Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Jänner 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hardegg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz A und einen anderen wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach § 15, 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1, 129 Z. 1 StGB über den Antrag des Angeklagten Josef B auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Franz A und Josef B sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 3.Oktober 1984, GZ 16 Vr 1374/84-60, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Angeklagten Josef B wird die Wiedereinsetzung (in den vorigen Stand) gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde bewilligt.
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Franz A und Josef B werden zurückgewiesen.
Die Akten werden zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Verfahrens über ihre Nichtigkeitsbeschwerden zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem oben bezeichneten Urteil wurde (u.a.) Josef B des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach § 15, 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1, 129 Z. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
Nach rechtzeitiger Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde wurde seinem (Verfahrenshilfe-) Verteidiger (§ 41 Abs 2 StPO) am 20.November 1984 eine Urteilsausfertigung zugestellt. Die Rechtsmittelschrift wurde erst am 5.Dezember 1984 und somit (um einen Tag) verspätet überreicht. Mit dieser Rechtsmittelausführung ist auch ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Ausführungsfrist verbunden. Darin wird im wesentlichen ins Treffen geführt, die 'bisher verläßliche Kanzleikraft' Monika C habe in der irrigen Annahme, dies werde die Kanzleiangestellte Evelyn D besorgen, es unterlassen, den (am 4.Dezember 1984) vom Verteidiger unterfertigten Schriftsatz zu kuvertieren und zur Post zu geben. Da sie demzufolge im Fristenvormerkkalender die bezügliche Eintragung durchgestrichen und mit dem Zusatz 'erl.' (= erledigt) versehen habe, sei auch die Kanzleileiterin Sylvia E, der die letztmalige Kontrolle der Fristeneintragungen oblag, der Meinung gewesen, der Schriftsatz sei am 4.Dezember 1984 ordnungsgemäß zur Post gegeben worden.
In ihren eidesstättigen Erklärungen bestätigten Monika C und Sylvia E sowie der Verteidiger dieses Vorbringen.
Nach ständiger Judikatur vermag ein vereinzeltes Versehen einer (sonst verläßlichen) Kanzleikraft eines Verteidigers, wie es hier (der Sache nach) dargetan wurde, ein unabwendbares Hindernis im Sinn des § 364 StPO zu begründen (vgl. Mayerhofer-Rieder 2 StPO ENr. 40 bis 45 zu § 364).
Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher zu bewilligen. Demzufolge war (auch hinsichtlich des Angeklagten B) sogleich in die Hauptsache einzugehen (§ 364 Abs 2 letzter Satz StPO).
Nach dem eingangs bezeichneten Schuldspruch liegt den (beiden zuletzt beschäftigungslosen) Angeklagten Franz A und Josef B zur Last, sie haben am 8.April 1984 in Puch bei Hallein in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert dem Hans Georg F durch Einbruch in dessen Wohnhaus mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Zur Annahme der Täterschaft der beiden Angeklagten, die (nach anfänglichem Leugnen sogar ihrer Anwesenheit am Tatort) jede Beteiligung an dem Einbruchsversuch in Abrede stellten, war das Erstgericht unter Ablehnung ihrer Verantwortung auf Grund der für glaubwürdig erachteten (S. 309 ff./I) Aussagen der Zeugen Ursula und Günther G (S. 107, 109, 165 f., 272 ff.;
111 f., 113, 167 f., 278 ff./I) - welche die Angeklagten sowohl bei der Annäherung an das (Nachbar-) Haus des Georg F als auch bei dem ca. 30 Minuten später erfolgten Verlassen der zu dem bezeichneten Anwesen führenden 'Einfahrt' beobachteten - im Zusammenhalt mit ihrem einschlägig schwer getrübten Vorleben und dem Umstand gelangt, daß die Angeklagten auch schon im November 1975 in Salzburg einen Einbruchsversuch gemeinsam unternommen hatten (S. 299 f./I). Die gegen den Schuldspruch erhobenen, jeweils auf die Z. 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden lassen eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen.
Mit ihren eine offenbar unzureichende Begründung behauptenden Ausführungen zur Mängelrüge versuchen die Beschwerdeführer, welche die für ihre Täterschaft sprechenden Verdachtsgründe gar nicht in Abrede stellen (S. 14, 33/II), durch das Herausgreifen und die gesonderte Erörterung einzelner vom Erstgericht herangezogener Argumente, teilweise (A) sogar unter Ignorierung eines Teiles derselben, nachzuweisen, daß jene (Gesamt-) Verfahrensergebnisse, auf Grund derer das Schöffengericht in einer umfassenden, dem § 258 Abs 2 StPO
entsprechenden Würdigung der abgeführten Beweise auf die Verübung des Einbruchsversuchs durch die Angeklagten geschlossen hat, bei isolierter Betrachtung nicht zu derartigen Folgerungen zwingen und diese demnach mehr oder weniger als Mutmaßungen erscheinen lassen. Mit dem Einwand, daß aus den eingangs bezeichneten Verfahrensergebnissen in Verbindung mit ihrer leugnenden Verantwortung auch andere, für sie günstigere Schlüsse gezogen werden könnten, unternehmen die Angeklagten sohin nur einen im Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden unzulässigen Angriff gegen die schöffengerichtliche Beweiswürdigung nach Art und Zielsetzung einer Schuldberufung.
Bloß der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang zum Beschwerdevorbringen des Angeklagten B noch darauf hingewiesen, daß dem österreichischen Strafprozeß jede Beweisregel fremd ist und demnach auch der Grundsatz 'in dubio pro reo' keineswegs die Bedeutung einer 'negativen' Beweisregel hat, derzufolge sich das Gericht bei Verfahrensergebnissen, die mehrere Deutungen oder Schlußfolgerungen zulassen, grundsätzlich die für den Angeklagten günstigste der sich anbietenden Varianten zu eigen machen muß. Denn es hat das Gericht immer darüber, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist, nach seiner freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider den Angeklagten vorgebrachten Beweismittel gewonnenen überzeugung zu entscheiden (§ 258 Abs 2 StPO) und es kann sich daher jede Meinung bilden, die den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht widerspricht (10 Os 46/79, 11 Os 26/82). Insofern ist auch nicht erforderlich, daß Schlußfolgerungen aus (zweifelsfrei festgestellten) Prämissen zwingend sind; genug daran, daß sie den Denkgesetzen entsprechen (JBl. 1951/386 u.v.a.). Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z. 1, 285 a Z. 2 StPO). Zur Entscheidung über die Berufung sind die Akten dementsprechend in sinngemäßer Anwendung des § 285 b Abs 6 StPO dem (hiefür an sich zuständigen) Oberlandesgericht Linz zuzuleiten.
Anmerkung
E05072European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0090OS00008.85.0123.000Dokumentnummer
JJT_19850123_OGH0002_0090OS00008_8500000_000