Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef H***, Maschinenarbeiter, 4600 Wels, Grüne Zeile 51, vertreten durch Dr. Alois Heigl, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wider die beklagte Partei Wilhelmine H***, Fabrikarbeiterin, 4600 Wels, Bauordenstraße 26, vertreten durch Dr. Friedrich Wilhelm Ganzert, Rechtsanwalt in Wels, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 2.Juli 1984, GZ R 305/84-38, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 29.Dezember 1983, GZ 3 C 1035/82-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.940,15 (darin S 223,65 Umsatzsteuer und S 480,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 5.10.1957 von den Parteien geschlossene Ehe wurde mit Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 16.6.1978 rechtskräftig geschieden. Der Kläger ist grundbücherlicher Alleineigentümer des Hauses W***, Bauordenstraße 26.
Der Kläger begehrt, die Beklagte zur Räumung des Hauses zu verurteilen. Er sei am 17.2.1975 aus dem Hause ausgezogen, weil das Zusammenleben mit der Beklagten unerträglich geworden sei. Die Beklagte bewohne das Haus, benütze aber sämtliche Räume ohne jeglichen Rechtstitel. Den seit der Scheidung wiederholten Aufforderungen zur Räumung sei die Beklagte nicht nachgekommen. Die Beklagte beantragte Klagsabweisung, bestritt das Klagebegehren und wendete im wesentlichen ein, die Streitteile hätten das Haus durch ihre "beiderseitige Mitwirkung" unter Verwendung ihrer gemeinsamen Ersparnisse errichtet und hätten dazu eine Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht gebildet. Der Kläger habe, ohne die Beklagte zu verständigen, die Einverleibung seines alleinigen Eigentumsrechtes erwirkt. In dem nach der Scheidung durchgeführten Unterhaltsverfahren habe der Kläger nie das Recht der Beklagten zur Benützung des Hauses in Frage gestellt und er sei auf Grund der Miteigentümerschaft der Beklagten und des vereinbarten Benützungsrechtes nicht zur Räumungsklage legitimiert. Er könne höchstens die Aufhebung der bürgerlich-rechtlichen Erwerbsgesellschaft begehren.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Im Jahr 1956 wurde auf Grund einer Initiative des Flüchtlingsseelsorgers M*** die ST.S***-Siedlung in W*** gegründet. Unter den Bauwerbern befanden sich auch der Kläger und die Beklagte, die beide infolge der Kriegsereignisse nach Oberösterreich gekommen waren. Damals waren der Kläger und sein Bruder Anton H*** Hälfteeigentümer einer Liegenschaft samt Einfamilienhaus in S*** bei G***. Sie verkauften dieses Haus um S 96.000,-- und teilten den Kaufpreis so untereinander auf, daß jeder von ihnen S 48.000,-- erhielt. Daraufhin kaufte der Kläger die Liegenschaft in W***, Bauordenstraße um S 11.000,--. Die Beklagte zahlte davon S 5.500,--. Etwa Ende März 1957 erklärte die Beklagte, sie wolle nicht nach W*** ziehen und wolle ihr Geld zurück haben. Der Kläger gab ihr hierauf S 5.000,-- zurück, welche die Beklagte in einem Wutanfall zerriß. Das Haus Bauordenstraße 26 wurde in den Jahren 1957 und 1958 erbaut. Die Beklagte arbeitete damals ganztägig bei der Firma S*** in W***. Der Kläger leistete Nachtschichtarbeiten und war während des Tages beim Hausbau tätig. Er finanzierte den Hausbau mit dem Betrag von S 48.000,--, den er aus dem Verkauf der Liegenschaft in S*** erhalten hatte, und erhielt weitere Zuwendungen von seiner Mutter und seiner Großmutter. Die Arbeiten wurden hauptsächlich vom Kläger, Agnes und Peter S*** und einem Schwager der Ehegatten namens Z*** sowie von weiteren Hilfskräften verrichtet. Die Beklagte arbeitete fallweise und hauptsächlich an den Wochenenden mit. Sie kaufte die Kücheneinrichtung und noch einige weitere Einrichtungsgegenstände. Sie wendete insgesamt etwa S 15.000,-- bis S 20.000,-- aus Eigenmitteln für den Hausbau und für die Einrichtung auf. Die restlichen Mittel wurden vom Kläger aufgebracht, der auch die Kredite allein zurückzahlte. Der Kläger und die Beklagte zogen kurz vor Weihnachten 1958 in das Haus ein.
Das Verhältnis zwischen den Ehegatten war von Anfang an gespannt und wurde in der Folge noch schlechter. Es herrschte eine haßerfüllte Atmosphäre und dauernder Streit. Im Jahre 1960 zog der Kläger aus dem Wohnraum in ein Mansardenzimmer dieses Hauses. Er hielt sich nur mehr dort und im Keller des Hauses auf. Aus den übrigen Räumen hatte ihn die Beklagte im Lauf der Zeit "hinausgeekelt". Die Parteien stritten unter anderem dauernd um das Eigentum am gegenständlichen Haus. Dieses sollte 1974 von der Wohnbaugenossenschaft D*** an die einzelnen Bauwerber übertragen werden. Der Kläger hatte ein Anwartschaftsrecht. Die Beklagte wollte jedoch erwirken, daß sie Hälfteeigentümerin der Liegenschaft werde. Der Kläger wäre aber damit nur dann einverstanden gewesen, wenn auch die Beklagte ihn an der ihr allein gehörigen Liegenschaft in W***, Radetzkystraße, hätte anschreiben lassen. Die Beklagte hatte nämlich dort bereits in den Jahren 1964 und 1965 einen Baugrund um S 53.700,-- erworben, und darauf den Rohbau eines Hauses errichtet. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt füllte der Kläger einen Fragebogen der Siedlungsgenossenschaft hinsichtlich der Übereignung der Liegenschaft aus und trug in diesem unter der Spalte "eventuelle Servitute (Benützungsrechte = Wohnrecht, Gartenrecht usw.)" den Namen der Beklagten ein. Als Miteigentümer zu einem Drittel trug er seinen Sohn Werner H*** ein, welcher inzwischen verstorben ist. Die Streitteile führten stets getrennte Kassen. Jeder Ehegatte verwaltete sein Geld allein. Nur am Anfang der Ehe war kurzfristig eine gemeinsame Familienkasse geführt worden. Eine Einigung der Streitteile über die Eigentumsverhältnisse an der Liegenschaft Bauordenstraße ist nie erfolgt, obgleich der Pfarrer M*** mehrfach Vorschläge dazu gemacht hatte.
Es kann nicht festgestellt werden, daß die Streitteile das Wohnhaus und das Grundstück Bauordenstraße 26 gemeinsam ausgesucht, gemeinsam geplant, während des Baus das jeweils notwendig Werdende gemeinsam besprochen und irgendwelche Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte einander zugestanden haben. Ebenso kann eine gemeinsame Besprechung der Hausangelegenheiten, der Kostenkalkulation und der Kostentragung nicht festgestellt werden. Eine ausdrückliche Vereinbarung, daß die Streitteile ihr Kapital, ihr Einkommen und ihre Arbeitskraft zur Errichtung des Wohnhauses vereint hätten, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Die Beklagte beantragte am 11.9.1974 beim Bezirksgericht W*** zu L 51/74, den Kläger wegen Geistesschwäche beschränkt zu entmündigen, weil er wahnhafte Vergiftungsvorstellungen habe. Der Kläger geriet darüber so in Wut, daß er gegen die Beklagte tätlich wurde. Er wurde schließlich festgenommen und wegen Gemeingefährlichkeit in das W***-J***-Krankenhaus in L*** eingewiesen. Dort wurde eine chronische paranoide Schizophrenie festgestellt und seine Anhaltung für die Dauer von sechs Monaten für zulässig erklärt. Die Krankheit des Klägers beeinträchtigte aber nur seine Handlungsfähigkeit in einem sehr engen Bereich, nämlich im Zusammenleben mit seiner Frau. Am 13.12.1974 wurde er aus der Behandlung entlassen und zog wieder in sein Mansardenzimmer. Dort wurden die Streitigkeiten fortgesetzt. Auf Rat seiner Angehörigen verließ er das Haus und zog zu seiner Mutter und seinem Bruder.
In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht, aus dem festgestellten Sachverhalt könne nicht abgeleitet werden, daß bezüglich des Hauses, wie die Beklagte behaupte, eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes stillschweigend zustandegekommen sei. Ein dringendes Wohnbedürfnis an dem Haus Bauordenstraße 26 (§ 97 ABGB) habe die Beklagte nicht geltend gemacht. Im übrigen stelle ihr Verhalten einen Umstand im Sinne des § 97, 2.Satz ABGB dar, der den Schutz ihres Wohnbedürfnisses nach dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle ausschließe. Der Räumungsklage sei daher Folge zu geben.
Das Berufungsgericht übernahm die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes in seinem gesamten Inhalt erhebt die Beklagte Revision mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung. Sie stellt hilfsweise Aufhebungs- und Rückverweisungsanträge an die zweite oder die erste Instanz. Der Kläger, der eine Revisionsbeantwortung erstattete, beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Was die Revision ausdrücklich als Aktenwidrigkeit, sinngemäß aber auch als Verfahrensmangel rügt - die Feststellung, daß die Beklagte den ihr vom Kläger zurückgegebenen Betrag von S 5.000,-- zerriß, rechtfertige nicht die Annahme, daß sie die zerrissenen Scheine auch behalten und damit den von ihr geleisteten Geldbetrag tatsächlich zurückerhalten habe - , erfüllt keinen der genannten Revisionsgründe, zumal die Beklagte selbst nicht behauptet, daß sie das zerrissene Geld dem Kläger zurückgegeben habe. Damit kann aber auch von einem für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Feststellungsmangel - über den weiteren Verbleib der zerrissenen Noten - nicht die Rede sein.
In ihrer Rechtsrüge führt die Beklagte ins Treffen, daß "selbst nach den Feststellungen der Unterinstanzen" die Parteien sich die mit der Errichtung des Hauses zusammenhängenden Aufgaben geteilt und die notwendigen Besprechungen geführt hätten und jedenfalls in den Anfangsjahren sich über die Durchführung des Vorhabens einig gewesen seien und damit "sicherlich" eine, wenn auch lose, wirtschaftliche Organisation vereinbart hätten. Werde aber eine solchermaßen zustandegekommene bürgerlich-rechtliche Erwerbsgesellschaft angenommen, sei das Räumungsbegehren verfehlt.
Bei diesen Ausführungen geht die Revision indes nicht von den entscheidungswesentlichen Feststellungen aus; sie setzt sich vielmehr geradezu über diese hinweg und bringt solcherart den Revisionsgrund nicht zu der gesetzmäßigen Darstellung. Gerade jene Umstände, die für das Zustandekommen einer Erwerbsgesellschaft sprechen könnten, vermochten nicht festgestellt zu werden, nämlich daß die Streitteile "das Wohnhaus und das Grundstück .... gemeinsam ausgesucht, gemeinsam geplant, während des Baus das jeweils notwendig Werdende gemeinsam besprochen und irgendwelche Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte einander zugestanden haben", ebensowenig "eine gemeinsame Besprechung der Hausangelegenheiten, der Kostenkalkulation und der Kostentragung" und "eine ausdrückliche Vereinbarung, daß die Streitteile ihr Kapital, ihr Einkommen und ihre Arbeitskraft zur Errichtung des Wohnhauses vereint hätten". In Ermangelung dieser Feststellungen (vgl. 3 Ob 604/81) kann aber, wie die Vorinstanzen richtig erkannten, ein auch nur schlüssiges Zustandekommen einer Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht nicht angenommen werden. Es fehlt an Grundlagen für den zwingenden Schluß, daß die Parteien sich zum gemeinschaftlichen Nutzen (§ 1175 ABGB) vereinigt hätten. Das Zustandekommen eines Gesellschaftsvertrages gemäß § 863 ABGB ist aber zu verneinen, wenn ein Ehegatte in den irgendwie wesentlichen Fragen kein Mitspracherecht hat (vgl. GesRZ 1972, 47 ua; zuletzt 5 Ob 588/82). Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E08899European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0040OB00525.84.1218.000Dokumentnummer
JJT_19841218_OGH0002_0040OB00525_8400000_000