TE OGH 1984/11/21 11Os169/84

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Veröffentlicht am 21.11.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.November 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter, Dr.Walenta, Dr.Schneider und Dr.Reisenleitner (Berichterstatter) als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Lengauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den § 15, 202 Abs.1 StGB über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengerichtes vom 21.September 1984, GZ 7 Vr 289/84-29, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwaltes Dr.Tschulik, und des Verteidigers Dr.Drahos, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die verhängte Freiheitsstrafe auf 4 (vier) Jahre herabgesetzt wird. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde der am 4. Mai 1936 geborene Johann A des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den § 15, 202

Abs.1 StGB schuldig erkannt und nach dem § 202 Abs.1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt; gemäß dem § 21

Abs.2 StGB wurde überdies die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Die gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wurde mit dem Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 7. November 1984, GZ 11 0s 169/84-5, in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe und die Aufhebung des Ausspruches über die Anstaltsunterbringung an.

Das Erstgericht wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorverurteilungen, als mildernd den Umstand, daß es beim Versuch blieb. Gestützt auf das eingeholte Sachverständigengutachten konstatierte das Erstgericht, daß der Angeklagte schwerwiegend seelisch-geistig abnorm, intellektuell unterbegabt bis zur Debilität ist und schwerwiegende Charakterveränderungen im Sinn einer Gemütsverarmung mit überhöhter Reizbarkeit, Erregbarkeit und völliger Unbeherrschtheit aufweist; bei ihm paart sich Sexualität mit Aggressivität, er ist infolge chronischen Alkoholmißbrauches ungebremst, sodaß es immer wieder zu gleichartigen Handlungen kommt, wobei neurotische Koppelungen bestehen. Auch die vorliegende Straftat beging er unter Einfluß seiner geistigen und seelischen Abartigkeit.

Es ist zu befürchten, daß er wegen seiner Abartigkeit weiterhin mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, nämlich Notzuchtsakte und dergleichen, verüben werde.

Von diesen Konstatierungen ausgehend, ordnete das Erstgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß dem § 21 Abs.2 StGB an.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung des Angeklagten kommt Berechtigung zu, soweit sie sich gegen das Strafmaß wendet.

Zwar trifft die Berufungsbehauptung nicht zu, die Zeugin B sei überhaupt nicht 'verletzt' worden; der Angeklagte riß ihr nämlich ein Büschel Haare aus.

Die Alkoholisierung wirkt hier nicht mildernd, denn der Angeklagte ist dem Alkoholmißbrauch ergeben und gerade im alkoholisierten Zustand wird, wie die Vorstrafakten zeigen, seine Aggressivität im besonderen Maß ausgelöst. Die durch Alkoholisierung bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit wird somit durch den Vorwurf aufgehoben, den der Alkoholgenuß den Umständen nach begründet (§ 35 StGB).

Nicht berücksichtigt wurde jedoch - worauf der Vertreter der Generalprokuratur sowie der Verteidiger im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zutreffend hinwiesen - die beim Angeklagten auch außerhalb eines alkoholbeeinträchtigten Zustandes verminderte Diskretionsfähigkeit.

Dieser zusätzliche Milderungsgrund im Zusammenhalt mit dem Umstand, daß die Tat beim Versuch blieb, lassen es trotz der schwerwiegenden einschlägigen Vorstrafen nicht gerechtfertigt erscheinen, die Strafe mit der Obergrenze des gesetzlichen Strafrahmens festzusetzen, wie es das Erstgericht tat. Wohl steht der verminderten Diskretionsfähigkeit die eben dadurch bedingte erhöhte Gefährlichkeit des Täters gegenüber, doch wird ihr im vorliegenden Fall (auch) durch die angeordnete Maßnahme gemäß dem § 21 Abs.2 StGB begegnet, die so lange zu dauern hat, als die Abartigkeit des Angeklagten besteht.

Unberechtigt ist die Berufung gegen die Anordnung der Anstaltsunterbringung gemäß dem § 21 Abs.2 StGB Entgegen dem - zum Teil in den Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde enthaltenen, jedoch auch insoweit als Berufung zu behandelnden - Vorbringen des Angeklagten stellte das Erstgericht fest, welche spezifische Abartigkeit beim Angeklagten vorliegt. Das Urteil ist auch keineswegs widersprüchlich, wenn es einerseits feststellt, daß der Angeklagte weder geisteskrank noch geistesschwach ist, anderseits aber eine geistige und seelische Abartigkeit höheren Grades bejaht. Gerade auch auf eine solche Konstellation stellt die Bestimmung des § 21 Abs.2 StGB ab. Welche Mängel dem Gutachten des beigezogenen Sachverständigen Dr.C anhaften sollen, wird mit der allgemein gehaltenen Behauptung, das Gutachten sei 'äußerst mangelhaft' und die Untersuchung sei 'äußerst oberflächlich' durchgeführt worden, nicht dargetan, insbesondere auch keiner der Gründe der § 125 oder 126 StPO behauptet.

Unzutreffend ist die Berufungsbehauptung, das Erstgericht sei 'mit keinem Wort auf die angebliche Gefährlichkeitsprognose eingegangen'. Das Erstgericht konstatierte vielmehr, es bestehe die Befürchtung, daß der Angeklagte wegen seiner Abartigkeit weiterhin mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, nämlich Notzuchtsakte und ähnliche Taten, verüben werde.

Die Berufungsbehauptung, der Angeklagte sei bisher lediglich einmal wegen eines Sexualdeliktes verurteilt worden, ist aktenwidrig: Nicht nur die Vorstrafe wegen des Verbrechens der versuchten Notzucht nach den § 8, 125

StG 1945 (Punkt 10 der Strafregisterauskunft) betrifft ein Sexualdelikt, sondern auch die zu den Punkten 6, 7 und 11 der Strafregisterauskunft vermerkten Vorstrafen, denen aus sexuellen Beweggründen verübte Angriffe auf Frauen zugrunde lagen. Nach den Verfahrensergebnissen sind beim Angeklagten sämtliche Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß dem § 21 Abs.2 StGB gegeben. Der gegen die Anstaltsunterbringung gerichteten Berufung des Angeklagten war darum ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04887

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0110OS00169.84.1121.000

Dokumentnummer

JJT_19841121_OGH0002_0110OS00169_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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