Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20.November 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bernardini (Berichterstatter), Dr.Friedrich, Dr.Lachner und Hon.Prof.Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Gurschler als Schriftführer in der Strafsache gegen Ewald A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs.1, 84 Abs.1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 29. Juni 1984, GZ 30 Vr 825/84-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Presslauer, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Walter zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 4 (vier) Jahre erhöht. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 36-jährige beschäftigungslose Ewald A der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs.1, 84
Abs.1 StGB (Pkt. I des Schuldspruchs) und der an drei Personen begangenen Körperverletzung nach § 83 Abs.1 StGB (Pkt. II 1 und 2) schuldig erkannt.
Nur gegen den Pkt. I, in dem ihm angelastet wird, am 25.März 1984 in Klagenfurt den Bernhard B durch Versetzen von Faustschlägen vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, wobei die Tat neben leichten Verletzungen eine an sich schwere Verletzung, nämlich einen Knochenbruch im Bereich des Oberkiefers links zur Folge hatte, richtet sich die vom Angeklagten aus der Z 5 und 10 des § 281 Abs.1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch Berechtigung nicht zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Zunächst versagt die Mängelrüge.
Den Beschwerdeausführungen zuwider hat sich das Erstgericht ohnedies eingehend mit der Aussage des Zeugen B auseinandergesetzt und eine Verwechslung des Angeklagten durch diesen Zeugen mit denkrichtiger und wirklichkeitsnaher Begründung ausgeschlossen. Dabei hat es nicht übergangen, daß der Zeuge eine Tätowierung am rechten Handrücken des Angeklagten - die er als kompaßähnlich bzw. als 'Art Windrose' bezeichnete, obzwar es sich dabei um ein Schiffssteuerrad handelt, dessen Speichen jedoch ohne weiteres mit den Markierungen einer Windrose zu verwechseln waren - nicht genau beschreiben konnte und auch erwähnt, daß der Zeuge bei der Polizei den Angeklagten, der sein Aussehen nach der Tat durch Abrasieren des Bartes und des Haupthaares stark verändert hatte, nach dem Vorzeigen der Lichtbilder von sieben 'zum Verwechseln ähnlichen' Personen mit 'Mongolenbart' spontan als Täter identifizierte. Was der Angeklagte diesbezüglich in der Beschwerde vorbringt, läuft demnach insgesamt bloß auf eine im Nichtigkeitsverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässige und daher unbeachtliche Bekämpfung der Beweiswürdigung hinaus.
Mit welchen Angaben des Zeugen Werner C sich das Erstgericht hätte auseinandersetzen müssen, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Mit der nicht weiter substantiierten Behauptung, es habe nur eine unzureichende Begründung dafür gegeben, warum es der Angabe des C nicht folgte, wonach sich der Angeklagte zur Tatzeit (bezüglich I) in seinem Einfamilienhaus befunden habe, setzt er sich schlichtweg über die eingehenden Urteilsgründe hinweg, in denen das Erstgericht unmißverständlich zum Ausdruck brachte, warum es den - in der Hauptverhandlung letztlich ohnedies gar nicht mehr aufrecht erhaltenen - ursprünglichen Angaben des Zeugen C über ein behauptetes Alibi des Angeklagten nicht gefolgt ist. Die gegen die Annahme der Qualifikation nach § 84 Abs.1 StGB aus der Z 10 erhobene Rechtsrüge, das Erstgericht habe irrig angenommen, daß die Verletzung des B schwer gewesen sei, weil dieser nicht behandelt worden und eine Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit von lediglich 10 Tagen vorgelegen sei, ist ebenfalls nicht zielführend. Ob eine an sich schwere Verletzung im Sinn des § 84 StGB vorliegt, ist - als Rechtsfrage - vom Gericht unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft zu entscheiden. Dabei kommt es weder auf die Dauer der Gesundheitsschädigung oder der Berufsunfähigkeit noch auf die Art der Behandlung an. Maßgeblich ist vielmehr die Erheblichkeit des dem Körper zugefügten Nachteils, wobei vor allem die Wichtigkeit des verletzten Organs oder Körperteils, die Schwere des Eingriffs, die Gefährlichkeit der Verletzung, die Möglichkeit weiterer Folgen und die Ungewißheit des Heilungsverlaufes zu berücksichtigen sind.
Vorliegend hat nun das Erstgericht die Verletzung des B, einen Knochenbruch im Bereich des Oberkiefers, in übereinstimmung mit dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr.D, als an sich schwere Verletzung beurteilt. Dagegen bestehen nach den aufgezeigten Kriterien - in Einklang mit Rechtslehre und Judikatur, wonach Knochenbrüche, von einzelnen, hier nicht zutreffenden Ausnahmsfällen abgesehen, in der Regel an sich schwere Verletzungen darstellen (Leukauf-Steininger 2 , RN 6 und 7 zu § 84 StGB) - keine Bedenken.
Der unbegründeten Beschwerde war sohin ein Erfolg zu versagen. Nur der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang bemerkt, daß die Rechtsrüge insoferne nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, als sie eine Behandlung des B überhaupt negiert und sich damit über die gegenteilige Feststellung des Erstgerichtes über dessen ambulant erfolgte Behandlung (S 176) hinwegsetzt.
Auf die vom Angeklagten selbst verfaßte, als Darstellung eines Nichtigkeitsgrundes anzusehende Eingabe (ON 28, aufrecht erhalten anläßlich seiner protokollarischen Befragung ON 31) war keine Rücksicht zu nehmen, weil diese nicht die Unterschrift eines berechtigten Verteidigers (§ 285 a Z 3 StPO) trägt und das Gesetz nur eine - einzige - Ausführung des Rechtsmittels der Nichtigkeitsbeschwerde, nämlich die vom Verteidiger verfaßte Rechtsmittelschrift kennt (vgl. Foregger-Serini 3 , Anm. I zu § 285 StPO mit Judikaturzitaten u.a.). Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 84 Abs.1 StGB zu achtzehn Monaten Freiheitsstrafe.
Bei der Strafbemessung wertete es die außerordentlich zahlreichen einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, den raschen Rückfall, das Zusammentreffen von einer schweren mit mehreren leichten Verletzungen und schließlich den Umstand, daß der Angeklagte, abgesehen vom Fall E (Faktum II 2) des weiteren auch drei ihm gänzlich unbekannte Personen völlig grundlos verletzt hatte, als erschwerend. Mildernd war ein Teilgeständnis des Angeklagten und der Umstand, daß der Angeklagte im Fall E vorher von diesem angegriffen wurde.
Gegen den Strafausspruch richten sich die Berufungen der Staatsanwaltschaft, die eine Straferhöhung anstrebt und des Angeklagten, der eine Herabsetzung des Strafmaßes begehrt. Der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu. Das Erstgericht hat zwar - wie beide Berufungswerber einräumen - die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig festgestellt, doch erscheint die über den Angeklagten verhängte Strafe angesichts des äußerst schweren Schuld- und Unrechtsgehaltes seiner Straftaten unter Berücksichtigung seiner - wie die Staatsanwaltschaft zutreffend darlegt - vollkommen verrohten Täterpersönlichkeit keineswegs angemessen.
Der Angeklagte weist insgesamt 26 Vorverurteilungen auf, von denen 22
wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten erfolgt sind. Er ist nach Verbüßung der letzten Strafe (am 7.März 1984) wiederum äußerst rasch - nämlich am 16. und 25.März sowie am 3.April 1984 - einschlägig rückfällig geworden und hat in dieser kurzen Zeit wiederum vier Personen - davon eine, nämlich Bernhard B, schwer - verletzt, wobei in drei Fällen die Aggressionshandlungen ohne irgendeine Veranlassung von anderer Seite, somit, wie das Erstgericht zutreffend feststellt, tatsächlich völlig grundlos von ihm ausgingen. Es erweist sich demnach - schon aus spezialpräventiven Gründen - als unbedingt erforderlich, über den Angeklagten, einen ersichtlich unverbesserlichen Aggressionstäter, eine empfindliche Freiheitsstrafe zu verhängen, um ihn - zum Schutz der Menschen in seiner Umgebung - von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.
Da die Straftaten eine gegenüber rechtlich geschützten Werten gänzlich ablehnende Einstellung des Angeklagten eindrucksvoll dokumentieren, mußte daher in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft die Strafe unter Ausnützung des durch die Anwendungsmöglichkeit des § 39 StGB erweiterten Strafrahmens des § 84 Abs.1 StGB beträchtlich - auf das aus dem Spruch ersichtliche Maß - angehoben werden.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte demgemäß auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E04967European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0100OS00176.84.1120.000Dokumentnummer
JJT_19841120_OGH0002_0100OS00176_8400000_000