TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/9 2005/21/0067

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Veröffentlicht am 09.06.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §1;
AVG §6;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §47 Abs3 Z2;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs2 Z1;
FrG 1997 §94 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2005/21/0068

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerden 1. des R, und

2. der A, beide vertreten durch Dr. Georg Schober, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 10, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 16. Dezember 2004, Zlen. (ad 1.) 313.989/4-III/4/04 und (ad 2.) 313.989/3-III/4/04, betreffend Niederlassungsbewilligungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern jeweils EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die minderjährigen Beschwerdeführer, beide Staatsangehörige von Serbien und Montenegro, sind Geschwister und stammen aus dem Kosovo, wo ihr Vater lebt. Für beide Beschwerdeführer wurden am 21. September 2003 Erstanträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft, § 20 Abs. 1 FrG" mit ihrer in Österreich lebenden Mutter gestellt.

Mit Bescheiden jeweils vom 5. Jänner 2004 wies die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt die Anträge der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 FrG im Namen des Landeshauptmannes von Niederösterreich ab. Nach der Begründung beider gleich lautender Erstbescheide sei für die Beschwerdeführer aus dem Umstand, dass ihr Großvater mütterlicherseits österreichischer Staatsbürger sei, nichts zu gewinnen, weil ihre 1973 geborene Mutter - diese sei vom Großvater der Beschwerdeführer nicht mehr wirtschaftlich abhängig, sondern sorge selbst für ihren Lebensunterhalt - nicht als begünstigte Drittstaatsangehörige anzusehen sei. Das Einkommen der Mutter reiche jedoch zur Bestreitung des Unterhalts der Familie nicht aus, sodass der Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte.

Die gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen wurden mit den angefochtenen Bescheiden gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen. Beide Bescheide begründete die belangte Behörde damit, dass das Familieneinkommen "für eine vierköpfige Familie" nicht ausreichend sei. Konkret stellte sie dazu fest, dass die Mutter der Beschwerdeführer in Österreich beschäftigt sei und nach dem vorgelegten Einkommensnachweis über ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 843,70 verfüge, dem ein monatlicher Mindestbedarf, berechnet für vier Personen nach den Sozialhilferichtsätzen des Bundeslandes Niederösterreich, von EUR 1.253,-- gegenüber stehe. Auch nach Ansicht der belangten Behörde sei für die Beschwerdeführer aus dem Umstand, dass ihr Großvater mütterlicherseits österreichischer Staatsangehöriger sei, nichts zu gewinnen. Einerseits komme nämlich der Mutter der Beschwerdeführer deshalb noch nicht die Stellung einer begünstigten Drittstaatsangehörigen zu. Andererseits sei auch die Verpflichtungserklärung des Großvaters gemäß § 10 Abs. 3 (letzter Satz) FrG nicht zur Beurteilung bzw. Erhöhung des von der Mutter der Beschwerdeführer erwirtschafteten Familieneinkommens heranzuziehen. Auch bei Beurteilung der Anträge der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 Abs. 2 EMRK komme man zu keinem anderen Ergebnis. Zwar bestünden durch den Aufenthalt der Mutter in Österreich "unabsprechbare" familiäre Bindungen zum Bundesgebiet, denen jedoch die "absolute Priorität" genießenden öffentlichen Interessen gegenüber stünden.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die beiden vorliegenden Beschwerdefälle gleichen sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht jenem Beschwerdefall, der dem hg. Erkenntnis vom 17. März 2000, Zl. 99/19/0215, zugrunde lag. Aus den Entscheidungsgründen des zitierten Erkenntnisses (vgl. auch das dort angeführte Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 98/19/0228), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zählen auch gegenständlich die Beschwerdeführer zu dem im § 47 Abs. 3 Z 2 und § 49 Abs. 1 erster Satz FrG umschriebenen Personenkreis, denen Niederlassungsfreiheit zukommt. Sachlich zuständige Erstbehörde zur Entscheidung über die genannten Anträge war daher auch in den vorliegenden Beschwerdefällen die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde (Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt) und nicht, was von der belangten Behörde übersehen wurde, der Landeshauptmann von Niederösterreich, in dessen Namen die Erstbehörde entschieden hat.

Bei diesem Ergebnis ist auf das (zutreffende) Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe die Frage ausreichender eigener Mittel der Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter mehreren Gesichtspunkten falsch beurteilt (vgl. einerseits hinsichtlich zu beachtender Einkommensbestandteile etwa das Erkenntnis vom 3. Dezember 1999, Zl. 99/19/0094, und andererseits zur Berücksichtigung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen das Erkenntnis vom 7. Juli 2000, Zl. 99/19/0228, bzw. zu Unterhaltsansprüchen konkret gegenüber Großeltern das Erkenntnis vom 11. September 1998, Zl. 96/19/1671), nicht weiter einzugehen.

Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 9. Juni 2005

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Diverses Besondere Rechtsgebiete Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Instanzenzug Änderung der Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005210067.X00

Im RIS seit

30.06.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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