Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Dezember 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mahn als Schriftführers in der Strafsache gegen Werner A und andere wegen des Verbrechens des Diebstahls nach § 127 ff. StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Johann S*** und Ernst B sowie über die Berufungen der Angeklagten Josef C und Manfred (Alois) D gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 11.September 1984, GZ 5 Vr 999/84-90, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ernst B wird zur Gänze, jene des Angeklagten Johann E wird teilweise, und zwar insoweit, als sie auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z. 3 und 5 StPO gestützt ist, zurückgewiesen.
Hingegen wird der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann E im übrigen Folge gegeben und das im übrigen unberührt bleibende Urteil - gemäß § 290 Abs 1 StPO auch in Ansehung der Angeklagten Werner A, Josef C und Manfred D - in den Aussprüchen, Johann E, Werner A, Josef C und Manfred D haben die ihnen zur Last liegenden schweren Diebstähle laut den Punkten I B 6, D, E und F sowie II 2 und 3 des Urteilssatzes als Mitglieder einer Bande begangen, demgemäß in der Unterstellung der in den Punkten I, II und III bezeichneten Taten unter § 130, zweiter Fall, StGB, sowie in den die Angeklagten Johann E, Werner A, Josef C und Manfred D betreffenden Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen. Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Ernst B werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Die Angeklagten Josef C, Manfred D und Johann E werden mit ihren Berufungen auf die vorstehende Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Das Landesgericht erkannte (u.a.) nachstehend angeführte Angeklagte wie folgt schuldig:
Werner A zu I und II des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Bandendiebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1 und 2 Z. 1, 128 Abs 2, 129 Z. 1, 130, zweiter und dritter Fall, und 12 StGB; zu III des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach § 146, 147 Abs 2, 148, zweiter Fall, StGB; zu V des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs 1, 224 StGB;
Josef C zu I und II des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Bandendiebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1 und 2 Z. 1, 128 Abs 2, 129 Z. 1, 130, zweiter und dritter Fall, und 12 StGB; zu III des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach § 146, 147 Abs 1 Z. 1 und Abs 2, 148, zweiter Fall, StGB, zu IV des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs 1, 224 StGB;
Manfred D zu I D, F sowie II 2 und 3 des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Bandendiebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1, 128
Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1, 130, zweiter und dritter Fall, und 12 StGB;
und zu IV 2 des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs 1, 224 StGB;
Johann E zu I D, E, F und II 3 des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Bandendiebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129
Z. 1, 130, zweiter und dritter Fall, und 12 StGB; zu III des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach § 146, 147 Abs 1 Z. 1, Abs 2, 148, zweiter Fall, StGB und zu IV des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs 1, 224 StGB;
Ernst B zu I F des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1 und 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB
und zu IV 2 des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs 1, 224 StGB
Gegen den Urteilsvorwurf der Gewerbsmäßigkeit (sowohl beim Diebstahl als auch beim Betrug) wendet sich der Angeklagte E mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 3, 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Angeklagte B bekämpft seinen Schuldspruch gleichfalls mit Nichtigkeitsbeschwerde; er macht den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 5 StPO geltend. Darüber hinaus fechten diese beiden Angeklagten sowie die Angeklagten C und D die sie betreffenden Strafaussprüche mit Berufung an.
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Beschwerde des Angeklagten B:
Dieser Rechtsmittelwerber rügt - wie bereits angeführt - unter Bezugnahme auf § 281 Abs 1 Z. 5 StPO die Urteilsfeststellungen betreffend die Dauer der Bekanntschaft mit den anderen Angeklagten als undeutlich. Die Relevanz derselben begründet er damit, daß es für die Strafbemessung von Bedeutung sei, wer von den Angeklagten erst kurz vor der Tatbegehung zu den Bestimmungstätern stieß und an den zur Last gelegten strafbaren Handlungen nur in untergeordneter Weise teilnahm. Als Unvollständigkeit bemängelt der Beschwerdeführer die Nichtberücksichtigung der Verantwortungen des Mitangeklagten E vor dem Untersuchungsrichter (ON 8), wonach jener beim Einbruchsdiebstahl laut Urteilsfaktum I F zwar als Aufpasser fungierte, jedoch noch während der Durchführung dieser Tat 'absprang und verschwand', und des Mitangeklagten D (gleichfalls) beim Untersuchungsrichter (ON 11), derzufolge der Beschwerdeführer bei der Verteilung der aus dem Diebstahl bei der Firma F stammenden Beute nicht zugegen war und D den Beschwerdeführer vor der Tat gar nicht kannte.
Mit diesem Vorbringen macht der Angeklagte B weder den angerufenen noch einen anderen, im § 281 Abs 1 StPO angeführten Nichtigkeitsgrund geltend, weil damit - wie er selbst in der Beschwerdeausführung betont - nur Umstände aufgezeigt werden, die bei der Strafbemessung Relevanz haben können. Solche sind aber nur im Rahmen der Berufung geltend zu machen und zu berücksichtigen. Ein formaler Begründungsmangel in der Bedeutung der Z. 5 des § 281 Abs 1 StPO wird dadurch nicht zur Darstellung gebracht. Die Nichtigkeitsbeschwerde Ernst BS war daher gemäß § 285 d Abs 1 Z. 1 StPO i.V.m. § 285 a Z. 2 StPO zurückzuweisen.
2. Zur Beschwerde des Angeklagten E im Umfang des § 281 Abs 1 Z. 3 und 5 StPO:
In diesem Teil der Beschwerde werden - der Sache nach nur unter dem Gesichtspunkt der Z. 5, nicht auch der Z. 3 des § 281 Abs 1 StPO, weil eine Vorschrift des § 260 Abs 1 Z. 1 bis 3 StPO nicht verletzt wurde - Begründungsmängel bezüglich der die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit des schweren Bandendiebstahls durch Einbruch und des Betrugs betreffenden Urteilsfeststellungen behauptet: Das Erstgericht habe sich nämlich insoweit mit der bloßen Anführung der verba legalia (des § 70 StGB) in Spruch und Gründen begnügt.
Dem ist zu erwidern:
Nach der (besonderen) Lage des Falls können die gerügten Urteilsfeststellungen (noch) als ausreichend angesehen werden, weil der Rechtsmittelwerber (und übrigens auch die rechtskräftig mitverurteilten Angeklagten A, C und D) nicht nur bei der Polizei und vor dem Untersuchungsrichter (ON 8) alle den späteren Schuldspruch erfassenden Tathandlungen (u.a. des Diebstahls und des Betrugs) zugaben, sondern sich auch in der Hauptverhandlung vollinhaltlich im Sinn der - u.a. die Absicht, sich durch die Begehung der Diebstähle und der Betrügereien eine fortlaufende Einnahme verschaffen zu wollen, inkriminierenden - Anklageschrift schuldig bekannten (wobei sich der Nichtigkeitswerber auf seine Verantwortung vor dem Untersuchungsrichter berief und diese auch vortrug - S. 182/II. Band). Die Polizeiangaben (u.a. des Angeklagten E) wurden in der Hauptverhandlung (der Vorschrift des § 252 Abs 2 StPO entsprechend) verlesen (S. 184/II. Band).
Unter diesen Voraussetzungen bedeutet die in Urteilsspruch und - begründung angeführte, sich in dem Wortlaut des § 70 StGB erschöpfende Feststellung zur Gewerbsmäßigkeit, (u.a.) der Beschwerdeführer habe in der Absicht gehandelt, sich durch die Begehung der (Banden-)Diebstähle (durch Einbruch) und der Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, keinen Begründungsmangel im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds. Wegen in allen Verfahrensstadien übereinstimmender Verantwortung und des in der Hauptverhandlung erfolgten Eingeständnisses auch des Anklagevorwurfs, die in Rede stehenden Eigentumsdelikte in der Absicht, sich durch deren Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, verübt zu haben, worauf das Landesgericht in den Urteilsgründen hinweist (s.S. 201 oben/II. Band), kam das Erstgericht seiner im § 270 Abs 2 Z. 5 StPO normierten Begründungspflicht - zusammenfassend betrachtet - nach. Mithin war jener Teil der Nichtigkeitsbeschwerde, in welcher der Angeklagte E formelle Nichtigkeitsgründe bezeichnete, gemäß § 285 d Abs 1 Z. 2 StPO zurückzuweisen.
3. Zur Beschwerde des Angeklagten E im Umfang des § 281 Abs 1 Z. 10 StPO und zur Maßnahme gemäß § 290 StPO:
Mit Recht macht der Angeklagte E Feststellungsmängel zur Bandenqualifikation (§ 130 StGB) geltend. Voraussetzung für deren Annahme ist nämlich, daß der Diebstahl als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begangen wurde. Wie sich aus § 278 StGB ergibt, versteht man unter einer Bande die Vereinigung von mindestens drei Personen, die sich mit dem Vorsatz verbunden haben, im voraus entweder gar nicht oder nur der Art nach bestimmte strafbare Handlungen zu begehen. Es muß sich mithin um noch ungewisse Delikte, zumindest aber um solche handeln, die nur der Art nach bestimmt sind. Mitgliedschaft bei einer Bande bedeutet, daß sich der Täter der Verbindung mit ihrer Planung eingegliedert hat und die Tat in die Kette der fortgesetzten Verübung derartiger Taten gehört. Hiebei muß noch kein fortgesetztes Delikt begangen sein; es kommt nur darauf an, daß das Ziel der Verbindung in einer fortgesetzten, d.h. wiederholten Begehung mehrerer an sich selbständiger Straftaten besteht (vgl. dazu u.a. Leukauf-Steininger, Komm. 2 , RN. 6 bis 8 zu § 130 StGB und die dort zitierte Judikatur).
Das angefochtene Urteil läßt jedwede, eine rechtliche Beurteilung des Beschwerdeführers als Mitglied einer Bande ermöglichende Feststellung vermissen. Es begnügt sich mit der (wiederholten) substanzlosen Bezeichnung (u.a.) des Angeklagten E als Mitglied einer Bande. Dieser Feststellungsmangel macht die teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich, sodaß in diesem Punkte gemäß § 285 e StPO zu verfahren war.
Der Oberste Gerichtshof konnte sich davon überzeugen, daß sich der vom Angeklagten E aufgegriffene Rechtsfehler (§ 281 Abs 1 Z. 10 StPO) auch auf die Mitangeklagten A, C und D bezieht, die eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht ergriffen haben. Auch seitens des öffentlichen Anklägers liegt ein solches Rechtsmittel nicht vor. Demgemäß war gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen so vorzugehen, als hätten auch die zuletzt genannten drei Angeklagten den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 10 StPO geltend gemacht.
4. Zu den Berufungen:
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten B waren die Akten dem Oberlandesgericht Graz als zuständigem Gerichtshof zweiter Instanz zuzuleiten, weil eine (die ausnahmsweise Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Erledigung der Berufung begründende) Sachentscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde des genannten Angeklagten (siehe dazu Punkt 1) entfällt (RZ. 1970 S. 17, 18; 1973 S. 70; zuletzt u.a. 13 Os 135/84, 13 Os 146/84). Die Angeklagten C, D und E waren mit ihren Berufungen auf das (u.a.) sie betreffende kassatorische Erkenntnis zu verweisen.
Anmerkung
E04998European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00195.84.1220.000Dokumentnummer
JJT_19841220_OGH0002_0130OS00195_8400000_000