TE OGH 1984/12/11 10Os181/84

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Veröffentlicht am 11.12.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bernardini (Berichterstatter), Dr.Friedrich, Dr.Lachner und Hon.Prof.Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Gurschler als Schriftführer in der Strafsache gegen Richard A wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143 (zweiter Fall) StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht St.Pölten vom 21.August 1984, GZ 24 Vr 173/84-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Knob, des Angeklagten und des Verteidigers Rechtsanwalt Dr.Eduard Pranz zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahingehend Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 2 (zwei) Jahre herabgesetzt wird.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11.Juli 1954 geborene Kraftfahrzeugmechanikergeselle Richard A auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen 1./ des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143

(zweiter Fall) StGB und 2./ des Verbrechens des Zwanges zur Unzucht nach § 203 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 7.Jänner 1984 (nach 19 Uhr auf dem Gelände eines Schotterwerkes) in St. Leonhard am Forst 1./ dadurch, daß er eine ungeladene Luftdruckpistole gegen Ottilie R*** richtete, sagte: 'Jetzt müßt ihr machen, was ich will, sonst ballere ich euch nieder...' und die Genannte aufforderte, ihr Geld in das Handschuhfach seines PKWs zu legen, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, der Ottilie B eine fremde bewegliche Sache, nämlich 175 S Bargeld, mit dem Vorsatz abnötigte, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte; 2./ Ottilie B durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem er eine Luftdruckpistole gegen ihre Schläfe richtete und abdrückte, Anstalten machte, die Waffe zu laden und Ottilie B aufforderte, ihren Oberkörper freizumachen, widerstandsunfähig machte und in diesem Zustand durch Betasten ihrer Brüste, sowie dadurch, daß er sie zwang, an ihm 'onanistische' Handlungen vorzunehmen, zur Unzucht mißbrauchte.

Die Geschwornen hatten die (im Sinne dieses Schuldspruches an sie gerichteten) Hauptfragen I und II stimmeneinhellig bejaht und die ihnen nur für den Fall der Bejahung der Hauptfrage I unter Ausklammerung der Verwendung einer Waffe vorgelegte Zusatzfrage nach Vorliegen der Voraussetzungen eines minderschweren Raubes im Sinne des § 142 Abs 2 StGB (mit geringerer Strafdrohung) folgerichtig unbeantwortet gelassen.

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde aus der Z 8 und 12 des § 345 Abs 1 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Den ersterwähnten Nichtigkeitsgrund macht er zunächst deshalb geltend, weil den Geschwornen eine unrichtige und unvollständige Rechtsbelehrung zum Waffenbegriff des § 143 StGB erteilt worden sei. Insbesondere sei eine Belehrung über die Ausnahmebestimmung des § 30 Abs 1 Z 3 WaffG unterblieben, obwohl die vom Angeklagten verwendete ungeladene Luftdruckpistole das Kaliber 4,5 mm aufgewiesen habe, sodaß darauf die Vorschriften des Waffengesetzes (richtig: mit Ausnahme jener der § 11 bis 14) nicht anzuwenden seien. überhaupt befasse sich die Rechtsbelehrung mit allen möglichen Waffen, nicht aber mit der - hier entscheidenden - Frage, ob eine ungeladene Luftdruckpistole mit einem Kaliber von 4,5 mm als Waffe im Sinne des § 143

StGB anzusehen ist oder nicht. Die Rechtsbelehrung hätte nach Ansicht des Beschwerdeführers zum Ausdruck bringen müssen, daß eine ungeladene Luftdruckpistole, für die auch keine Munition zur Verfügung stehe, einer Attrappe gleichzusetzen sei und daß sie - wenn das Opfer (wie im vorliegenden Fall) erkenne, daß es sich nur um eine Luftdruckpistole handle - auch nicht als Mittel einer qualifizierten Drohung angesehen werden könne.

An der Ansicht festhaltend, daß eine ungeladene Luftdruckpistole nicht als Waffe im Sinne des § 143 StGB zu qualifizieren sei, vermeint der Beschwerdeführer unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes des § 345 Abs 1 Z 12

StPO des weiteren, die ihm angelastete Tat hätte, da sie ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen worden sei und nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen habe, nur als minderschwerer Raub im Sinne des § 142 Abs 2 StGB beurteilt werden dürfen.

Die Beschwerde ist jedoch in beiden Richtungen hin unzutreffend. Die in der Rechtsbelehrung enthaltenen Erläuterungen betreffend den Waffenbegriff des § 143 StGB entsprechen dem Gesetz. Auf den konkreten Sachverhalt war darin nicht einzugehen, weil ein Hinweis auf die Beweisergebnisse nur Gegenstand der im Anschluß an die Rechtsbelehrung gemäß § 323 Abs 2 StPO stattfindenden Besprechung sein kann (vgl. auch Foregger-Serini, StPO 3 , Erl. II zu § 321 und die dort zitierte Judikatur).

Insbesondere wird in der Rechtsbelehrung zutreffend darauf hingewiesen, daß auch eine ungeladene Schußwaffe als Waffe im Sinne des zweiten Falles des § 143 StGB Verwendung finden kann (SSt. 49/45 = verstärkter Senat, RZ 1983/51 u.a.). Dem Einwand der Beschwerde, eine ungeladene Luftdruckpistole mit dem Kaliber 4,5 mm müsse einer (nicht als 'Waffe' im Sinne des § 143 StGB zu beurteilenden) 'Attrappe' gleichgesetzt werden, stehen hingegen schon die Begriffsbestimmungen des Waffengesetzes (§ 1 WaffG: Waffe im technischen Sinn; § 2 WaffG: Schußwaffe) entgegen, wobei es für die Beurteilung der Tat unter dem Gesichtspunkt des § 143 zweiter Fall StGB ohne Bedeutung ist, ob die Waffe unter die Ausnahmebestimmungen der § 30 bis 33 WaffG fällt (vgl. 12 0s 164/82). Diese (insbesondere § 30 Abs 1 Z 3 WaffG) mußten daher in der Rechtsbelehrung nicht erwähnt werden.

Ohne Belang ist ferner, ob die Bedrohte - von der nicht einmal der Beschwerdeführer behauptet, sie habe die Luftdruckpistole als ungefährlich beurteilt oder um deren ungeladenen Zustand gewußt - die auf sie gerichtete Waffe (ihrer Art nach) als Luftdruckpistole erkannte. Denn die für die strengere Strafdrohung des § 143 zweiter Fall StGB maßgebende Eignung eines Gegenstands, als Waffe - und damit als Mittel der Drohung (mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) - verwendet zu werden, kommt durchaus auch einer vom Opfer als solche erkannten Luftdruckpistole zu (vgl. neuerlich RZ 1983/51 u. a.).

Mithin kann weder von einer Unrichtigkeit des den Waffenbegriff des § 143 StGB betreffenden Teiles der Rechtsbelehrung noch davon die Rede sein, daß dem Schwurgerichtshof ein Rechtsirrtum (§ 345 Abs 1 Z 12 StPO) unterlaufen wäre, wenn er auf der Basis der Tatsachenfeststellungen im bezüglichen Wahrspruch die Qualifikation des § 143 zweiter Fall StGB (und nicht das Vorliegen eines minderschweren Raubes im Sinne des § 143 Abs 2

StGB) annahm.

Desgleichen vermag der Beschwerdeführer eine Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 8 StPO auch nicht mit der Behauptung aufzuzeigen, daß den über die Möglichkeit bedingter Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB unbestritten richtig belehrten Geschwornen durch den sodann folgenden Satz 'Eine Strafe von mehr als zwei Jahren ist unter den Voraussetzungen obiger Ausführungen bedingt nachzusehen, wenn aus besonderen Gründen Gewähr dafür geboten ist, daß der Rechtsbrecher keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde' eine unrichtige Rechtsbelehrung erteilt worden sei.

Denn nach einem aufklärenden Bericht des Vorsitzenden bei der Aktenvorlage (S 179) ist zwar in einer der beiden Ausfertigungen der schriftlichen Rechtsbelehrung, die den Geschwornen übergeben wurden, in der Tat die in der anderen ohnehin vorgenommene Korrektur des mit der Beschwerde relevierten sinnstörenden Schreibfehlers dahin, daß die gerügte Erläuterung den Fall einer 'Strafe von nicht mehr als zwei Jahren' betrifft, versehentlich unterblieben;

die Laienrichter wurden jedoch im Sinne dieser Berichtigung auch mündlich richtig belehrt und haben diese Belehrung tatsächlich so, also richtig, verstanden (§ 323 Abs 1 und Abs 3 StPO): im Hinblick auf die damit objektivierte - dem Beschwerdeführer bei der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde noch nicht bekannt gewesene - teils schriftliche und teils mündliche Korrektur des in Rede stehenden Schreibfehlers kann von einer Unrichtigkeit der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung auch in diesem Belang keine Rede sein.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 28 Abs 1, 41

Abs 1 Z 3, 143 erster Strafsatz StGB zu vier Jahren Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen sowie die länger andauernden intensiven Drohungen, wobei der Angeklagte die ungeladene Waffe abgedrückt hat, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel, den geringen Wert des geraubten Gutes und die Schadensgutmachung, das umfassende reumütige Geständnis und den Umstand, daß Ottilie B durch die Tathandlungen offensichtlich keinen bleibenden Schaden erlitten hat.

Das Erstgericht ging von einem beträchtlichen überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe und des weiteren in spezialpräventiver Hinsicht von der Annahme aus, daß der Angeklagte auch bei der Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Strafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Es erachtete daher die Voraussetzungen für die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 41 StGB für gegeben.

Der Berufung des Angeklagten, die auf Herabsetzung des Strafmaßes (auf höchstens ein Jahr, allenfalls auf nicht mehr als 2 Jahre) und (demgemäß) des weiteren auf die Gewährung bedingter Strafnachsicht nach § 43 - sei es Abs 1

oder Abs 2 - StGB gerichtet ist, kommt teilweise Berechtigung zu. In Ansehung der Feststellung der Strafzumessungsgründe vermag der Angeklagte allerdings nichts Stichhältiges vorzubringen. Das Erstgericht hat nämlich die für die Strafzumessung relevanten Umstände zutreffend und vollständig erhoben. Insbesondere vermag der Oberste Gerichtshof nicht den gegen die Person des Opfers, Ottilie B und gegen deren - entgegen den Berufungsausführungen nicht 'noch jüngere', sondern vielmehr sogar etwas ältere - Begleiterin Sandra C polemisierenden Berufungsausführungen (wonach die Mädchen des öfteren Diskotheken besuchten und für deren Besuch entsprechend gekleidet gewesen seien) beizutreten. Der Angeklagte hat die beiden in Wieselburg wohnhaften und auf dem Heimweg befindlichen Mädchen um 19 Uhr auf der Straße - gezielt unter Bezugnahme auf eine vorgebliche Bekanntschaft mit den Eltern der B - angesprochen und ihnen angeboten, sie mit seinem PKW heimzubringen. Bei dieser aktenkundigen Sachlage ist aber für die Annahme etwa eines herausfordernden oder gar provozierenden Benehmens der beiden Mädchen - von denen eines zudem ein Bein im Gipsverband hatte - kein Raum. Fehl geht auch der weitere Hinweis in der Berufung, die beiden Mädchen hätten gescherzt und gesungen, zumal diese nach ihren Angaben lediglich bestrebt waren, den mit Gewalttätigkeiten drohenden Angeklagten auch dadurch bei guter Laune zu halten.

Esist daher bei der überprüfung der Straffrage von den vom Erstgericht zutreffend erhobenen Strafzumessungsgründen auszugehen. Bei deren Würdigung ist jedoch den Milderungsgründen erheblich mehr Gewicht zuzubilligen als ihnen durch das Erstgericht beigelegt wurde. Hier kommt vor allem dem Umstand, daß der voll geständige, zur Tatzeit immerhin bereits nahezu 30 Jahre alte Angeklagte bis dahin einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat, sowie des weiteren, daß die Straftaten in einem besonders auffallenden Widerspruch zu seinem sonstigen Verhalten stehen, sehr gewichtige Bedeutung zu. Im übrigen kann auch nicht übersehen werden, daß die Raubtat insoferne eher atypisch gelagert ist, als beim Angeklagten zwar Bereicherungsvorsatz gegeben war, der aber doch hinter einer - auch vom gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr.D betonten - zur Schau getragenen besonderen Männlichkeit (S 105) zurücktrat. So gesehen aber erweist sich das Ausmaß der über den Angeklagten - wenngleich zutreffend bereits unter Gewährung einer außerordentlichen Strafmilderung - verhängten Freiheitsstrafe überhöht. Diese war daher auf das aus dem Spruch ersichtliche Maß herabzusetzen.

Unbegründet ist hingegen die Berufung in Ansehung der weiters begehrten bedingten Strafnachsicht. Diese kann vor allem wegen der Art der Straftaten und des Grades der Schuld angesichts des längere Zeit andauernden qualvollen Zustandes, in welchen die beiden Mädchen durch den Angeklagten versetzt worden waren, sowie die Todesangst, die er dadurch bei ihnen bewirkte, nicht in Betracht gezogen werden. Schon deshalb fehlt es an den Voraussetzungen im Sinne des § 43 StGB; daß die weiteren im Gesetz aufgezählten Voraussetzungen vor allem in spezialpräventiver Hinsicht dieser Rechtswohltat an sich nicht entgegenstehen würden, vermag daran nichts zu ändern. Insoferne mußte der Berufung daher ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E04978

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0100OS00181.84.1211.000

Dokumentnummer

JJT_19841211_OGH0002_0100OS00181_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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