TE OGH 1985/1/24 12Os176/84

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Veröffentlicht am 24.01.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Jänner 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Miheljak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Friedrich R*** wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung unter Ausnützung einer Amtsstellung nach § 83 Abs 1, 84 Abs 1 und 313 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. August 1984, GZ 4 a Vr 12981/83-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Friedrich A wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung unter Ausnützung einer Amtsstellung nach § 83 Abs 1, 84 Abs 1, 313 StGB schuldig erkannt, weil er am 10. September 1983 in Wien als Polizeibeamter unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit Herta B dadurch, daß er sie an den Schultern faßte und in die Zelle im Bezirkspolizeikommissariat Favoriten stieß, wodurch Herta B zu Sturz kam und gegen die Kante des Zellenbettes fiel, die Genannte vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung der Herta B, nämlich einen Bruch des Unterkiefers, der Nase und eine Rißquetschwunde der Lippe sowie den Verlust mehrerer Zähne, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung zur Folge hatte.

Nach den wesentlichen Feststelungen des Schöffengerichtes wurde Herta B am 10.September 1983 wegen einer Verwaltungsübertretung festgenommen, auf das Bezirkspolizeikommissariat Favoriten gebracht und in eine Zelle gesperrt. Nach dem Besuch der Toilette um 21,40 Uhr wurde sie vom Sicherheitswachebeamten Friedrich A in die Zelle zurückgebracht. Auf der Schwelle der Zellentür fragte sie den Angeklagten, warum sie eigentlich da sei. Der 1,91 m große, ca. 86 kg schwere Angeklagte antwortete sinngemäß, daß sie ihn in Ruhe lassen solle, sie gehe ihm auf die Nerven. Dann ergriff er die nur 58 kg schwere Zeugin B an den Schultern und stieß sie, mit dem Vorsatz, sie zu verletzen, in die Zelle hinein. B stürzte, was A infolge des heftigen Stoßes in Kauf nahm, mit der linken Kopfseite schräg gegen die etwa 120 bis 150 cm von der Zellentür entfernte Kante der Zellenpritsche und erlitt dadurch die im Spruch angeführten schweren Verletzungen (S. 165). Im Rahmen der Begründung und rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß A zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Dies ergebe sich schon aus dem Umstand, daß er, der B körperlich überlegen, diese an den Schultern faßte und mit dem Vorsatz, sie zu verletzen, in die Zelle gestoßen hat. Er mußte zumindest damit rechnen, und hat dies auch zumindest in Kauf genommen, daß die Zeugin, wenn er ihr einen heftigen Stoß versetzt, stürzen und sich verletzen werde (S. 177, 178).

Dieses Urteil wird vom Angeklagten mit einer auf die Z. 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Strafausspruch mit Berufung angefochten.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.

Zum angenommenen bedingten Vorsatz des Angeklagten stellte das Erstgericht in tatsächlicher Hinsicht nur fest, daß der Angeklagte zumindest damit rechnen mußte, und dies zumindest in Kauf nahm, daß die Zeugin durch den heftigen Stoß stürzt und sich verletzt. Damit ist aber nur die Wissenskomponente des bedingten Vorsatzes hinreichend festgestellt (der Täter hält den Verletzungserfolg ernstlich für möglich; § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz, StGB), nicht aber auch die für die Beurteilung des bedingten Vorsatzes erforderliche Willenskomponente in Ansehung der Tatbildverwirklichung. Nur wenn der Täter, der den Eintritt des Verletzungserfolges in Kauf genommen, ihn also ernstlich für möglich gehalten hat, sich dennoch zur Tat entschließt, weil er den das Tatbild herstellenden Ereignisablauf (durch den Stoß herbeigeführten Sturz mit Verletzungen) hinzunehmen gewillt ist, sich mithin mit diesem abfindet, handelt er bedingt vorsätzlich; erst damit ist die erforderliche Willensrelation zwischen Täterverhalten und Tatbildverwirklichung gegeben. Die bloße Feststellung, daß der Täter die Tatbildverwirklichung in Kauf genommen hat, besagt nur, daß er sie ernstlich für möglich gehalten hat, ohne aber einen sicheren Schluß für die weitere Willensbildung zuzulassen (Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 5 RN. 16, 17, 18).

Die getroffenen Feststellungen reichen somit für die Annahme bedingt vorsätzlichen Verhaltens des Angeklagten nicht aus. Ebensowenig hat das Erstgericht - was nach der Aktenlage gleich einer bloß fahrlässigen Verletzung möglich wäre - festgestellt, ob der Angeklagte durch die Tathandlung die Zeugin B mißhandeln wollte (§ 83 Abs 2 StGB; vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar 2 RN. 9-13 hiezu), und in der Folge fahrlässig den Verletzungserfolg herbeigeführt hat. Es erweist sich sohin schon die Rechtsrüge des Angeklagten für begründet, ohne daß auf die weiteren geltend gemachten Nichtigkeitsgründe eingegangen werden mußte. Da schon in nichtöffentlicher Beratung feststeht, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst mangels der erforderlichen Feststellungen tatsächlicher Art noch nicht einzutreten hat, war gemäß § 258 e StPO der Nichtigkeitsbeschwerde sofort Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E05029

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00176.84.0124.000

Dokumentnummer

JJT_19850124_OGH0002_0120OS00176_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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