TE OGH 1984/12/13 13Os171/84

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Veröffentlicht am 13.12.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Müller (Berichterstatter), Dr.Schneider, Dr.Felzmann und Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Mahn als Schriftführers in der Strafsache gegen Alfons A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 5.April 1984, GZ 3 c Vr 8068/82-376, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr.Bassler, des Angeklagten Alfons A und des Verteidigers Dr.Doczekal zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird auch die Haft vom 17.Februar 1982, 18,30 Uhr, bis 25.März 1982, 11 Uhr, gemäß § 38 StGB auf die Strafe angerechnet.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 15.Mai 1940 geborene Kaufmann und Baupolier Alfons A wurde des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB

(1) und des Vergehens der versuchten Verleitung zur falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 15, 12, 288 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt. Die Vorhaft vom 28.Juni 1982 bis 23.November 1982 und vom 1.März 1983 bis 5.April 1984 wurde gemäß § 38 Abs 1 Z.1 StGB angerechnet. Den Schuldsprüchen zufolge hat er am 14.Juni 1982 in Niederösterreich Martina B mit Gewalt zum außerehelichen Beischlaf genötigt (1) und im Juni 1982 in Wien Josef C durch die Aufforderung, auszusagen, daß Karl D zu Martina B gesagt habe, 'Jetzt haben wir ihn schon angezeigt und jetzt müssen wir es schon dabei belassen', zu einer falschen Beweisaussage im Verfahren wegen der Nötigung zum Beischlaf zu verleiten getrachtet (2). Nach den - zusammengefaßt wiedergegebenen - wesentlichen Urteilsannahmen holte der Angeklagte am 14.Juni 1982 Martina B (Geburtsjahrgang 1964), die er wenige Tage vorher kennengelernt hatte, mit seinem Auto in der Nähe ihres Wohnhauses in Wien-Ottakring ab und fuhr mit ihr in Richtung Burgenland. Nachdem er noch in Niederösterreich in einem Ort ein Geschäft aufgesucht hatte, unterbrach er die Rückfahrt bei einem Heurigen, wo sie sich etwa eine Stunde aufhielten, nur geringe Mengen alkoholischer Getränke zu sich nahmen und dann die Rückfahrt nach Wien fortsetzten. Noch vor Laxenburg bog der Angeklagte mit seinem Fahrzeug in einen Feldweg ein, hielt es an und erklärte seiner Begleiterin unverblümt, daß er mit ihr einen Geschlechtsverkehr durchführen wolle. B wies dieses Ansinnen zurück und versuchte, den Kraftwagen durch die Beifahrertür zu verlassen. Der Angeklagte verhinderte dies dadurch, daß er die Tür wieder zuzog und B 'körperlich' daran hinderte, sie wieder zu öffnen. Ungeachtet der abweisenden Haltung des Mädchens gab der Angeklagte sein Vorhaben nicht auf, 'drang körperlich auf Martina B ein' und versuchte auch durch Schmeicheleien, sie zum Nachgeben zu veranlassen. 'Ohne Martina B zu drohen und ohne auf sie einzuschlagen', hielt sie der Angeklagte im Fahrzeug fest, schob ihr den Rock nach oben, streifte ihre Unterhose ein Stück nach unten und betastete sie im Genitalbereich. Obwohl B nach Kräften körperlichen Widerstand entgegensetzte, konnte der Angeklagte sich soweit Bewegungsfreiheit verschaffen, um sich selbst die Hose auszuziehen. In der Folge gelang es ihm, 'sich so weitgehend an den Unterkörper der Martina B heranzumachen, daß er mit seinem Geschlechtsteil trotz unausgesetzter körperlicher Gegenwehr der Genannten in diese einzudringen vermochte'. Martina B gab ihren Widerstand in keiner Phase des Geschehens auf, doch erwies sich der Angeklagte im Ergebnis als körperlich überlegen. Der Genannten gelang es lediglich, die beim Angeklagten einsetzende Ejakulation 'aus ihrem Körperinneren fernzuhalten'. Sie war durch ihren Kampf mit dem Angeklagten entkräftet und psychisch so schwer beeinträchtigt, daß sie weinte und erbrechen mußte. Nachdem der Angelagte sich wieder angezogen hatte, setzte er die Rückfahrt nach Wien fort und brachte B in die Nähe ihres Wohnhauses (S. 177 bis 179/VI). Nach seiner Flucht aus der wegen dieses Sittlichkeitsdelikts über den Angeklagten verhängten Untersuchungshaft ersuchte er im Juni 1982 im Zusammenhang mit der ihm zur Last liegenden Straftat (1) den Chauffeur Josef C, vor dem Untersuchungsrichter auszusagen, daß er in einem Lokal ein Gespräch mitangehört habe, in welchem 'ein Mann zu einer Frau' sagte, 'Jetzt haben wir ihn schon angezeigt, jetzt müssen wir es dabei schon belassen'. Um Verwechslungen auszuschließen, bot der Angeklagte an, C das Lokal und die Frau zu zeigen. Dieser lehnte das Ansinnen ab (S. 215, 216/VI). Diese Urteilsfeststellungen gründete das Schöffengericht vor allem auf die Aussage der Zeugin B und die Angaben des C vor der Polizei und erachtete die leugnende Verantwortung des Angeklagten dadurch als widerlegt.

Rechtliche Beurteilung

Die Schuldsprüche ficht der Angeklagte aus § 281 Abs 1 Z. 4, 5 und 9 lit a StPO, den Ausspruch über die Vorhaftanrechnung (§ 38 Abs 1 StGB) aus § 281 Abs 1 Z. 11 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde an.

I. Nötigung zum Beischlaf:

Eine Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte (§ 281 Abs 1 Z. 4 StPO) erblickt der Angeklagte in der Abweisung der in der Hauptverhandlung vom 5.April 1984 (S. 160 ff./VI) gestellten Beweisanträge, und zwar auf 1. Vornahme eines Augenscheins an dem tatgegenständlichen Personenkraftwagen zum Beweis dafür, daß die von der Zeugin B gegebene Darstellung nicht den Tatsachen entsprechen kann und sich auf Grund der Rückstände von Erbrochenem an der Außenseite der Kraftwagentür ergebe, daß die Tür des Autos geöffnet worden sein muß;

2. zeugenschaftliche Vernehmung der Gerlinde E und der Heidi F zum Beweis dafür, daß der Angeklagte zur Tatzeit an Genorrhöe erkrankt war;

3. Ausforschung (und Vernehmung) der Serviererin des Rasthauses Laxenburg, die am 15. (gemeint wohl: 14.) Juni 1982 Dienst versah, zum Nachweis dafür, daß sich Martina B damals in einem euphorischen Zustand befand und 'keineswegs eine gedrückte Stimmung vorlag bzw. sie weinte', 4. Einholung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens zum Beweis dafür, daß, ausgehend von der Schilderung der Martina B, durch den Geschlechtsverkehr 'unbedingt eine Entjungferung hätte eintreten müssen' bzw. 'ernste Verletzungen in der Genitalgegend aufgetreten wären';

5. Einholung von Befund und Gutachten eines Gerichtsarzts über die Brustform der Martina B und Vergleich derselben mit den vom Angeklagten verfertigten (unter ON 84 im II. Band erliegenden) 'Brustfotos' zum Beweis dafür, daß die Zeugin - wie der Angeklagte ihr zuwider behauptet - zumindest den Oberkörper (vor ihm) entblößt hatte;

6. Beischaffung der Akten des Bezirkspolizeikommissariats Ottakring zum Nachweis dafür, daß die Verletzungen der Martina B von einem Verkehrsunfall mit deren Moped herrührten;

7. Vernehmung der Zeugin Inspektor Gisela G zum Beweis dafür, daß sie B den Auftrag gab, den Tatort zu besichtigen sowie, daß B bei ihrer ersten Einvernahme nicht den Angeklagten als Täter bezeichnete;

8. Beischaffung des orangefarbenen Damenunterhemds aus dem Gerichtsdepot und dessen Untersuchung durch das Institut für gerichtliche Medizin der Universität Wien, 'ob sich an diesem Unterhemd Spuren des von Martina B (zu ergänzen:) Erbrochenen befinden (S. 101 unten, 106/IV in Verbindung mit S. 162 oben/VI). Alle Beweisanträge wurden in der Hauptverhandlung abgewiesen (S. 166, 167/VI) und die Begründung zu diesem Zwischenerkenntnis im Urteil nachgetragen:

Zu 1, weil aus den im Akt erliegenden Abbildungen eines gleichartigen Personenkraftwagens (S. 435/IV; S. 33, 35/VI und Beilage zu ON 375/VI) hinreichend Aufschluß über die Innenraumverhältnisse des Kraftfahrzeugs zu gewinnen war (S. 217/VI).

Aus allenfalls vorhandenen Spuren von Erbrochenem an der Autotür könnte ferner der vom Angeklagten ersichtlich angestrebte Schluß, diese sei 'zu einem Zeitpunkt und in einer Situation geöffnet gewesen ...., die darauf hinweisen, daß sie (Martina B) die Möglichkeit zur Flucht zwecks Vermeidung des Verbrechens gehabt, aber nicht genützt hätte', nicht gezogen werden. Eine derartige Schlußfolgerung in zeitlicher Eingrenzung war weder dem Beweisantrag zu entnehmen noch als Ergebnis einer Beweisführung zu erwarten (vgl. die diesbezüglichen Angaben des Angeklagten S. 95, 96/IV). Zu 2 ist die Behauptung, das Gericht habe gar nicht versucht, Gerlinde E stellig zu machen, unzutreffend (S. 227, 229; 321/IV; 347/V; 3/VI). Die Einlassung des Angeklagten, er habe zur Tatzeit an einer Geschlechtskrankheit gelitten, wurde hinreichend überprüft und erörtert (S. 209, 210/VI).

Insbesondere auch mit Rücksicht auf die diesbezügliche Verantwortung des Beschwerdeführers konnte von der zeugenschaftlichen Einvernahme der Heidi F und der Gerlinde E ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten Abstand genommen werden (S. 218, 219/VI). Zu 3 ist dem Erstgericht zuzustimmen, wenn es die Ausforschung der Serviererin des Rasthauses Laxenburg, die am 15. (14.) Juni 1982 Dienst versah, ablehnte, weil von einer solchen Beweisaufnahme keine Aufklärung entscheidungswesentlicher Umstände zu erwarten war (S. 219/VI).

Zu 4 vermeinte das Schöffengericht, daß die zu beweisenden Umstände ohne besondere Fachkenntnisse in freier richterlicher Beweiswürdigung auch aus den Befundaufnahmen des Polizeiamtsarztes Dr.H vom 15.Juni 1982 (S. 127/I) und des Facharztes für Frauenkrankheiten Dr.I vom 17.Juni 1982 (S. 123/I) im Weg (einfacher) Schlußfolgerungen beurteilt werden konnten (S. 219, 220/VI).

Zu 5 ist dem Senat beizupflichten, daß infolge der vom Angeklagten nur unpräzis angeführten 'Besonderheiten' der Brustform der Martina B (S. 155, 156/II; S. 409, 410/V) eine verläßliche Angabe eines gerichtsärztlichen Sachverständigen über die behauptete Entblößung nicht zu erwarten war (S. 220, 221/VI). Der erst in der Rechtsmittelschrift unternommene Versuch einer diesbezüglichen Ergänzung bzw. Präzisierung des Beweisantrags (S. 413/VI) ist verspätet und daher unbeachtlich.

Zu 6 wird zutreffend ausgeführt, daß mittels der Beischaffung der Akten des Bezirkspolizeikommissariats Ottakring das damit vom Antragsteller angestrebte Ergebnis, die Glaubwürdigkeit der Zeugin B entscheidend zu erschüttern, nicht erzielt werden könnte, weil eine solche Beweisaufnahme ungeeignet ist, die dem Gericht durch die Gesamtheit der ihm bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage maßgebend zu verändern (S. 221/VI; SSt. 52/17 = LSK. 1981/97; LSK. 1979/82), zumal der Beschwerdeführer seine in zeitlicher Hinsicht ohne aktenmäßige Deckung aufgestellte Behauptung (S. 185/IV; 50/V) in der Rechtsmittelschrift selbst dahin einschränkt, daß die vom Amtsarzt ermittelten Verletzungen nur 'zum Teil' auf einen Verkehrsunfall zurückzuführen seien (S. 412/VI; siehe demgegenüber die Verantwortung des Angeklagten beim Untersuchungsrichter S. 59

verso, 59 a oben/I, ON 8).

Zu 7 ist dem Gericht insoweit zuzustimmen, daß dem Antrag auf (neuerliche) Vernehmung von Inspektor Gisela G keine Entscheidungsrelevanz zukam (S. 221, 222/VI). Diese Zeugin wurde zu den vom Angeklagten bezeichneten Beweisthemen ohnedies in der Hauptverhandlung vernommen (S. 493/V); ferner hat die erste niederschriftliche Vernehmung der B nicht die Zeugin G, sondern der (weibliche) Bezirksinspektor J durchgeführt (S. 117; 119 ff./I).

Zu 8, weil das im Automobil des Angeklagten sichergestellte orangefarbene Damenunterhemd nach den mängelfrei getroffenen Urteilsannahmen nicht aus dem Besitz der Zeugin B stammte (siehe insbesondere S. 171/I) und das Erstgericht die Möglichkeit, daß sich an diesem Beweisgegenstand Spuren von Erbrochenem befinden, ohnedies in Rechnung stellte und in seine Erwägungen einbezog (S. 222, 223/VI).

Wie der Verfahrensrüge kommt auch der Mängelrüge keine Berechtigung zu.

Diese erschöpft sich nämlich im wesentlichen in einer Erörterung der Glaubwürdigkeit und der Beweiskraft der vom Gerichtshof verwerteten Beweismittel, aus denen der Nichtigkeitswerber andere, für ihn günstigere Schlußfolgerungen gezogen wissen will. Bei gleichzeitiger übergehung bedeutsamer Darlegungen des Urteils scheitert die Rüge insgesamt an dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) und an der das Strafurteil determinierenden Begründungsvorschrift (§ 270 Abs 2 Z. 5 StPO).

So ignoriert der Beschwerdeführer mit der Behauptung, das Urteil lasse eindeutige Feststellungen über den Tathergang, namentlich betreffend das Merkmal der Gewalt, vermissen und spreche nicht aus, daß dem Angeklagten ein ernstgemeinter Widerstand des Mädchens bewußt war (S. 413 ff./VI), die Urteilsannahmen, wonach er 'trotz der für ihn eindeutigen abweisenden Haltung der Martina B gegenüber seinem auf Geschlechtsverkehr mit ihr gerichteten Andringen' von seinem Vorhaben nicht abließ, sie im Fahrzeug so weit festhielt, daß sie dieses nicht verlassen und ihre teilweise Entkleidung nicht verhindern konnte, und es ihm infolge seiner körperlichen überlegenheit 'trotz der unausgesetzten körperlichen Gegenwehr der Genannten' während des gesamten Tatablaufs gelang, mit seinem Geschlechtsteil (in den des Mädchens) einzudringen (S. 178/VI). Einer ins Detail gehenden Darstellung etwa des Bewegungsablaufs bei den an der Tat beteiligten Personen bedurfte es angesichts dieser Konstatierungen (siehe auch S. 204/VI) ebensowenig wie näherer Ausführungen über die vom Vorsatz des Angeklagten umfaßte Ernstlichkeit des einem Geschlechtsverkehr widerstrebenden Willens der B, weil der Gerichtshof nur verbunden ist, die entscheidenden Tatsachen, die er als erwiesen annimmt, in gedrängter Form zu bezeichnen und die Gründe anzuführen, die zu seiner überzeugung von der Richtigkeit dieser Annahme geführt haben (§ 270 Abs 2 Z. 5 StPO). Im übrigen trug der Schöffensenat der in der Beschwerde bezogenen Aussage der Martina B, wonach sie der Angeklagte weder geschlagen noch bedroht habe, ohnedies Rechnung und traf insoweit aussagekonforme Urteilskonstatierungen (S. 178/VI). Dem Beschwerdevorbringen zuwider gründete der Schöffensenat die Urteilsannahme, daß die Tat ungeachtet des relativ engen Innenraums und einer Mittelkonsole zwischen den vorderen Sitzen in diesem Fahrzeug vollzogen werden konnte (S. 203, 204; 217/VI), im Einklang mit der Lebenserfahrung (Gerichtserfahrung) auf die im Akt erliegenden Abbildungen des Kraftwagens.

Die Verantwortung des Angeklagten, er habe mit Martina B keinen Geschlechtsverkehr durchgeführt, sondern sie lediglich intim betastet, hat das Erstgericht nicht übergangen (S. 180 f.; 192/VI). Gleiches gilt für die Behauptungen über den Verbleib der Unterhose der Zeugin B (S. 179, 198, 201/VI). Die vom Beschwerdeführer weiters vermißte Auseinandersetzung des Urteils mit der Befundaufnahme Dris. I vom 17.Juni 1982 findet sich ebenso in den Entscheidungsgründen (S. 219, 220/VI). Die Abwägung der Glaubwürdigkeit der einzelnen Beweismittel und welche Schlüsse aus den vorhandenen Prämissen (etwa dem Mangel erheblicher Verletzungen des Tatopfers oder dem Fehlen von Spermaspuren) zu ziehen waren, fällt ausnahmslos in die richterliche Beweiswürdigung (13 0s 211/83; 13 0s 110/84 u.a.m.). Dies gilt gleichermaßen für die - wie auch der Beschwerdeführer einräumt, nicht entscheidungswesentliche - Frage, ob Martina B zur Tatzeit noch geschlechtlich unberührt war.

Als Angriff auf die schöffengerichtliche Beweiswürdigung stellt sich auch das (urteilsfremde) Vorbringen dar, das Erstgericht habe insbesondere deshalb, weil ihm am 23.November 1982 die Flucht gelang und er erst am 1.März 1983

wieder verhaftet werden konnte, angenommen, er selbst habe das sichergestellte Suchtgift an den Ort der Auffindung praktiziert bzw. dieses dort deponieren lassen. Demgegenüber gelangte der Schöffensenat auf Grund des persönlichen Eindrucks, den die - einen Suchtgiftkonsum in Abrede stellende - Zeugin B in der Hauptverhandlung hinterließ, im Zusammenhalt mit den diesbezüglichen polizeilichen Erhebungen und den Angaben des Zeugen Karl D zur Ansicht, daß 'die Darstellung des Angeklagten auch über (den) von ihm am 14.Juni 1982

(angeblich) wahrgenommenen Suchtgiftkonsum und Suchtgiftbesitz der Anzeigerin willkürlich unternommene wahrheitswidrige Unterstellungen seien' (S. 192 ff./VI). Mit Bezugnahme auf die auch insoweit wechselnden Angaben des Beschwerdeführers über die Menge des Suchtgifts und den Auffindungsort desselben in bezug auf den Standort des Fahrzeugs begründet der Gerichtshof ausführlich, weshalb er die Glaubwürdigkeit dieser Zeugin auch von der Tatsache der Auffindung einer Haschischmenge 'im Tatortsgebiet' nicht beeinträchtigt sah:

weil nämlich dem Angeklagten, ungeachtet der bereits früher diesbezüglich aufgestellten Behauptung, während seiner Flucht hinlänglich Zeit zur Verfügung stand, das 'Suchtgift an den Ort der Auffindung zu praktizieren bzw. es dort deponieren zu lassen' (S. 195 ff./VI).

Dem Beschwerdevorbringen zuwider (S. 419 ff./VI) gelangte der Schöffensenat schließlich mit einläßlicher Begründung unter Abwägung des persönlichen Eindrucks der Zeugen Martina B und Nils K in der Hauptverhandlung zur überzeugung von der Unglaubwürdigkeit des Zeugen K.

Darüberhinaus äußerte das Erstgericht im Urteil auf Grund zahlreicher Unstimmigkeiten in der Aussage dieses Zeugen den dringenden Verdacht, der Zeuge habe die von ihm bekundeten Wahrnehmungen an dem in Rede stehenden Tag gar nicht gemacht (S. 205 ff./VI). Von einem Begründungsmangel im Sinn des angerufenen formellen Nichtigkeitsgrunds kann sohin keine Rede sein. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO) Feststellungsmängel betreffend das Tatbildmerkmal der Gewalt (§ 202 Abs 1 StGB) geltend macht, übergeht er die Urteilskonstatierungen, wonach er Martina B im Fahrzeug festhielt, gegen ihren Widerstand den Rock nach oben und die Unterhose nach unten streifte und infolge seiner körperlichen überlegenheit trotz unausgesetzter und hartnäckiger Gegenwehr des Opfers mit seinem Glied in deren Geschlechtsorgan eindrang (S. 178, 204/VI). Insoweit entbehrt die Rechtsrüge der gesetzmäßigen Darstellung.

Sofern aber der Angeklagte das konstatierte Festhalten im Fahrzeug, das teilweise Entkleiden seines Opfers gegen dessen Widerstand und das nachfolgende Eindringen in den Geschlechtsteil der Frau unter überwindung der von ihr geleisteten Gegenwehr nicht als Gewalt im Sinn des § 202 Abs 1 StGB

gelten lassen will, ist ihm folgendes zu erwidern:

Unter Gewalt ist - was auch der Beschwerdeführer einräumt - die Anwendung nicht unerheblicher körperlicher Kraft zu verstehen. Die Kraftanwendung muß allerdings nicht, wie der Rechtsmittelwerber meint, geeignet sein, 'den Widerstand des Opfers zu brechen' (vis absoluta, die als Mittel der Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit für die Notzucht nach § 201 StGB gefordert wird). Vielmehr reicht im Tatbestand des § 202 StGB eine Intensität der Gewalt aus, die geeignet ist, den entgegenstehenden Willen der Betroffenen zu beugen (vis compulsiva), um solcherart zu erreichen, daß sie letztlich (ohne wehrlos zu sein) in den außerehelichen Beischlaf einwilligt.

Dazu genügt ein Festhalten der Frauensperson (Leukauf-Steininger 2 , RN. 24 zu § 74 StGB; Pallin im WK., Rz. 7 zu § 202 StGB). Irrtumsfrei wurde daher das Verhalten des Angeklagten als Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB beurteilt.

II. Versuchte Verleitung zur falschen Beweisaussage:

Insoweit wirft der Beschwerdeführer dem Erstgericht vor, daß er nach der diesbezüglichen Ausdehnung der Anklage in der Hauptverhandlung vom 4.April 1984 (S. 100/VI) zu diesem Faktum nicht befragt worden sei und die gemäß § 263 StPO erforderliche Beschuldigtenvernehmung nicht stattgefunden habe.

Der Nichtigkeitswerber übersieht, daß die nach der relevierten Bestimmung sogar gebotene Zustimmung des Angeklagten, die Verhandlung und das Urteil auch auf diese Tat auszudehnen, nicht erforderlich war, weil er im Fall der Verurteilung wegen dieser Tat nicht unter ein strengeres als jenes Strafgesetz fiel, das auf die in der Anklageschrift ihm zur Last gelegte strafbare Handlung anzuwenden war (§ 263 Abs 1, letzter Satz, StPO). Es soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß die Vorschrift des § 245 StPO, daß der Angeklagte über den Inhalt der (hier ausgedehnten) Anklage vernommen wird, keine Beachtung gefunden hat. Diese Unterlassung ist aber nicht mit Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z. 3 StPO) bedroht, und vermochte angesichts der Erörterung des Sachverhalts in Gegenwart seines Verteidigers (S. 101 ff./VI) für den Angeklagten keinen nachteiligen Einfluß zu üben (vgl. 13 0s 113/83 betreffend § 262 StPO).

Im übrigen hat das Gericht die leugnende Verantwortung des Angeklagten (S. 395 f./IV) ohnedies in seine Erwägungen miteinbezogen (S. 216/VI) und ausführlich dargelegt, weshalb es die Angaben des Zeugen Josef C vom 4.März 1983 vor der Bundespolizeidirektion Wien (S. 339, 340/III) als glaubwürdiger erachtete als seine dann abschwächende Aussage in der Hauptverhandlung vom 7.März 1984 (S. 495 ff./V; S. 215, 216/VI). Mit der Forderung, man hätte bei eingehender Auseinandersetzung mit dieser Zeugenaussage zu dem Schluß kommen müssen, daß er den Zeugen wohl mit seinem Fall 'vertraut gemacht habe, jedoch von einer Zeugenbeeinflussung keine Rede sein' könne (S. 421/VI), greift der Beschwerdeführer neuerlich in unbeachtlicher Weise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung an. Dies gilt gleichermaßen für die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z.9 lit a StPO), aus der Aussage des C vom 4.März 1983 'läßt sich noch nicht ableiten', daß seine - allenfalls inneres Vorhaben indizierende - 'Vorgangsweise bereits bis zum Versuch gediehen ist' (S. 423/VI). Soweit der Angeklagte in diesem Zusammenhang 'klare Feststellungen' vermißt, übergeht er die Urteilskonstatierungen, wonach er sich - allerdings vergebens - bemühte, C zu veranlassen, 'zum Richter' (gemeint dem Untersuchungsrichter im gegenständlichen Verfahren) zu gehen und dort wahrheitswidrig auszusagen, er habe ein - erfundenes - Gespräch zwischen Martina B und Karl D mitangehört (S. 215, 216/VI).

III. Haftanrechnung:

Der Beschwerdeführer strebt die Anrechnung einer Vorhaft von einem Monat aus dem Verfahren 9 a Vr 576/76 des Kreisgerichts Wiener Neustadt (Urteil vom 17.März 1980, Ablichtung im V. Band) an, weil die in diesem Verfahren durch die angerechnete Vorhaft vom 27.April 1976 bis zum 3.August 1976 verbüßte Freiheitsstrafe von drei Monaten infolge einer Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 10. April 1984, GZ 9 0s 12/84-7, auf zwei Monate herabgesetzt wurde. Dies zu Unrecht.

Gemäß § 38 Abs 1 StGB sind die verwaltungsbehördliche und die gerichtliche Verwahrungshaft und die Untersuchungshaft auf Freiheitsstrafen und Geldstrafen anzurechnen, wenn der Täter die Haft 1. in einem Verfahren wegen der Tat, für die er bestraft wird, oder 2. sonst nach der Begehung dieser Tat wegen des Verdachts einer mit Strafe bedrohten Handlung erlitten hat, und zwar in beiden Fällen nur, soweit die Haft nicht bereits auf eine andere Strafe angerechnet oder der Verhaftete dafür entschädigt worden ist. Für eine Anrechnung des im erwähnten Verfahren erlittenen, durch die vom Obersten Gerichtshof verhängte Strafe von zwei Monaten nicht verbrauchten Vorhaftteils vom 27.Juni 1976, 18.00 Uhr, bis 3.August 1976, 12.00 Uhr (siehe Vorhaftanrechnung im Urteil des Kreisgerichts Wiener Neustadt vom 17.März 1980, 9 a Vr 576/76, hier im V. Band), bleibt sohin kein Raum.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Allerdings sind auch Vorhaften anzurechnen, die dem Angeklagten in einem anderen, nach den nunmehr bestraften Taten anhängigen Verfahren widerfuhren (so daß die Voraussetzungen einer gemeinsamen Verfahrensführung gemäß § 56

StPO gegeben waren), mögen diese Haftzeiten auch schon vor den nunmehr abgeurteilten Taten gelegen sein (SSt. 48/90). Dies trifft unbeschadet der diesbezüglichen Verfahrenseinstellungen am 4.März 1983 (S. 3 bb und verso) für die vom Angeklagten laut den Akten 3 c Vr 8068/82 des Landesgerichts Wien (I. Band) vom 17.Februar 1982,

18.30 Uhr, (S. 213 in ON 3/I) bis 25.März 1982, 11.00 Uhr, (S. 301 in ON 3/I) erlittene Vorhaft zu. Diese Haftzeit war von Amts wegen gemäß § 290 Abs 1 StPO angesichts einer hier zum Nachteil des Angeklagten unterlaufenen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z. 11 StPO) auf die verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen.

IV. Prozessuale Vermerke:

Auf die anläßlich der Einbringung der Nichtigkeitsbeschwerde durch den Verteidiger vom Angeklagten persönlich verfaßten Aufsätze ON 420 und 422/VII ist nicht einzugehen, weil das Gesetz nur eine Ausführung dieses Rechtsmittels vorsieht (§ 285 Abs 1 StPO). Der Entscheidung war deshalb nur die vom Verteidiger fristgerecht ausgeführte Beschwerde zugrundezulegen.

Aus Anlaß der Rechtsmittelerledigung sieht sich der Oberste Gerichtshof veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß die Zeugin Martina B nur mit ihrer ausdrücklichen Zustimmung ärztlich (auch psychiatrisch-neurologisch) hätte untersucht werden dürfen; denn (von hier nicht gegebenen, in der Rechtsordnung eigens normierten Ausnahmen abgesehen) ist niemand verpflichtet, sich selbst (seinen Körper, seine Persönlichkeit) als Beweismittel zur Verfügung zu stellen (SSt. XXIX/85, XLIX/55, EvBl. 1954 Nr. 36, 1970 Nr. 259, 1972 Nr. 69, 1984 Nr. 37, RiZ. 1961 S. 11 und grundsätzlich LSK. 1976/151 bei § 132

StPO; zuletzt 13 0s 121/84). Die Zeugin wäre deshalb vor der Anordnung ihrer gerichtsärztlichen Untersuchung (ON 130) und ihrer neurologisch-psychiatrischen Untersuchung (ON 155), d.h. vor den jeweiligen Beschlußfassungen im Vorverfahren, vom Gericht (Untersuchungsrichter) nach ihrer Einwilligung zu fragen und nötigenfalls aufklärend zu belehren gewesen.

V. Berufungen:

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 28 Abs 1, 202 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Dabei waren erschwerend die Vorbelastung durch einschlägige Vortaten im Ausland und, daß der Angeklagte die Grenzen seiner Verteidigung in Verfolgung seiner leugnenden Verantwortung hinsichtlich der Nötigung zum Beischlaf in einer Weise überschritten hat, die zu unzumutbaren Eingriffen in die Intimsphäre des Opfers führte, mildernd hingegen, daß es im Fall des Vergehens beim Versuch geblieben war, was aber dadurch aufgewogen wird, daß das Verhalten durch sein Vorgehen als Anstifter beschwert ist, und das Wohlverhalten durch etwa zehn Jahre.

Mit ihren Berufungen begehren die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung, der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes. Beiden Berufungen bleibt der Erfolg versagt.

Die Staatsanwaltschaft weist auf das sehr getrübte Vorleben des Angeklagten hin, muß aber einräumen, daß er sich etwa die letzten zehn Jahre wohlverhalten hatte. Das kann nicht ohne Auswirkung auf die Höhe der Freiheitsstrafe bleiben, die mit drei Jahren ohnedies im Mittelfeld des von sechs Monaten bis zu fünf Jahren reichenden Strafrahmens (§ 202 Abs 1 StGB) verhängt wurde, womit auch der vom Erstgericht nicht veranschlagten Deliktskonkurrenz ausreichend Rechnung getragen wird.

Damit aber kann sich auch der Angeklagte nicht über ein exzessives Strafmaß beschweren. Hat doch die Art seiner Verantwortung zu einem auch für sein Opfer ungemein belastenden Verfahren geführt, in dem Details aus der Intimsphäre über Gebühr erörtert werden mußten, was gewiß erschwerend ins Gewicht fällt. Auch wenn Martina B einem Kontakt mit dem Angeklagten zunächst nicht abgeneigt gewesen sein mochte, so bedeutete das noch lange keinen Freibrief für den Angeklagten, sie nach Gutdünken sexuell zu mißbrauchen. Die Behauptung, daß hier schon mit einem Einverständnis des Mädchens zu rechnen war, geht völlig an der Realität vorbei. Lediglich dem Umstand, daß die angewendete Gewalt sich in Grenzen hielt, hat es der Angeklagte zu danken, daß mit der verhängten Strafe doch noch das Auslangen gefunden werden kann.

Anmerkung

E05003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00171.84.1213.000

Dokumentnummer

JJT_19841213_OGH0002_0130OS00171_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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