Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****-AG, *****, vertreten durch Dr. Klaus-Peter Schrammel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Chalom I*****, vertreten durch Dr. Nikolaus Siebenaller, Rechtsanwalt in Wien, wegen 177.032,10 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. September 1984, GZ 4 R 129/84-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. Februar 1984, GZ 34 Cg 1250/82-90, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 7.825,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.920 S Barauslagen und 536,85 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte stand seit Jahren mit der Klägerin in Geschäftsverbindung. Am 11. 9. 1981 unterfertigte er nach Verhandlungen mit einem Vertreter der Klägerin namens G***** einen Antrag auf Abschluss einer Erlebens- und Ablebensversicherung mit einer Versicherungssumme von 3,5 Millionen S und einer Laufzeit von 15 Jahren, wobei als Versicherungsbeginn der 1. 11. 1981 vorgesehen war. Der Antrag sah eine dreimonatige Bindung des Antragstellers vor, und zwar gerechnet ab ärztlicher Untersuchung beziehungsweise ab Antragstellung im Falle des Entfalls der Untersuchung, Versicherungsnehmer sollte der Beklagte sein, versicherte Person dessen Ehegattin Ingeborg I*****. Im Erlebensfall sollte Begünstigter der Versicherungsnehmer, im Ablebensfall die Kinder der versicherten Person sein.
Der Beklagte unterfertigte den Antrag nicht nur für sich, sondern auch für seine Ehegattin als versicherte Person, wobei er seinem eigenen Schriftzug den Vornamen der Ehegattin „Karin“ beifügte.
Um dem Beklagten einen Anreiz zum Abschluss des Versicherungsvertrags zu bieten, verzichtete G***** auf einen Teil seiner Provision zugunsten des Beklagten. Dieser Teil sollte drei Monatsprämien betragen. Ein weiterer Grund für diese Vereinbarung zwischen dem Beklagten und G***** war, dass der Beklagte schon bei Antragstellung darauf hingewiesen hatte, dass er zur Zeit der Übersendung der Polizze und zum Zahlungstermin der ersten Prämie eventuell nicht in Wien anwesend sein könnte, jedoch sofort volle Deckung auf die Polizze wünsche. Diesem Zweck sollten die drei Monatsprämien dienen.
Im Dezember 1981 unterzog sich Karin Ingeborg I***** diversen ärztlichen Untersuchungen. Aufgrund der Untersuchsergebnisse nahm die Klägerin am 29. 12. 1981 den Antrag des Beklagten auf Abschluss einer Lebensversicherung an.
Am 9. 2. 1982 wurde von der Klägerin die Polizze erstellt, die für den Zeitraum vom 1. 11. 1981 bis 1. 3. 1982 eine einmalige Prämienzahlung von 78.925 S, sohin 19.731,25 S monatlich, und ab 1. 3. 1982 19.666,90 S monatlich vorsah. Kurz danach wurde die Polizze zwecks Zustellung an den Beklagten zur Post gegeben, kam jedoch als nicht zustellbar an die Klägerin zurück.
In Ausführung der Vereinbarung zwischen G***** und dem Beklagten wurde für letzteren bei der Klägerin ein Konto errichtet und von diesem sein Anteil an der Vermittlungsprovision in der Höhe von drei Monatsprämien auf die Polizze gebucht. Darüber hinaus wären aufgrund des Vertrags inzwischen weitere Prämienforderungen in der Höhe von 177.032,10 S aufgelaufen, welche die Klägerin mit der vorliegenden Klage begehrt.
Während das Erstgericht dem Klagebegehren stattgegeben hat, wurde es vom Berufungsgericht mit der Begründung abgewiesen, gemäß § 159 Abs 2 VersVG wäre zur Gültigkeit des Versicherungsvertrags die Unterschrift der Ehegattin des Beklagten erforderlich gewesen, weil es sich im vorliegenden Fall um eine Versicherung für eigene Rechnung des Versicherungsnehmers handle. Zwar hätte die Ehegattin des Beklagten ihre Zustimmung auch durch einen Vertreter geben können, jedoch wäre in diesem Fall eine schriftliche Vollmacht notwendig gewesen. Eine solche liege nicht vor, sodass der Versicherungsvertrag nicht wirksam sei.
Das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt.
Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend gingen beide Vorinstanzen davon aus, dass im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 159 Abs 2 VersVG anwendbar ist. Zweck dieser Bestimmung ist es nämlich, den Versicherten vor Spekulationen auf seinen Tod zu schützen (Prölss-Martin VVG23 1124 f). Die Schutzbestimmung des § 159 Abs 2 VersVG gilt daher immer, wenn der Versicherungsnehmer ein vermögenswertes Interesse am Tod des Versicherten hat (Bruck-Möller-Wagner VVG8 VI/1, 75, 45, 104 f zu der in diesem Punkte gleichgelagerten Bestimmung des § 179 Abs 3 VersVG). Die erwähnte Bestimmung gilt daher auch für gemischte Versicherungen. Fehlt im Falle einer kombinierten Versicherung die Einwilligung des Versicherten, so ist der Vertrag dann unwirksam, wenn durch den Versicherungsvertrag ausschließlich Todfallsleistungen bedungen sind, sodass es sich begrifflich um eine Lebensversicherung handelt (Prölls-Martin23, 1225).
Die Ausführungen der Revision, denen zufolge von einer Zustimmung des Versicherten zum Abschluss der Lebensversicherung auch dann ausgegangen werden müsse, wenn eindeutig feststehe, dass er dem Abschluss des Vertrags zustimmen wollte, eine schriftliche Zustimmungserklärung jedoch nicht vorliege, wiederspricht dem eindeutigen Wortlaut des § 159 Abs 2 VersVG. Diese Bestimmung fordert ohne jede Ausnahme eine schriftliche Einwilligung. Grundsätzlich kann zwar diese Einwilligung auch durch einen Bevollmächtigten erteilt werden. Bezweckt jedoch eine Formvorschrift die Dokumentation der Ernstlichkeit des Parteiwillens oder eine gründliche Überlegung durch die Partei, dann gilt die Formvorschrift für den abzuschließenden Vertrag auch für die Vollmachtserteilung zum Abschluss dieses Vertrags (Strasser in Rummel, Rdz 5 zu § 1005; Stanzl in Klang2 IV/1, 806). Die Formvorschrift des § 159 Abs 2 VersVG bezweckt den Nachweis der gründlichen Überlegung durch die Partei. Demnach genügt für die Zustimmungserklärung des Versicherten im Sinne dieser Bestimmung nicht eine mündliche Vollmacht (Bruck-Möller-Wagner aaO, 523).
Die Klägerin beruft sich nunmehr in der Revision auf eine Unterschrift der Gattin des Beklagten in einem von ihr vorgelegten „großen ärztlichen Zeugnis“ (Beilage E). Es ist zwar richtig, dass grundätzlich die in § 159 Abs 2 VersVG geforderte Zustimmung nicht auf der Vertragsurkunde selbst aufscheinen muss, sondern auch eine eigene Urkunde hiezu genügt. Zutreffend verweist jedoch der Beklagte in der Revisionsbeantwortung darauf, dass die Klägerin im gesamten Verfahren erster Instanz nie behauptet hat, dass seine Gattin schriftlich dem Abschluss der Versicherung zugestimmt habe. Die Beilage E wurde zum Beweis für ein anderes Vorbringen vorgelegt. Hiebei wurde auf die Unterschrift der Gattin des Beklagten nicht verwiesen, ja nicht einmal behauptet, dass es sich bei der auf der Urkunde befindlichen Unterschrift tatsächlich um eine solche der Gattin des Beklagten handelt. Eine Erklärung zu der Echtheit insbesondere in diesem Punkt wurde nicht abgegeben (S 24 d.A.). Erst in der Tagsatzung vom 27. 1. 1984 wendete der Beklagte ein, dass der Versicherungsvertrag infolge Verletzung der Bestimmung des § 159 Abs 2 VersVG ungültig sei (S 67 f d.A.). Die Klägerin stellte hiezu lediglich außer Streit, dass die Unterschrift auf dem Versicherungsantrag selbst vom Beklagten stamme und dass der Antrag mit Wissen und Zustimmung der Ehegattin des Beklagten gestellt worden sei. Eine schriftliche Zustimmung der Ehegattin des Beklagten zur Antragstellung wurde nie behauptet. Demnach handelt es sich bei der Berufung auf die Unterschrift der Ehegattin des Beklagten in der Revision um eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung, weil die Klägerin nie geltend gemacht hat, dass sowieso die schriftliche Zustimmung der Ehegattin des Beklagten vorliege. Eine Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen zur Erörterung dieser Frage ist deshalb nicht möglich, weil der Komplex der Notwendigkeit der Zustimmung der Ehegattin des Beklagten zum Abschluss des Versicherungsvertrags sowieso hinreichend erörtert worden ist.
Abgesehen vom Fehlen eines entsprechenden Vorbringens der Klägerin könnte auch die Beilage E für sich allein keine ausreichende Grundlage für eine Änderung der Entscheidung des Berufungsgerichts bieten. Es wurde nicht einmal eine Erklärung des Beklagten bezüglich der Echtheit der auf der Beilage E aufscheinenden Unterschrift seiner Ehegattin eingeholt. Im Übrigen würde auch die in der Beilage E unterfertigte Erklärung nicht ausreichen. Die Möglichkeit, dass ein anderer als die Gefahrenperson aus dem Versicherungsvertrag berechtigt ist, ist gemäß § 159 Abs 2 VersVG davon abhängig, dass die Gefahrenperson dieser Rechtsgestaltung zustimmt. Diese Zustimmung muss in Kenntnis der tatsächlichen Gefährdung gegeben werden, die sich aus dem Umstand ergibt, dass für einen Dritten durch die Art des Vertragsabschlusses ein Anreiz für die Herbeiführung des Versicherungsfalles geschaffen wird (Bruck-Möller-Wagner, VVG8 VI/1, 122 f zu der in diesem Punkt gleichartigen Bestimmung des § 179 Abs 3 VersVG). Die Gefahrenperson muss also in der Lage sein, das Risiko, das sie mit der Einwilligung auf sich nimmt, abzuwägen. Dies setzt die Kenntnis der Art der Versicherung, der Person des Versicherungsnehmers und der Höhe der Versicherungssumme voraus (Bruck-Möller-Wagner aaO 523). Auf diese Umstände enthält die Beilage E keinerlei Hinweis. Ihr kann nicht einmal die Art der beantragten Versicherung und schon gar nicht die Person des Begünstigten entnommen werden. Der von der Gattin des Beklagten unterfertigte Wortlaut brachte auch nicht annähernd das für die Unterzeichnerin mit dem durch den Abschluss des Versicherungsvertrags geschaffene Risiko zum Ausdruck. Demnach war diese Erklärung für sich allein keine geeignete Grundlage für eine Klagsstattgebung. Vielmehr hätte es hiezu allenfalls einer Erörterung bedurft, die jedoch ein Vorbringen der Klägerin vorausgesetzt hätte. An einem solchen Vobringen der Klägerin fehlt es. Demnach kann die Beilage E zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Textnummer
E116939European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00039.840.1213.000Im RIS seit
02.02.2017Zuletzt aktualisiert am
02.02.2017