Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 1984 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Obauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr.Horak, Dr.Reisenleitner (Berichterstatter) und Dr.Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Hardegg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hans Dieter A und Josef B wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs.1, Abs.2 Z 1, 128 Abs.1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130
sowie 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten Hans Dieter A und die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 27.August 1984, GZ 23 Vr 248/84-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kodek, und des Verteidigers Dr.Edelmann, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung des Angeklagten A wird nicht Folge gegeben. Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und das erstgerichtliche Urteil dahin ergänzt, daß gemäß § 26 Abs.1 StGB die sichergestellten Spezialwerkzeuge zum Nachsperren von Zylinderschlössern sowie die Derringer-Pistole samt Patronen eingezogen werden.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten A und B auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem bekämpften Urteil wurden der am 18.Oktober 1947 geborene Hans Dieter A des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen (richtig: gewerbsmäßigen schweren) Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs.1, Abs.2 Z 1, 128 Abs.1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130
sowie 15 StGB und des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135
Abs.1 StGB und der am 20.Oktober 1952 geborene Josef B des Verbrechens des versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs.1, Abs.2 Z 1, 128 Abs.1 Z 4, 129 Z 1 StGB, des Vergehens nach § 36 Abs.1 lit.a WaffenG und des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198
Abs.1 StGB schuldig erkannt. Der Angeklagte A wurde nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Jahren verurteilt; gemäß § 23 Abs.1 StGB wurde überdies seine Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter angeordnet.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht beim Angeklagten A als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, einen überaus raschen Rückfall, die mehrfache Verbrechensqualifikation und die Wiederholung der Straftaten während eines anhängigen Strafverfahrens, als mildernd ein Teilgeständnis, eine Teilschadensgutmachung von 260 S, der allerdings ein Beuteerlös von etwa 86.000 S und ein angerichteter Sachschade von etwa 11.000 S gegenübersteht, und den Umstand, daß es teilweise beim Versuch blieb.
Zur Anstaltsunterbringung führte das Erstgericht aus, daß wegen des Hanges des Angeklagten A zu strafbaren Handlungen (zu Geschäftseinbrüchen) zu befürchten sei, daß er ohne Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter weiterhin strafbare Handlungen mit schweren Folgen begehen werde, nämlich Geschäftseinbrüche, auf die er spezialisiert ist.
Die gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A wurde mit dem in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 20.November 1984, GZ 9 0s 177/84-5, zurückgewiesen.
Der Angeklagte A wendet sich mit seiner Berufung gegen die Dauer der über ihn verhängten Freiheitsstrafe sowie gegen die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter. Die Staatsanwaltschaft, die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet hatte (S 274), wendet sich unter gleichzeitiger Zurückziehung der Nichtigkeitsbeschwerde (S 3 f) mit Berufung gegen das Unterbleiben eines Ausspruches über die Einziehung der vom Angeklagten A bei den Geschäftseinbrüchen verwendeten Spezialwerkzeuge (zum Nachsperren von Zylinderschlössern) und der vom Angeklagten B unbefugt besessenen und geführten Pistole (samt Munition).
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung des Angeklagten A kommt keine Berechtigung zu. Die Strafzumessungsgründe wurden vom Erstgericht vollständig erfaßt. Die Berufung des Angeklagten A vermag auch keine zusätzlichen, diesem Angeklagten zugutekommenden Milderungsgründe aufzuzeigen. Die Strafzumessungsgründe wurden vom Erstgericht auch durchaus zutreffend gewertet. Die verhängte Freiheitsstrafe entspricht dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schuld des Täters. Der Hinweis der Berufung, daß zufolge der Maßnahme nach § 23 Abs.1 StGB dem Angeklagten 'ohnedies ein Freiheitsentzug längerer Dauer' bevorstehe, übergeht, daß die Notwendigkeit dieser Maßnahme noch einer erneuten Prüfung anläßlich des Endes der Freiheitsstrafe unterliegt (§ 24 Abs.2 StGB).
Soweit die Anordnung der Maßnahme nach § 23 Abs.1 StGB vom Angeklagten A im Rahmen der Ausführungen seiner Nichtigkeitsbeschwerde (zur Z 11 des § 281 Abs.1 StPO) bekämpft werden, stellt sich dieses Vorbringen - wie bereits bei Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde im Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 20.November 1984 dargetan wurde - als Berufungsausführung dar. Die insoweit verfehlte Bezeichnung des Rechtsmittels schadet aber nicht, weil vom Angeklagten A uneingeschränkt (auch) Berufung angemeldet worden war (S 274).
Diese Ausführungen, auf die in der Berufung verwiesen wird und die dort zum Teil ergänzt werden, gehen indes fehl:
Geschäftseinbrüche der vom Angeklagten A unternommenen Art sind entgegen der Meinung der Berufung strafbare Handlungen mit schweren Folgen.
Dies wurde vom Obersten Gerichtshof nicht nur in der vom Rechtsmittelwerber zitierten Entscheidung ÖJZ-LSK 1975/195 zum Ausdruck gebracht, sondern seither wiederholt ausgesprochen, daß auch Vermögensdelikte unter diesen Begriff fallen können, wobei es insbesondere nicht so sehr auf den Umfang der Diebsbeute als vielmehr auf die Gefährlichkeit der Art des Diebstahls entscheidend ankommt (so etwa 9 0s 144/77 u.a.). So gesehen bleibt es auch ohne spezifische Bedeutung, daß im vorliegenden Fall der Wert der Beute die Grenze von 100.000 S (noch nicht) erreichte (wobei nicht außer acht zu lassen ist, daß die diebischen Angriffe des Rechtsmittelwerbers in einer Reihe von Fakten im Versuchsstadium blieben). Jedenfalls kann die vom Angeklagten A verfochtene Ansicht nicht geteilt werden, ein 'Verhältnismäßigkeitsgrundsatz' verbiete im Vergleich zu Mördern, Totschlägern oder bewaffneten Räubern die Anordnung der Maßnahme nach § 23 Abs.1 StGB im Fall eines 'gewaltlos handelnden Einbrechers'. Die Argumentation, die Schäden aus derartigen (serienmäßig verübten) Einbruchsdiebstählen würden durch überwälzung auf Grund von Versicherungsverträgen von 'wirtschaftlich potenten Versicherungsunternehmen' getragen werden und daher nicht von Opfern, 'denen es besonders schlecht geht', stellt willkürlich auf einen Punkt der wirtschaftlichen Auswirkungen derartiger Taten ab und übergeht, daß Versicherungsunternehmen derartige Auswirkungen regelmäßig durch entsprechende Versicherungsprämien wieder auf Versicherungsnehmer überwälzen, die sich ungeachtet ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Potenz auf derartige Verträge einlassen müssen, wenn sie sich nicht der Gefahr aussetzen wollen, allenfalls durch die Auswirkungen eines Geschäftseinbruches ruiniert zu werden. Die Urteilskonstatierung des Erstgerichtes, daß der Angeklagte A wegen seines Hanges zu strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen - speziell zu Geschäftseinbrüchen - befürchten läßt, daß er weiterhin solche strafbaren Handlungen, insbesondere Geschäftseinbrüche, begehen werde, wurde vom Schöffengericht (zureichend und denkmöglich) auf das Gutachten des vernommenen Sachverständigen, auf das (negativ geprägte) Vorleben des Angeklagten A und die Tatsache des überaus raschen Rückfalls gestützt. Dagegen vermag die Berufung nichts Entscheidendes vorzubringen. Der Hinweis auf ein im Jahr 1978
erstattetes Gutachten krankt allein schon daran, daß in diesem die Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten A in den letzten Jahren notwendigerweise noch nicht berücksichtigt werden konnte. Eine generelle Bezweiflung der Möglichkeiten eines 'wissenschaftlichen Prognoseverfahrens' ist keine fallbezogene Argumentation, auf die eingegangen werden könnte.
Der Berufung des Angeklagten A war aus diesen Erwägungen ein Erfolg
zu versagen.
Im Recht ist die Berufung der Anklagebehörde.
Die Staatsanwaltschaft meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (S 274). Zugleich mit der Ausführung der gegen das Unterbleiben eines Einziehungserkenntnisses nach § 26 Abs.1 StGB gerichteten Berufung gab sie die Erklärung ab, die angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuziehen (S 3 f).
Durch die Judikatur (siehe hiezu insbesondere RZ 1977/21 = ÖJZ-LSK 1977/14) wurde klargestellt, daß in bezug auf ein Einziehungserkenntnis als Teil eines Ausspruches über die Strafe nicht nur Berufung zulässig ist, deren § 443 Abs.2 StPO ausdrücklich gedenkt, sondern überdies (dann) Nichtigkeitsbeschwerde, wenn durch ein Einziehungserkenntnis die Strafbefugnis überschritten wird (§ 281 Abs.1 Z 11 StPO). Zufolge des Verzichtes auf die Ausführung einer Nichtigkeitsbeschwerde wäre daher die Anklagebehörde nicht berechtigt, im vorliegenden Fall einen Nichtigkeitsgrund zum Unterbleiben des Einziehungserkenntnisses geltend zu machen. Nichtig in der Bedeutung der Z 11 des § 281 Abs.1 StPO wäre die Einziehung in einem Fall, in welchem sie nach dem Gesetz unzulässig ist (vgl. erneut RZ 1977/21), also die Einziehung einer Sache, die der Täter weder zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendete, noch von ihm dazu bestimmt worden war, bei der Begehung dieser Handlung verwendet zu werden, noch durch diese Handlung hervorgebracht wurde. Umgekehrt wäre das Unterbleiben eines Einziehungsausspruches dann mit Nichtigkeit behaftet, wenn es aus der unrichtigen Lösung der Frage geschah, ob es sich bei den Gegenständen um instrumenta vel producta sceleris handelte. Diese Frage aber wurde vom Erstgericht an sich behandelt, der - insoweit durch keine widerstreitenden Beweisergebnisse in Zweifel gesetzten - Aktenlage entsprechende Feststellungen getroffen und damit diese Frage gelöst:
Konstatiert wurde nämlich, daß die vom Angeklagten A speziell zur Nachsperre von Zylinderschlössern angefertigten Werkzeuge (von ihm als 'Bestecke' bezeichnet) durchwegs zur Ausführung der von ihm - zum Teil mit dem Mitangeklagten - verübten vollendeten oder versuchten Einbruchsdiebstählen in Geschäftslokalitäten verwendet wurden (S 281 bis 287), weiters, daß der Angeklagte B die Pistole der Marke Derringer unbefugt besaß und führte (S 284), womit unmißverständlich festgestellt wurde, daß es sich bei den Spezialwerkzeugen und der Pistole um instrumenta sceleris handelte. Das Unterbleiben eines Verfallsausspruches kann demnach allein auf die unzutreffende Lösung der Frage durch das Erstgericht - wozu allerdings Ausführungen im Urteil unterlassen wurden - zurückzuführen sein, ob die Einziehung nach der besonderen Beschaffenheit der Gegenstände geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken (§ 26 Abs.1 am Ende StGB), somit einer Frage, die dem (gebundenen) richterlichen Ermessen obliegt und die demnach von der Anklagebehörde zutreffend mit Berufung (im Sinn des § 443 Abs.2 StPO) angefochten wird. Unzweifelhaft ist diese Berufung auch im Recht, denn eigens zu Geschäftseinbrüchen verfertigten Nachsperrwerkzeugen und Faustfeuerwaffen, die den Bestimmungen des Waffengesetzes zuwider besessen und geführt werden, kommt jene spezifische kriminelle Gefährlichkeit zu, auf die § 26 Abs.1 StGB abstellt (vgl. Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 5 zu § 26).
Mithin war in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft das erstgerichtliche Urteil dahin zu ergänzen, daß die Einziehung der Nachsperrwerkzeuge und der Pistole samt Munition zu verfügen war. Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E04960European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0090OS00177.84.1211.000Dokumentnummer
JJT_19841211_OGH0002_0090OS00177_8400000_000