TE OGH 1984/11/7 10Os182/84

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Veröffentlicht am 07.11.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. November 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bernardini, Dr.Friedrich, Dr.Lachner sowie Hon.Prof.Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Oswald A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs.1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.Mai 1984, GZ 1 b Vr 9836/83-64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem (auch andere Entscheidungen enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde Oswald A des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202

Abs.1 StGB schuldig erkannt; darnach liegt ihm zur Last, am 1. September 1983

in Wien Eveline B mit Gewalt und durch gefährliche Drohung vorsätzlich zum außerehelichen Beischlaf genötigt zu haben, indem er ihr ankündigte, wenn sie da jetzt nicht mitmache und nicht freundlich sei, dann passiere etwas, sie komme da nicht mehr raus, und indem er sie ferner an ihren Oberarmen ergriff, sie entkleidete und zweimal mit ihr einen Geschlechtsverkehr durchführte.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 281 Abs.1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil ist berechtigt.

Der Beschwerdeführer hat zwar zugegeben, das Tatopfer unter dem Vorwand, er sei Geschäftsmann und habe einen gut dotierten Werbeauftrag für ein Kosmetikprodukt zu vergeben, durch Winfried C, der sich dabei als Inhaber eines Fotoateliers und Mitarbeiter einer Werbeagentur ausgab, in seine Wohnung gelockt zu haben, in der er sich nur aus geschäftlichen Gründen aufzuhalten vorgab, doch hat er behauptet, B habe sodann im Sinn ihres schon vorher dem C gegenüber erklärten dementsprechenden Einverständnisses dem Geschlechtsverkehr mit ihm und mit seinem vorgeblichen Kompagnon Helmut D, den er telefonisch herbeigerufen habe, zugestimmt, nachdem er ihr zum Schein zugesagt gehabt habe, sie werde für diesen Fall den Vertrag und außerdem schon in einer halben Stunde (in dem im selben Haus etablierten Espresso) von C 50.000 S erhalten; der Nötigung zum Beischlaf bezichtigte sie ihn nur deshalb, weil sie in der Folge vergeblich auf das Geld gewartet habe.

Demgegenüber nahm das Schöffengericht, der Aussage der Zeugin B folgend, als erwiesen an, sie habe sich lediglich deswegen ohne nennenswerten Widerstand zu den Intimitäten bereitgefunden, weil sie vom Angeklagten - nachdem dieser erkannt hatte, die Täuschung werde nicht zum gewünschten Ziel führen - durch die eingangs bezeichneten drohenden Äußerungen und Handgreiflichkeiten soweit eingeschüchtert worden sei, daß sie befürchtet habe, er werde im Fall ihrer Weigerung gewalttätig werden.

Dabei schenkte es den Aussagen der Illustrationszeugen E und F, wonach sie von jenen (jeweils getrennt) mehrmals nach Art eines Callgirls gegen ein Honorar von 1.000 S zum Geschlechtsverkehr engagiert worden sei, insoweit keinen Glauben, als es (BS Darstellung gemäß) annahm, sie habe von den Genannten kein Geld genommen. Auch der Zeugin G glaubte es nicht, daß sich B, die dies entschieden bestritt, am Tatabend ab etwa 20,30 Uhr rund 20 Minuten bis eine halbe Stunde lang in dem zuvor erwähnten Espresso aufgehalten und dort anscheinend wirklich auf jemanden gewartet habe. Dem Gerhard H, dem damaligen Freund der Eveline B, der von ihrer Einladung zu einer Besprechung des ihr (zum Schein) angebotenen Werbevertrags informiert gewesen war, unterstellte es im gegebenen Zusammenhang, daß er ihren Anruf nach dem Verlassen der Wohnung des Beschwerdeführers gegen 20,30 Uhr infolge eines Hörfehlers dahin mißverstanden habe, daß sie noch nicht fertig sei, wogegen sie ihm (ihrer Aussage zufolge) in Wahrheit erklärt habe, sie sei jetzt fertig; seine und seiner Eltern weitere Bekundungen, daß B zu dem bei diesem Gespräch telefonisch verabredeten Zusammentreffen in einem Gasthaus erst zwischen 21,15 bis 21,30 Uhr und etwas vor 22 Uhr erschienen sei, hielt es für zu wenig präzise, um ihre Angaben, sie sei dort schon gegen 21 Uhr eingetroffen, in Frage zu stellen.

Widersprüche in der Schilderung des Tathergangs durch das Opfer führte das Erstgericht auf ein Verblassen von dessen Erinnerung zurück. Ungeachtet jener Divergenzen folgte es der (ersten) Tatversion der Belastungszeugin, derzufolge sie dem Geschlechtsverkehr nicht zugestimmt habe, sondern dazu genötigt worden sei, letztlich auch deshalb, weil sie darnach nicht vor dieser Zusammenkunft mit dem vermeintlichen Werbeagenten, sondern erst nach dem Vorfall Maßnahmen zur Schwangerschaftsverhütung getroffen habe. Außerdem sei ihre Darstellung situationsgemäß und von ihrem damaligen Manager I, dem sie am nächsten Tag bei der Fahrt zu einer Quiz-Veranstaltung von den Geschehnissen erzählt, sowie von der Psychotherapeutin Dr.J, die sie auf Anraten ihres Rechtsvertreters eine Woche später konsultiert hat, ebenfalls für glaubhaft befunden worden; daß sie sich bei der soeben erwähnten Veranstaltung nichts habe anmerken lassen, sei eine Frage der Selbstbeherrschung, ihr Zögern mit der (erst am zweitfolgenden Tag vorgenommenen) Anzeigeerstattung aber damit erklärt, daß sie befürchtet habe, bei der Polizei bloß peinlichen Fragen ausgesetzt zu sein.

Mit Recht reklamiert der Angeklagte in bezug auf mehrere Prämissen, aus denen das Schöffengericht bei der Prüfung der ihn belastenden Aussage der Zeugin B auf deren Glaubwürdigkeit geschlossen hatte, formelle Begründungsmängel des Urteils (Z 5).

Denn zum einen hat das Erstgericht in Ansehung der zwischen dem Anruf der genannten Zeugin bei H und ihrem Eintreffen im Gasthaus verstrichenen Zeitspanne - die es für Schlußfolgerungen dahin, ob B allenfalls tatsächlich während dieser Zeit im Espresso auf eine ihr zugesicherte Bezahlung gewartet haben könnte, als wesentlich ansah - diejenigen Bekundungen der Zeugen Gerhard H, Brigitte H und Ernst H mit Stillschweigen übergangen, wonach letztere im betreffenden Zeitraum nach dem Zurücklegen des Weges von der Wohnung in das Lokal und nach einer darauffolgenden halb- bis dreiviertelstündigen Wartezeit sogar schon gegessen hatten, ehe B erschien, wogegen diese doch dann, wenn sie (ihren eigenen Angaben entsprechend) wirklich bereits einige Minuten nach dem (aus einer öffentlichen Fernsprechzelle geführten) Telefonat mit einem zufällig vorbeigekommenen Taxi weggefahren wäre, bei einer von ihr selbst bekanntgegebenen Fahrzeit von rund einer Viertelstunde (vom 2. in den 3.Wiener Gemeindebezirk) schon wesentlich früher im Gasthaus eingetroffen sein müßte.

Im hier aktuellen Zusammenhang hat es sich außerdem in keiner Weise damit auseinandergesetzt, daß B bereits bei der Anzeigeerstattung, aber auch noch in der Hauptverhandlung und schon mit der Frage konfrontiert, ob sie sich nach dem inkriminierten Vorfall noch in dem besagten Espresso aufgehalten habe, den in Rede stehenden Gasthausbesuch mit ihrem Freund sowie dessen Eltern überhaupt verschwiegen und demgegenüber mehrmals mit Nachdruck behauptet hat, sie sei nach dem Verlassen der Wohnung des Beschwerdeführers gegen 20,30 Uhr - welches sie im übrigen später, mit den Bekundungen der Zeugen H über den Zeitpunkt ihres Anrufs indessen unvereinbar, auf 21 bis 21,15 Uhr zurückzuverlegen suchte - sogleich nach Hause gefahren.

Gleiches schließlich gilt für diejenigen Depositionen der Zeugin G, mit denen letztere - entgegen den Annahmen des Gerichtes, das bei ihr (lediglich) im Hinblick auf das Fehlen einer Erinnerung an die Kleidung der von ihr beschriebenen Espressobesucherin die Möglichkeit einer Personenverwechslung in Betracht zog - die Belastungszeugin im Gerichtssaal auf Grund ihrer auffallend langen 'schönen' Haare ohne jeden Vorbehalt persönlich identifiziert hat. Hätte das Schöffengericht auch alle diese Verfahrensergebnisse in den Kreis seiner Erwägungen miteinbezogen, dann hätte es unter Umständen nicht auszuschließen vermocht oder wäre es allenfalls sogar zur überzeugung gelangt, daß Eveline B nach dem Tatgeschehen doch auf eine ihr zugesicherte Bezahlung gewartet hat. Nach den Gesetzen der Logik von vornherein nicht nachvollziehbar aber ist jene überlegung, mit der es aus der Bekundung des Zeugen E, die Genannte habe (im Gegensatz zu den üblichen Gepflogenheiten von Prostituierten 'amateurhaft') nicht schon im voraus ihre Entlohnung verlangt, den Schluß zog, seine Darstellung gleichwie die des Zeugen F, daß sie sich jedenfalls - sei es auch nicht schon im vorhinein - pro Geschlechtsverkehr 1.000 S bezahlen ließ, sei überhaupt falsch; geht doch auch das weitere hiefür ins Treffen geführte Argument, der Angeklagte hätte nicht ein so umfangreiches Täuschungsmanöver aufziehen müssen, um dem 'gewünschten Ziel' näher zu kommen, wenn B wirklich der Geheimprostitution nachgegangen wäre, schon deswegen vollkommen fehl, weil aus der Art dieser Täuschung allein doch keineswegs seine Verantwortung widerlegt werden kann, es sei ihm hiebei lediglich darum gegangen, sich den Schandlohn zu ersparen. Mit Bezug auf die Relevanz der solcherart nur offenbar unzureichend begründeten Urteilsannahmen ist nun gewiß nicht von der Hand zu weisen, daß die Behauptung des Tatopfers, es sei mit Gewalt und/oder durch gefährliche Drohung zum Beischlaf genötigt worden, auch dann glaubwürdig sein kann, wenn es zur Tatzeit der Prostitution nachging (sowie dies wahrheitswidrig zu verbergen trachtet) und/oder wenn es ferner - unbeschadet der Abnötigung des Geschlechtsverkehrs - auf eine (vorher und/oder nachher) versprochene Gegenleistung hoffte (sowie auch das wahrheitswidrig bestreitet); auch darüber entscheidet das Gericht nicht nach gesetzlichen Beweisregeln, sondern nach seiner freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen überzeugung (§ 258 Abs.2 StPO).

Im vorliegenden Fall ist indessen das Erstgericht bei der Prüfung der den Tathergang betreffenden Darstellung der Belastungszeugin auf ihre Glaubwürdigkeit gar nicht von einer solchen Beweislage ausgegangen, sondern von der Annahme, B habe wahrheitsgemäß bestritten, sich jemals prostituiert und nach dem hier inkriminierten Vorfall auf eine Bezahlung gehofft zu haben; darüber hat es auf Antrag teils des öffentlichen Anklägers und teils der Verteidigung unter Vertagung der Hauptverhandlung nicht weniger als sieben Zeugen vernommen, deren Aussagen es einer eingehenden Würdigung unterzog: hieraus ist abzuleiten, daß es jenen Fragen - ungeachtet dessen, daß es bei der Beurteilung der Zeugenaussagen E, F und K in Klammern hinzufügte, letztere hätten 'im übrigen' schon deshalb für die Sache nichts Wesentliches angeben können, weil auch eine Geheimprostituierte zum Beischlaf genötigt werden könne - in bezug auf die Beweiskraft der (zudem nicht widerspruchsfreien) Aussage der Belastungszeugin sehr wohl eine maßgebende Bedeutung beimaß.

Die vom Beschwerdeführer insoweit zutreffend aufgezeigten Begründungsmängel des Urteils (Z 5) betreffen demnach in der Tat 'entscheidende Tatsachen' im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes und machen eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich, sodaß nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO), ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedarf.

Im zweiten Rechtsgang wird das Schöffengericht, falls es zur Annahme gelangen sollte, der Angeklagte könnte infolge des Nichterkennens eines ernstlichen Widerstands von Seiten der Eveline B der Meinung gewesen sein, sie sei auf Grund der ihr vorgetäuschten Zusage einer Gegenleistung - mit der er die Absicht verfolgte, ihr in ihrem Recht, im Rahmen der Gesetze in sexueller Hinsicht über ihren Körper frei zu verfügen, einen Schaden zuzufügen - mit dem Geschlechtsverkehr einverstanden, wogegen sich das Tatopfer in Wahrheit nicht täuschungsbedingt, sondern nur aus Angst dazu bereitgefunden habe, in rechtlicher Hinsicht auf die Möglichkeit einer versuchten Täuschung (§ 15, 108 Abs.1 StGB), allenfalls neben einer Nötigung zum Betreten des Wohnzimmers (§ 105 Abs.1 StGB), zu achten haben (vgl. JBl.1979, 100).

Im Tatsächlichen wird in diese Richtung hin insbesondere das Verhalten des Beschwerdeführers während des Vorfalls gegenüber D und nachher gegenüber B einer entsprechenden Würdigung zu unterziehen, ein allfälliges Ineinandergreifen von (diesfalls subsidiärer) Täuschung und Nötigung zum Beischlaf aber gegebenenfalls sorgfältig zu begründen sein.

Anmerkung

E04856

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0100OS00182.84.1107.000

Dokumentnummer

JJT_19841107_OGH0002_0100OS00182_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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