten A ist die Beschwerde insoweit im Recht, als Mängel der Urteilsbegründung im Zusammenhang mit der entscheidenden Tatsachenfeststellung, der Erstangeklagte A habe auf seine Fähigkeit zur Rückzahlung der gegenständlichen Schulden vertraut, gerügt werden. Das Erstgericht begnügte sich damit, den (bloß) referierend wiedergegebenen Inhalt der Verantwortung des Angeklagten A als unwiderlegbar zu bezeichnen (Bd. II S 111) und auf eine teilweise Bestätigung durch den Zeugen H (Bd. II S 66 f) hinzuweisen, der bereit gewesen sein soll, eine 'Umschuldung' des Erstangeklagten in die Wege zu leiten und nicht ausschloß, dem Erstangeklagten bereits im Dezember 1980 telefonisch eine derartige Zusicherung für einen späteren Zeitpunkt gegeben zu haben (Bd. II S 69 in Verbindung mit Bd. I S 349). Der Ansicht des Schöffensenates zuwider läßt aber die Bereitschaft eines Kreditvermittlers zur Beschaffung eines Umschuldungskredits noch nicht auf Rückzahlungsfähigkeit und -bereitschaft des Kreditwerbers selbst schließen, insbesondere wenn der Kreditvermittler - wie hier der Fall - von seinem Kunden über das Ausmaß der Belastungen unvollständig informiert wurde; bildet doch die Verheimlichung eines Teiles des Schuldenstandes ein wichtiges und mit mängelfreier Begründung zu erörterndes Indiz dafür, daß der Kreditwerber damit rechnet, angesichts der Gesamthöhe seiner Verbindlichkeiten könne die Fähigkeit zur Kreditrückzahlung in Frage gestellt sein. Die Verantwortung des Erstangeklagten in diesem Zusammenhang, sich zur vollständigen Angabe seiner 'privaten' Schulden nicht verpflichtet gefühlt zu haben (Bd. II S 62), wurde - wie die Beschwerde (Punkt I/A/3) zutreffend ausführt - vom Erstgericht ohne diese im Hinblick auf den Widerspruch zur Lebenserfahrung gebotene Erörterung übernommen.

Sollte diese Unterlassung etwa darauf zurückgehen, daß das Erstgericht einen Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz des Erstangeklagten schon im Hinblick auf die jeweilige Abdeckung älterer Schulden mit neu herausgelockten Beträgen als nicht erwiesen erachtete - wobei sich angesichts der Urteilsausführungen aufdrängt, das Erstgericht könnte !rechtlich verfehlt eine 'Betrugsabsicht' oder eine 'Schädigungsabsicht' (vgl. § 5 Abs. 2 StGB) als für die Verwirklichung des Tatbildes des Betruges erforderlich gehalten haben (s. Bd. II S 101 und 105), obgleich Vorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB) genügt -, dann wäre auf die Ausführungen des Obersten Gerichtshofes in seinem Urteil im ersten Rechtsgang (Bd. I S 497 unten, 498) zu verweisen, wonach eine solche (im angefochtenen Urteil Bd. II S 105 als Methode 'Loch auf, Loch zu' charakterisierte) Vorgangsweise einen (bedingten) Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz beim Eingehen der jeweiligen, nach Vorstellung des Täters nur für den Fall des Gelingens weiterer Irreführungshandlungen künftig abdeckbaren Schuld keineswegs ausschlösse. Da der Betrugsvorsatz auf keine dauernde Schädigung gerichtet sein muß, bliebe es auch ohne Bedeutung, wenn der getäuschte Kreditgeber nach dem Tatplan doch noch einmal zu seinem Geld kommen soll; genug daran, daß dem Gläubiger nach Vorstellung des Täters zum Zeitpunkt der schädigenden Vermögensverschiebung (Kredithingabe) nur ein Rückforderungsanspruch erwachsen soll, mit dessen Erfüllung innerhalb eines den Regeln des redlichen Verkehrs entsprechenden Zeitraums nicht zu rechnen und welcher daher als dubios abzusetzen ist (Leukauf-Steininger, Komm.

z.

StGB 2 , § 146, RN 33; Kienapfel, BT II, § 146 StGB, RN 166 und 173; Liebscher im WK. z. StGB , Rz. 22 zu § 146).

Es hätte daher für jeden einzelnen Fall einer Auseinandersetzung mit den jeweiligen Rückzahlungsbedingungen bedurft, zumal nach der bisherigen Aktenlage im überwiegenden Teil (A/II/1 bis 4 des Urteilstenors) vom Abschluß formeller Darlehensverträge mit langen Rückzahlungsfristen offenbar keine Rede sein kann, somit nur eine alsbaldige oder wenigstens kurzfristige Abdeckung der Verbindlichkeiten den Regeln des redlichen Verkehrs entsprochen hätte. Nur durch Vergleich der konkreten Rückzahlungsbedingungen mit den Einkünften des Angeklagten A unter Berücksichtigung seiner weiteren Belastungen kann Aufschluß darüber erlangt werden, ob die Annahme, dieser Angeklagte habe auf seine Rückzahlungsfähigkeit vertraut, überhaupt logisch und nach allgemeiner Erfahrung vertretbar ist.

Obwohl die Anklagebehörde sich in einem Teil ihrer Mängelrüge gegen die im Nichtigkeitsverfahren nicht anfechtbare Beweiswürdigung des Schöffengerichtes wendet (vgl. die Erörterung der Motive für die vom Erstangeklagten Ludwig A gewählte Verantwortung sowie die aus den Fälligkeitsterminen nachträglicher Vergleiche gezogenen Schlußfolgerungen), erweist sich schon aus obigen Erwägungen eine Erneuerung des Verfahrens gegen den Angeklagten A als unvermeidlich. Im nächsten Rechtsgang müßte je nach den Verfahrensergebnissen allenfalls auch auf eine (mögliche) Unterstellung des vermögensschädigenden Verhaltens des Angeklagten A unter den Tatbestand der fahrlässigen Krida Bedacht genommen werden. An einem von der Staatsanwaltschaft zutreffend geltend gemachten Begründungsmangel leidet aber auch der Freispruch der Angeklagten B vom Anklagevorwurf der Beitragstäterschaft zum Verbrechen des schweren Betruges (B/II): Das Erstgericht führte zwar aus, ein Bereicherungsvorsatz sei dieser Angeklagten nicht nachzuweisen (Bd. II S 111), wobei auch hier fraglich bleibt, ob es nicht etwa vom Tatbestandserfordernis einer Absichtlichkeit ausging (vgl. Bd. II S 101); ersichtlich folgte es hiebei der Verantwortung dieser Angeklagten auch dahin, mit der betrügerischen Herauslockung der von ihr tatsachenwidrig bei Kreditinstituten avisierten Beträge durch den Angeklagten A nicht gerechnet, sondern dessen Beteuerung Glauben geschenkt zu haben, daß durch ein vorzeitiges Aviso der Eingänge Zinsgewinne erzielt werden sollten (Bd. II S 64; vgl. Bd. I S 328, 333, 398; Bd. II S 15, 19). Mit dieser Verantwortung hätte sich das Erstgericht jedoch auseinandersetzen müssen; legt sie doch nahe, daß die Angeklagte B wenigstens die Leistung eines Beitrags zur Schädigung der getäuschten Kreditinstitute in Höhe des erhofften Zinsengewinnes, dem keine Zinsengutschrift seitens der Postsparkasse entsprochen hätte, ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden haben könnte. Angesichts des geringen Ausmaßes der Verzinsungsperioden einerseits und der beträchtlichen Höhe der avisierten Eingänge andererseits hätten solche Zinsenbeträge zwar nicht die Wertgrenze des § 147 Abs. 2 StGB erreicht, wären jedoch auch nicht völlig unerheblich gewesen. In Erfüllung seiner formellen Begründungspflicht hätte daher das Erstgericht darlegen müssen, aus welchen Gründen die Angeklagte B trotz ihres (damaligen) Berufes und ihres Bildungsgrades nicht bedacht haben sollte, daß dem vom Angeklagten A angeblich erhofften (ungerechtfertigten) Zinsengewinn eine Verringerung des Vermögens der Kreditinstitute um denselben Betrag entsprochen hätte. Der Hinweis des Erstgerichtes auf das Vertrauen der Angeklagten B zum Angeklagten A geht in diesem Zusammenhang schon darum fehl, weil B über den angeblichen Zinsengewinn ja gerade von A informiert worden sein soll. Dieser Begründungsmangel betrifft insofern eine entscheidende Tatsache, als die Angeklagte B im Fall der Annahme eines Vorsatzes, die unter A/II/2 und 3 angeführten Kreditinstitute durch Vortäuschung von Eingängen für den Angeklagten A um einen 5.000 S nicht übersteigenden Zinsenbetrag zu schädigen und diesen Angeklagten entsprechend zu bereichern, des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB (begangen unter Ausnützung einer Amtsstellung im Sinn des § 313 StGB) schuldig zu erkennen wäre.

Aus den angeführten Erwägungen waren daher die Freisprüche der beiden Angeklagten (neuerlich) zu kassieren; gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO mußte die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Gerichtshof erster Instanz verwiesen werden.

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E04879

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0110OS00124.84.1107.000

Dokumentnummer

JJT_19841107_OGH0002_0110OS00124_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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