Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Roland Piccolruaz und Dr. Guntram Lins, Rechtsanwälte in Bludenz, wider die beklagte Partei R*****, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 30.628,59 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Juni 1984, GZ 6 R 117/84-8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 26. Jänner 1984, GZ 3 Cg 1466/83-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 4.458,60 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 360 S Barauslagen und 372,60 S USt) sowie die mit 3.180,15 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 720 S Barauslagen und 223,65 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht erließ aufgrund eines am 2. 6. 1980 ausgestellten Wechsels über eine Wechselsumme von 42.361,06 S einen Wechselzahlungsauftrag über 30.628,59 S sA. Die Beklagte war von der Klägerin als Wechselbürge in Anspruch genommen worden, hatte jedoch eingewendet, dass die auf dem Wechsel unter ihrer Stampiglie aufscheinenden Unterschriften nicht von Personen stammen, die für die Beklagte vertretungsbefugt gewesen seien.
Das Erstgericht ging von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:
Die Klägerin hatte gegen Dkfm. S***** eine Forderung von 42.361,06 S. Dem Ersuchen Dkfm. S*****s, diese Forderung mittels eines Wechsels abzudecken, stimmte die Klägerin unter der Bedingung zu, dass eine Wechselbürgschaft beigebracht werde. Dkfm. S***** wandte sich an die Beklagte, zu der er in Geschäftsverbindung stand. Er traf in den Räumen der R***** auf den dortigen Geschäftsleiter Ernst S*****, den er ersuchte, auf dem Wechsel bei seiner Unterschrift als Bezogener den Stempel der R***** und Umgebung anzubringen und dort zu unterfertigen. S***** wies Dkfm. S***** darauf hin, dass er nur Schalterzeichnungsbefugnis habe, unterschrieb jedoch auf Drängen des Dkfm. Ernst S*****. Dieser bat dann, dass auch eine zweite Person unterfertigen müsse, worauf die neben S***** stehende weitere Bedienstete der R*****, Frau R*****, unterfertigte. Weder S***** noch R***** waren befugt, für die Beklagte Wechselbürgschaftserklärungen abzugeben. Zur Eingehung derartiger Verpflichtungen bedurfte es eines Vorstandsbeschlusses der Beklagten sowie der Fertigung durch den Obmann bzw Obmannstellvertreter und eines anderen Vorstandsmitglieds. Zu den genannten Personen gehörten weder S***** noch R*****.
Der Klägerin ist die mangelnde Vertretungsbefugnis der beiden Unterfertigten nicht aufgefallen, zumal sie nicht in Geschäftsverbindung zur Beklagten stand und die beiden Unterschriften auch kaum leserlich waren.
Das Erstgericht hob den Wechselzahlungsauftrag auf und vertrat den Standpunkt, mangels Vertretungsbefugnis der beiden unterfertigenden Personen sei es zu keiner Wechselverbindlichkeit der Beklagten gekommen.
Das Berufungsgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag aufrecht und führte in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen Folgendes aus:
Die Unterfertigung des Wechsels durch zwei hiezu nicht befugte Personen habe ihre Grundlage in der Organisation der beklagten Bank. Für derartige Umstände, die aus ihrer Organisation entstehen, hafte die Bank gegenüber dem Kunden. Die Beklagte habe jenen Tatbestand geschaffen, aus dem die Annahme der Klägerin von einer Haftung der Beklagten entstanden sei. Demnach müsse die Beklagte gegenüber der Klägerin für die von ihren Angestellten geleisteten Unterschriften haften. Die Klägerin habe die ihr zumutbare Sorgfaltspflicht nicht verletzt, weil ihr eine weitergehende Prüfung schon im Hinblick darauf nicht zugemutet werden konnte, dass es sich um einen relativ geringfügigen Betrag handelte und daher keinerlei Bedenken gegen die Übernahme einer Bürgschaftsverpflichtung auf der Hand gelegen wären.
Das Berufungsgericht hat die Revision nicht für zulässig erklärt.
Die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung von der Beklagten gegen das Urteil des Berufungsgerichts erhobene außerordentliche Revision ist zulässig.
Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um eine nur für den konkreten Rechtsfall bedeutsame Entscheidung, weil hier die über den Einzelfall hinausgehende Frage zu klären war, inwieweit eine Bank für Erklärungen oder Schritte zu haften habe, die ihr Schalterpersonal in Überschreitung der ihm erteilten Befugnisse setzt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist auch gerechtfertigt.
Fest steht, dass der Wechsel von zwei Angestellten der Beklagten, die hiezu nicht berechtigt gewesen wären, unterfertigt worden ist. Nach Art 8 des Wechselgesetzes haften daher diese beiden Angestellten selbst wechselmäßig. Derjenige, mit dessen Namen ein Wechsel unterschrieben wurde, kann sich bezüglich der Frage des Grundes der ihn treffenden Wechselverbindlichkeit auf die Einwendung beschränken, dass der Unterfertiger nicht bevollmächtigt war, im Rahmen der ihm erteilten Handlungsvollmacht auch Wechselverbindlichkeiten einzugehen. Wenn sich die Stichhaltigkeit dieser Einwendung im Verlaufe des Verfahrens herausstellt, obliegt es sodann dem klagenden Wechselinhaber darzutun, aus welchen Gründen der im Wechsel Genannte zum Wechselschuldner geworden ist (5 Ob 96/73). Die Judikatur hat zwar die Verpflichtung eines Kaufmannes, den gegen ihn sprechenden Schein einer Bevollmächtigung durch geeignete Maßnahmen zu beseitigen, ausgesprochen und weiter ausgeführt, dass der Kaufmann mangels Aufklärung des Sachverhalts so zu behandeln sei, als hätte er die Unterschrift auf dem Wechsel selbst gegeben (SZ 27/152, SZ 37/21 ua), doch hatte in diesen Fällen der Kaufmann stets Kenntnis davon, dass der Unterfertiger des Wechsels bereits öfter derartige Handlungen gesetzt hatte. Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein.
Das Berufungsgericht geht nun bei der Begründung der Haftung des Beklagten von einem Vertrauen der Klägerin auf den äußeren Tatbestand aus, wobei es die Haftung der Beklagten insbesondere daraus ableitet, dass es zu der Unterfertigung des Wechsels aus Umständen gekommen ist, die in deren Organisation lagen. Inwieweit das Vertrauen auf den äußeren Tatbestand überhaupt geeignet ist, Wechselverbindlichkeiten desjenigen zu schaffen, der den Wechsel nicht selbst unterfertigt und dem Unterfertiger hiezu auch nicht Vollmacht erteilt hat, muss hier nicht abschließend untersucht werden. Das Vertrauen auf den äußeren Tatbestand muss nämlich seine Grundlage im Verhalten des Vollmachtgebers haben, das diesen äußeren Tatbestand schafft und die Überzeugung des Dritten vom Vorhandensein der Vertretungsmacht begründet (Koziol-Welser6 I, 136, SZ 45/71, SZ 44/46, SZ 36/35 ua). Dies heißt aber nicht, dass jede vom angeblich Vertretenen gesetzte Maßnahme ein Vertrauen auf den äußeren Tatbestand begründet. Hiezu sind vielmehr nur Maßnahmen geeignet, die einen Schluss gerade auf die Vertretungsmacht rechtfertigen können. Ein außenstehender Dritter darf nun ohne weiters der Annahme sein, dass der einzige Angestellte eines Kreditinstituts zur Vornahme aller jener Verrichtungen bestellt ist, die den gewöhnlichen und alltäglichen Dienstleistungen dieses Geldinstituts zuzurechnen sind. Dass dieser Angestellte sich im Geschäftsraum des Kreditinstituts aufhält und mit dessen Geschäftspapier und Geschäftsstampiglie ausgestattet ist, reicht jedoch nicht für die Annahme aus, dass er zum Abschluss jeden Geschäfts bevollmächtigt sei, das sich dem Betriebsgegenstand zuordnen lässt (JBl 1976, 307 – Welser hat in seiner Besprechung lediglich das konkrete Ergebnis dieser Entscheidung im Hinblick auf den festgestellten Sachverhalt abgelehnt).
Im vorliegenden Fall steht lediglich fest, dass die beiden Personen, die den Wechsel unterfertigt haben, in den Geschäftsräumen der Beklagten anwesend waren und dass es sich um Personen handelte, die ausschließlich den Schalterdienst (im Falle S*****s auch durch Abgabe von Schalterzeichnungen) zu versehen hatten. Die bloße Bestellung von Angestellten durch eine Bank zur Abwicklung des Schalterdienstes ist aber noch kein Umstand, aus dem die Bevollmächtigung dieser Personen zur Eingehung von Verbindlichkeiten abgeleitet werden könnte. Es ist zwar richtig, dass die Bank im Allgemeinen für Verbindlichkeiten haftet, die aus ihrer Betriebsorganisation entstehen (JBl 1976/307, 6 Ob 708/82 ua), doch kann dies nicht so verstanden werden, dass die Haftung für jede Handlung der Angestellten einer Bank, die in Überschreitung der ihnen erteilten Befugnis gesetzt wurde, dann gegeben ist, wenn die Bank keine vom üblichen abweichende Organisationsmaßnahme gesetzt hat. Missbraucht vielmehr ein Angestellter, der im Rahmen der üblichen Organisation einer Bank auf eine Weise tätig ist, die gewöhnlich eine Vertretungsmacht für die Bank nicht mit sich bringt, seine Befugnisse, so wird man im Allgemeinen eine Haftung der Bank für diese Handlung oder Erklärung dann nicht annehmen können, wenn den vertretungsbefugten Organen die Vollmachtsüberschreitung durch den Angestellten nicht bekannt war oder bekannt sein musste. Andernfalls würde sich eine Haftung der Bank schlechthin für alle Handlungen ihrer Angestellten, seien diese befugt oder unbefugt, ergeben. Der oben aufgezeigte Grundsatz der Haftung einer Bank für Umstände, die sich aus ihrer Organisation ergeben, kann daher nur so verstanden werden, dass die Haftung dann gegeben ist, wenn die Bank eine vom üblichen abweichende Organisationsmaßnahme gesetzt hat, oder wenn die unbefugte Handlung durch eine bestimmte Art der Organisation geradezu gefördert würde. Dies muss hier verneint werden. Jede Bank muss ihren Betrieb durch Schalterpersonal abwickeln, das auch mit einer Stampiglie der Bank ausgestattet sein muss. Missbraucht eine der im Schalterdienst tätigen Personen ihre Stellung dazu, namens der Bank Verbindlichkeiten einzugehen, so ist dies nicht auf eine besondere Organisationsmaßnahme dieser Bank zurückzuführen. War diese Handlungsweise ihres Angestellten der Bank nicht bekannt und musste sie ihr auch nicht bekannt sein, so wird diese Handlung im Allgemeinen nicht geeignet sein, einen äußeren Tatbestand zu schaffen, auf dessen Vertrauen ein Rechtserwerb stattfinden kann.
Im vorliegenden Fall ist also eine Haftung der Beklagten aufgrund der gegenständlichen Wechselerklärung schon deshalb zu verneinen, weil die Beklagte gar keinen äußeren Tatbestand geschaffen hat, der einem Dritten einen Rechtserwerb gestatten würde. Es muss also nicht untersucht werden, ob auch die zweite Voraussetzung für einen Rechtserwerb infolge Vertrauens auf den äußeren Tatbestand, nämlich die Einhaltung der entsprechenden Sorgfaltspflicht der Klägerin, gegeben war.
Mangels rechtswirksamer Wechselverpflichtung der Beklagten hat demnach das Erstgericht mit Recht den Wechselzahlungsauftrag aufgehoben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Textnummer
E122524European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00705.840.1220.000Im RIS seit
30.08.2018Zuletzt aktualisiert am
30.08.2018