TE OGH 1984/12/12 3Ob128/84

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Veröffentlicht am 12.12.1984
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz S*****, vertreten durch Dr. Alfred Steinbuch, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wider die beklagte Partei Johann S*****, vertreten durch Dr. Anna Floßmann, Rechtsanwältin in Lilienfeld, wegen § 35 EO (Streitwert 100.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichts Wr. Neustadt als Berufungsgericht vom 30. Juli 1984, GZ R 228/84-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 27. März 1984, GZ C 169/83-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 4.289,40 S (darin 600 S Barauslagen und 335,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im rechtskräftigen und vollstreckbaren Versäumungsurteil des Kreisgerichts Wr. Neustadt vom 22. 2. 1982, 3 Cg 39/82-3, wurde Franz S***** unter anderem verurteilt, Johann S***** binnen 14 Tagen eine von Franz S***** auszuwählende, 500 m2 große, an einem öffentlichen Weg gelegene Bauparzelle aus den Liegenschaften EZ ***** KG ***** oder EZ ***** und ***** KG ***** unentgeltlich ins Eigentum zu übertragen.

Mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 15. 5. 1982, E 10.008/82-2, wurde Johann S***** gegen Franz S***** aufgrund des zitierten Versäumungsurteils zur Erzwingung des vollstreckbaren Anspruchs auf unentgeltliche Übertragung einer im Titel näher beschriebenen Bauparzelle die Exekution bewilligt und Franz S***** aufgetragen, diese Eigentumsübertragung binnen vier Wochen nach Zustellung der Exekutionsbewilligung vorzunehmen; sonst würde über ihn eine Geldstrafe von 10.000 S verhängt werden.

Am 2. 7. 1982 brachte Johann S***** gegen Franz S***** beim Kreisgericht Wr. Neustadt zu 3 Cg 365/82 eine Klage nach § 368 EO ein. Er erklärte, auf die Fortsetzung der oben erwähnten Exekution zu verzichten und seine Ansprüche wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung und Schadenersatz geltend zu machen, sich aber den Rückgriff auf die Urteilsschuld vorzubehalten, und begehrte 150.000 S.

Franz S***** wendete gegen diese Klage im Wesentlichen ein, dass Johann S***** nur Anspruch auf einen Bauplatz, nicht aber auf eine Abfindung habe. Auf die Abtretung des Bauplatzes habe er durch Einbringen der Interessenklage verzichtet, so dass ihm überhaupt kein Anspruch mehr zustehe.

In der Tagsatzung vom 22. 10. 1982 vereinbarten die Parteien Ruhen des Verfahrens über die Interessenklage, das bisher nicht fortgesetzt wurde.

Mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 14. 2. 1983, E 10.008/82-4, verhängte das Exekutionsgericht auf Antrag Johann S*****s über Franz S***** die für den Fall der Saumsal angedrohte Geldstrafe von 10.000 S, setzte ihm eine neuerliche Frist bis 31. 3. 1983 und drohte ihm eine weitere Geldstrafe von 15.000 S an.

Gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten Exekution bewilligt wurde, erhob Franz S***** am 25. 3. 1983 beim Erstgericht mit Klage die Einwendung, Johann S***** habe durch die oben erwähnte Interessenklage auf die Abtretung eines Bauplatzes verzichtet, weshalb der diesbezügliche Anspruch erloschen sei.

In der Tagsatzung vom 8. 3. 1984 brachte der Oppositionskläger noch vor, dass er „auf seiner Liegenschaft“ keinen Bauplatz habe (ON 15, Aktenseite 45).

Der Oppositionsbeklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er wendete ein, auf den betriebenen Anspruch nie verzichtet zu haben. Der Kläger könne durch Aufschließung eines Grundstücks einen Bauplatz schaffen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte unter anderem fest: Der Kläger hat sich bisher geweigert, dem Beklagten den Bauplatz abzutreten. Die Parteien haben nicht vereinbart, dass der Anspruch auf Überlassung eines Bauplatzes in Geld abgelöst werde. Der Beklagte hat nie vollständig auf die Übertragung seines Bauplatzes verzichtet, sondern wäre dazu nur im Falle einer Ablöse bereit. Der Kläger ist der Ansicht, dass es derzeit auf seinen Liegenschaften keinen Bauplatz gebe, wäre jedoch damit einverstanden, dass der Beklagte neben seinem Haus ein Gebäude errichtet.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, in einer Klage nach § 368 EO liege für sich allein nicht einmal ein Exekutionsverzicht iSd § 36 Abs 1 Z 3 EO, geschweige denn ein Anspruchsverzicht. Nur dann, wenn der Gläubiger im Interessenprozess Erfolg habe, habe er ein allfälliges Wahlrecht verbraucht und könne sich nicht mehr für die Naturalleistung entscheiden. Auch sonst ergebe sich aus dem Verhalten des Beklagten kein Verzicht auf die Exekutionsführung oder gar auf den betriebenen Anspruch.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und dass die Revision zulässig ist.

Es erachtete die Beweisrüge für unbegründet und führte zur Rechtsrüge im Wesentlichen aus:

Da eine Interessenklage nur erfolgreich sein könne, wenn der Anspruch auf Naturalleistung noch bestehe, könne das Einbringen einer solchen Klage für sich allein den Naturalanspruch noch nicht zum Erlöschen bringen. Im Verzicht auf die Fortsetzung des Exekutionsverfahrens allein liege noch kein Verzicht auf den betriebenen Anspruch.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, dass es zur Frage der Auswirkung einer Interessenklage auf das Exekutionsverfahren zur Durchsetzung des Naturalleistungsanspruchs bzw auf dessen Weiterbestehen keine ausreichende neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gebe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und einem auf Abänderung im klagestattgebenden Sinn gerichteten Antrag.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist nicht berechtigt.

Zur hier entscheidungswesentlichen Rechtsfrage, wie sich die Erhebung einer Interessenklage, in der ein Verzicht auf die Fortsetzung des eingeleiteten Exekutionsverfahrens erklärt wird, auf den Handlungs- oder Unterlassungsanspruch auswirkt, liegt nur eine ältere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vor, nämlich die Entscheidung vom 5. 3. 1913, Nowak NF 1540 = GlUNF 6338, nach deren Leitsatz der betreibenden Gläubiger, der - wie im vorliegenden Fall unter Verzicht auf die Fortsetzung des eingeleiteten Exekutionsverfahrens die Interessenklage angestrengt hat -, nach (für ihn ungünstigem) Ausgang des Interessenprozesses zur neuerlichen Exekutionsführung auf Erfüllung der dem Verpflichteten obliegenden Verbindlichkeit berechtigt ist.

In dieser Entscheidung wird unter anderem ausgeführt:

„Die einzig und allein maßgebende Stelle der Klage: 'Unter Verzicht auf die Fortsetzung des gegen die Beklagte eingeleiteten Exekutionsverfahrens beansprucht der Kläger die Leistung des mit 1.000 K bewerteten Interesses an den den Beklagten obliegenden Leistungen' ist dem Wortlaut des § 368 EO angepaßt und es entsteht ... zunächst die Frage, ob im Fall, als der betreibende Gläubiger unter Verzicht auf die Fortsetzung des eingeleiteten Exekutionsverfahrens die Leistung des Interesses wegen Nichterfüllung im Klageweg beansprucht, er nach Abschluss des Prozesses im Allgemeinen zur neuerlichen Exekutionsführung auf Erfüllung der dem Verpflichteten obliegenden Verbindlichkeiten berechtigt ist. Diese Frage fand im § 368 EO ... keine Regelung. Im § 368 EO erscheint lediglich bestimmt, dass durch die Exekutionsführung der Geltendmachung des Anspruchs auf Leistung des Interesses wegen Nichterfüllung oder auf Schadenersatz nicht vorgegriffen werde. Überdies wird eine Zuständigkeitsnorm aufgestellt. Die Frage, ob umgekehrt durch die Geltendmachung der letztgedachten Ansprüche der vollstreckbare Anspruch des betreibenden Gläubigers in seinem Fortbestand berührt werde, ist anhand des materiellen Rechts zu beantworten ... . Daraus ergibt sich, dass durch die Geltendmachung der im § 368 EO gedachten Ansprüche der vollstreckbare Hauptanspruch an sich nicht behoben wird. Es wäre denn, dass ein Verzicht des betreibenden Gläubigers auf den letztgedachten Anspruch anderweitig einen unzweifelhaften Ausdruck gefunden hätte. Ein solcher vermag in dem Verzicht auf die Fortsetzung des eingeleiteten Exekutionsverfahrens allein nicht gefunden werden, da in der Exekutionsordnung der Verzicht auf die Einleitung der Exekution einerseits und jener auf die Fortsetzung des Exekutionsverfahrens andererseits genau auseindergehalten und hiedurch klar zum Ausdruck gebracht wird, dass in dem Abstehen von der Fortsetzung des eingeleiteten Exekutionsverfahrens ein Verzicht auf die Exekution an sich noch nicht inbegriffen ist (§§ 36 Z 3, 39 Z 6, 40 und 200 Z 3 EO). Dem Gesagten zufolge kann in der oben erwähnten Stelle der Klage ein Verzicht auf die Exekution nicht gefunden werden“.

Das Berufungsgericht wies mit Recht darauf hin, dass sich seit dieser Entscheidung die materielle Rechtslage geändert hat; vor allem wurde § 919 ABGB durch die Dritte Teilnovelle zum ABGB vom 19. 3. 1916, RGBl Nr 69, neu gefasst (vgl auch Heller-Berger-Stix III 2626).

Dies ändert jedoch nichts daran, dass der für den vorliegenden Fall wesentliche Rechtssatz der zitierten Entscheidung nach wie vor tragfähig ist.

Das zeigt sich unter anderem auch in der Übernahme dieses Rechtssatzes durch die Lehre:

Nach Walker, Österreichisches Exekutionsrecht4 357 besteht der ursprüngliche Leistungsanspruch fort, wenn die Interessenklage dem Gläubiger keinen Erfolg brachte.

Heller-Trenkwalder, Die österreichische Exekutionsordnung in ihrer praktischen Anwendung, 1308 führen aus, dass der in der Interessenklage erklärte Verzicht auf die Fortsetzung des eingeleiteten Exekutionsverfahrens keinesfalls ein unbedingter sein müsse. Dem Interessenkläger stehe vielmehr das Recht zu, sich den Rückgriff auf die Judikatsobligation vorzubehalten.

Hanreich-Peters-Stagel, Schriftsätze im Exekutions- und Sicherungsverfahren4, 397 führen aus, dass die Klage auf Leistung des Interesses und das über die Klage ergehende Urteil an und für sich noch nicht ausschließen, dass der betreibende Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus dem Exekutionstitel (wieder) aufnimmt. Ein solches Zurückgreifen auf die Titelverbindlichkeit werde stets dann zulässig sein, wenn die Interessenklage keinen Erfolg gebracht habe.

Heller-Berger-Stix zitieren diese Entscheidung nicht nur in ihrem Kommentar (III 2626 f), sondern auch in MGA EO11 E 22 zu § 368).

Daraus folgt für den hier zu entscheidenden Fall:

Johann S***** hat in seiner Interessenklage erklärt, auf die Fortsetzung der Exekution zur Erzwingung seines Anspruchs auf unentgeltliche Übertragung einer Bauparzelle durch Franz S***** zu verzichten.

Diese Erklärung des betreibenden Gläubigers hätte bei einem entsprechenden Antrag die Einstellung der Exekution nach § 39 Abs 1 Z 6 EO gerechtfertigt.

Davon, dass der betreibende Gläubiger durch diese Erklärung oder durch die Interessenklage auf den betriebenen Anspruch unbedingt verzichtet habe, kann aber umsoweniger die Rede sein, als der Gläubiger in der Interessenklage ausdrücklich erklärte, sich den Rückgriff auf die Urteilsschuld vorzubehalten.

Die Vorinstanzen haben daher den einzigen in der Oppositionsklage geltend gemachten anspruchsaufhebenden Grund, nämlich einen Verzicht auf den betriebenen Anspruch durch die Interessenklage, ohne Rechtsirrtum verneint.

Der Revision, in der gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen keine überzeugenden Gründe vorgebracht werden, - die zitierte Literaturstelle hat mit der hier entscheidenden Frage des Anspruchsverzichts ebensowenig zu tun wie der die Wahlschuld behandelnde § 906 ABGB, - war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E104847

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0030OB00128.84.1212.000

Im RIS seit

20.08.2013

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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