Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.-Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Miheljak als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Werner A***** wegen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 17. Mai 1983, AZ 4 Bs 68/83, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwalts Dr. Strasser, jedoch in Abwesenheit des Betroffenen zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
I/ Aus den Akten 35 Vr 450/80 und 34 Vr 3493/81 des Landesgerichts Innsbruck ergibt sich folgender Sachverhalt:
In dem gegen Dr. Werner A***** beim Landesgericht Innsbruck zur AZ 35 Vr 450/80 anhängigen Strafverfahren stellte die Staatsanwaltschaft am 8. April 1980 (bei Gericht eingelangt am 30. Mai 1980) gegen den Genannten Strafantrag wegen Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 StGB (ON 5 d.A). Da dem Beschuldigten in der Folge die Vorladung zur Hauptverhandlung nicht zugestellt und sein Aufenthalt trotz umfangreicher Polizeierhebungen nicht ausgeforscht werden konnte, wobei sich der konkrete Verdacht ergab, daß sich Dr. A***** verborgen hält (vgl. ON 10, 13, 14 und 15 d.A), erließ der Einzelrichter über Antrag der Staatsanwaltschaft am 16. Oktober 1980 einen Haftbefehl gegen ihn wegen Vorliegens des Haftgrundes der Fluchtgefahr gemäß § 175 Abs 1 Z 2 StPO (ON 17 d.A). Auf Grund dieses Haftbefehls wurde Dr. A***** schließlich am 6. November 1980 um 8,30 Uhr festgenommen und noch am selben Tag (um 9,45 Uhr) dem landesgerichtlichen Gefangenenhaus Innsbruck eingeliefert (ON 20 d.A). Am 10. November 1980 wurde er richterlich vernommen und über ihn (aus dem Haftgrund des § 180 Abs 2 Z 1 StPO) die Untersuchungshaft verhängt (ON 21 und 22 d.A). Der dagegen ergriffenen Haftbeschwerde gab die Ratskammer des Landesgerichtes Innsbruck mit Beschluß vom 13. November 1980 nicht Folge (ON 26 d.A). Nachdem die Hauptverhandlungen vom 12. November 1980 und vom 30. Jänner 1981 jeweils vertagt werden mußten, wurde Dr. A***** schließlich mit Urteil des Einzelrichters vom 11. März 1981 (ON 57 d.A) des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 StGB in Verbindung mit § 15 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt; zugleich wurde gemäß § 21 Abs 2 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Dem in der Hauptverhandlung vom 11. März 1981 gestellten Enthaftungsantrag des Beschuldigten gab der Einzelrichter mit der Begründung nicht Folge, daß weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr vorliege (S 256 und ON 58 d.A). Gegen diesen Beschluß erhob der Beschuldigte Beschwerde (ON 64); zugleich bekämpfte er das gegen ihn ergangene Urteil mit Berufung (ON 70). Mit Beschluß vom 14. April 1981 gab das Oberlandesgericht Innsbruck der Haftbeschwerde nicht Folge und ordnete die Fortdauer der Untersuchungshaft aus dem Grunde der Fluchtgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1 StPO) an (ON 69 d.A). über die Berufung erkannte das Oberlandesgericht Innsbruck mit Urteil vom 20. Mai 1981 (ON 86) dahin, daß Dr. Werner A***** von der gegen ihn erhobenen Anklage wegen (teils versuchter, teils vollendeter) Untreue gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, zugleich aber gemäß § 21 Abs 1 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet wird, worauf das Landesgericht Innsbruck am 9. Juni 1981 seine Überstellung in den Maßnahmevollzug anordnete (ON 92 d.A). Auf Grund einer von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes stellte der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 17. September 1981, GZ 12 Os 124, 125/81-10, fest, daß das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 20. Mai 1981 das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 430 Abs.1, 434 Abs.1 letzter Satz StPO in Verbindung mit den §§ 474, 489 Abs.1 StPO verletzt, weshalb es aufgehoben, die Unzuständigkeit des Einzelrichters ausgesprochen und dem Landesgericht Innsbruck aufgetragen wurde, über den (im Berufungsverfahren gestellten) Antrag des öffentlichen Anklägers auf Unterbringung des Dr. A***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher das gesetzliche Verfahren (§§ 429, 430 Abs 1 zweiter Halbsatz StPO) durchzuführen. In dem hierauf unter der AZ 34 Vr 3493/81 beim Landesgericht Innsbruck fortgesetzten Verfahren gab die Staatsanwaltschaft Innsbruck schließlich am 24. Juni 1982 die Erklärung ab, daß der Einweisungsantrag zurückgezogen wird (§§ 227 Abs 1, 429 Abs 1 letzter Satz StPO), worauf das Verfahren gegen Dr. A***** mit richterlichem Beschluß vom selben Tag eingestellt und die Aufhebung der (im fortgesetzten Verfahren mit Beschluß vom 24. September 1981 ON 7 in 34 Vr 3493/81 gemäß § 429 Abs 4 StPO angeordneten) vorläufigen Anhaltung des Genannten verfügt wurde (S 3 qu und verso des AV-Bogens). Dr. A***** wurde hierauf am 24. Juni 1982 um 11,45 Uhr aus dem Landes-Nervenkrankenhaus Hall in Tirol entlassen (ON 47 in 34 Vr 3493/81).
Am 1. Juli 1982 beantragte der öffentliche Ankläger (gemäß § 6 Abs 2 StEG), durch Beschluß festzustellen, daß die im § 2 Abs 1 lit b StEG bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben seien, weil der Verdacht der „Täterschaft“ (Dris. A) nicht entkräftet sei (S 3 u der Akten 34 Vr 3493/81). In seiner im Sinne des § 6 Abs 3 StEG eingeholten öußerung vom 14. Juli 1982 machte Dr. A***** geltend, daß die Verhängung der Untersuchungshaft am 25. September 1981 - gemeint die Anordnung seiner vorläufigen Anhaltung gemäß § 429 Abs 4 StPO mit Beschluß vom 24. September 1981 - rechtswidrig erfolgt sei, weil sie auf ein „Ferngutachten“ des psychiatrischen Sachverständigen gestützt worden sei (ON 9 S 70 a mit Beziehung auf ON 7 der Akten 34 Vr 3493/81). In seiner Eingabe vom 28. Juli 1982, ON 52 dieser Akten, beantragte Dr. A*****, ihm auch für die Zeit vom 6. November 1980 bis 23. September 1981 den „Anspruch nach dem StEG zuzuerkennen“. Hierüber erkannte die Ratskammer des Landesgerichts Innsbruck mit Beschluß vom 18. August 1982, AZ 20 a Ns 6/82 (ON 53 der Akten 34 Vr 3493/81), dahin, daß sie die Voraussetzungen eines Anspruches Dris. A***** auf Ersatz der durch seine strafgerichtliche Anhaltung vom 6. November 1980, 8,30 Uhr, bis 24. September 1981 (zu 35 Vr 450/80 des Landesgerichts Innsbruck) und vom 24. September 1981 bis 24. Juni 1982, 11,45 Uhr (zu 34 Vr 3493/81 des Landesgerichts Innsbruck) allfällig erlittenen vermögensrechtlichen Nachteile gemäß § 3 lit c StEG verneinte.
In bezug auf den von Dr. A***** in der erwähnten Eingabe vom 28. Juli 1982 (ON 52 der Akten 34 Vr 3493/81) gestellten und (auch) auf die Behauptung gesetzwidriger Anordnung bzw. Aufrechterhaltung der strafgerichtlichen Anhaltung gestützten Antrag stellte der - zufolge Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 14. April 1981 über die Fortdauer der Untersuchungshaft (ON 69 in 35 Vr 450/80) insofern gemäß § 6 Abs 1 StEG zuständige - Oberste Gerichtshof mit (dem in den erstgerichtlichen Akten bisher nicht einjournalisierten) Beschluß vom 16. Dezember 1982, GZ 12 Os 155/82-4, fest, daß Dr. A***** nach § 2 Abs.1 lit a und Abs 3 StEG ein Anspruch auf Entschädigung für die durch seine strafgerichtliche Anhaltung in der Zeit vom 6. November 1980, 8,30 Uhr, bis zum 24. September 1981 (im Verfahren 35 Vr 450/80 des Landesgerichts Innsbruck) und vom 24. September 1981 bis zum 24. Juni 1982, 11,45 Uhr (im fortgesetzten Verfahren 34 Vr 3493/81 des Landesgerichts Innsbruck) - also während des gesamten Zeitraumes der Anhaltung - entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile nicht zusteht.
Der von Dr. A***** gegen den vorerwähnten Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes Innsbruck vom 18. August 1982 (ON 53 der Akten 34 Vr 3493/81) erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 17. Mai 1983, AZ 4 Bs 68/83 (ON 58 derselben Akten), teilweise Folge, indem es Dr. A***** gemäß § 2 Abs 1 lit c, Abs 3 StEG „für die vermögensrechtlichen Nachteile, die aus der Anhaltung vom 20. Mai 1981, 10,45 Uhr, bis 24.September 1981 im Verfahren 35 Vr 450/80 des Landesgerichtes Innsbruck entstanden sind“, einen Ersatzanspruch zuerkannte.
Rechtliche Beurteilung
II/ Die Generalprokuratur vermeint, daß der die Anspruchsvoraussetzungen nach dem StEG bejahende Teil der Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck - der sich nur auf die Anhaltung des Dr. Werner A***** im Maßnahmevollzug gemäß § 21 Abs 1 StGB auf Grund des in der Folge als gesetzwidrig aufgehobenen Berufungsurteils des bezeichneten Oberlandesgerichtes vom 20. Mai 1981 bezieht - mit dem Gesetz nicht im Einklang stehe. In ihrer deshalb gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde führt die Generalprokuratur hiezu aus:
Richtig ist zwar, daß für die Beurteilung des Ersatzanspruches in Ansehung dieser, auf einer gesetzwidrigen Verurteilung beruhenden Anhaltung (vgl auch EBRV 1197 Blg XI. GP, 9 erste Spalte unten, zweite Spalte oben) ausschließlich § 2 Abs.1 lit. c (in Verbindung mit Abs 3) StEG gilt. Denn Dr. A***** wurde, wie in dieser Gesetzesstelle ua vorausgesetzt, nach Aufhebung des die Unterbringung gemäß § 21 Abs 1 StGB anordnenden rechtskräftigen Urteiles des Oberlandesgerichtes sowie nach späterer Rückziehung des Einweisungsantrages durch die Staatsanwaltschaft und formaler Verfahrenseinstellung (vgl Band I/S 3, 4 q der Akten 34 Vr 3493/81) außer Verfolgung gesetzt.
§ 3 lit. c StEG schließt den Ersatzanspruch nach dem § 2 Abs.1 lit. (b und) c StEG aus, wenn die Verfolgung lediglich wegen Zurechnungsunfähigkeit unterbleiben muß.
Der Inhalt des Begriffes „Verfolgung“ im § 2 StEG einerseits und im § 3 lit c StEG andererseits ist jedoch, wie noch darzulegen sein wird, nicht deckungsgleich.
Das Oberlandesgericht Innsbruck verneinte unter Verwerfung der gegenteiligen Argumentation der Oberstaatsanwaltschaft den Ausschlußgrund nach § 3 lit c StEG im wesentlichen aus der Erwägung, daß die Zurechnungsunfähigkeit für ein Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB (§§ 429 ff StPO) doch gerade vorausgesetzt werde, und ging ferner davon aus, daß ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der gesetzwidrigen Verurteilung Dris. A***** durch das Oberlandesgericht und seiner darauf beruhenden Anhaltung (§ 21 Abs 1 StGB) entbehrlich sei; ein solcher Rechtswidrigkeitszusammenhang sei für den Ersatzanspruch nach § 2 Abs 1 lit c StEG, für den die Aufhebung einer rechtskräftigen Verurteilung mit nachheriger Außerverfolgungsetzung aus welchen Gründen immer genüge, nicht erforderlich.
Dieser Auffassung des Oberlandesgerichtes kann nicht beigepflichtet werden:
Auch der Ersatzanspruch nach § 2 Abs.1 lit c StEG setzt, wie jede Schadenersatzforderung, den Rechtswidrigkeitszusammenhang voraus (EBRV aaO, 9 erste Spalte, vorletzter Absatz, vorletzter und letzter Satz ). Zum Unterschied von dem nur bei gesetzwidriger Anordnung oder Verlängerung (oder) einer (durch ein gesetzwidriges Auslieferungsersuchen veranlaßten) freiheitsentziehenden Maßnahme gebührenden Ersatzanspruch nach dem § 2 Abs 1 lit a StEG sehen § 2 Abs 1 lit b und c StEG einen Ersatzanspruch sowohl bei gesetzwidriger als auch bei ungerechtfertigter Anhaltung (§ 2 Abs 1 lit b) bzw. rechtskräftiger Verurteilung (§ 2 Abs 1 lit c) vor. „Ungerechtfertigt“ bedeutet, daß die Anhaltung zwar mit dem Gesetz im Einklang gestanden ist, sich die Strafverfolgung aber letztlich doch als unbegründet, also gleichsam als „ungerechtfertigt“ erweist (EBRV aaO, 6, 7).
Die Rechtswidrigkeit des Berufungsurteiles des Oberlandesgerichtes Innsbruck bestand nun, wie der Oberste Gerichtshof in der erwähnten (Kassations-)Entscheidung vom 17. September 1981, GZ 12 Os 124, 125/81-10, festgestellt hat, nur in der gegen die §§ 430 Abs 1, 434 Abs 1 letzter Satz in Verbindung mit §§ 474, 489 Abs 1 StPO verstoßenden Arrogierung der Kompetenz zum Ausspruch einer Maßnahme nach dem § 21 Abs 1 StGB im Verfahren über eine Berufung gegen ein Urteil des Einzelrichters des Gerichtshofes. Es ist daher entscheidend, ob es auch bei gesetzmäßigem Vorgehen des Oberlandesgerichtes - nämlich Aufhebung des Urteiles des Einzelrichters unter Ausspruch von dessen Unzuständigkeit und Veranlassung des gesetzlichen Verfahrens über den (im Berufungsverfahren) nach § 21 Abs 1 StGB gestellten Antrag des öffentlichen Anklägers - zu einer mit Freiheitsentzug verbundenen gerichtlichen Maßnahme gegen Dr. A***** gekommen wäre (vgl. neuerlich EBRV aaO, 9). Das heißt also, daß im vorliegenden Fall unter dem Aspekt des Rechtswidrigkeitszusammenhanges (auch) bei Beurteilung des Ersatzanspruches nach § 2 Abs 1 lit c StEG zu prüfen ist, ob (schon) zur Zeit der auf Grund der bloß formal rechtswidrigen Verurteilung des Oberlandesgerichtes angeordneten Anhaltung Dris. A***** nach § 21 Abs 1 StGB die Voraussetzungen für dessen vorläufige Anhaltung gemäß § 429 Abs 4 (§ 180 Abs 2 Z 1) StPO, nämlich hinreichende Gründe für den (dringenden) Verdacht einer Anlaßtat im Sinne des § 21 Abs 1 StGB, den Gefährlichkeitstatbestand und (vorliegend) die Annahme zumindest der Fluchtgefahr, gegeben waren.
Der Aktenlage nach trafen diese Voraussetzungen bereits für den Zeitpunkt der Fällung des Berufungsurteiles zu:
Zufolge den, der Sache nach unberührt gebliebenen, und vom Berufungsgericht übernommenen Tatsachenfeststellungen des Urteiles erster Instanz hatte Dr. Werner A***** - angesichts seiner schlechten finanziellen Lage ersichtlich in einem Fortsetzungszusammenhang auf Grund einheitlichen Tatvorsatzes - in einem Zeitraum von rund einem Monat (8. November bis 10. Dezember 1979) durch Ausstellung und Einlösung bzw. Begehung von acht auf sein ungedecktes Girokonto gezogenen Scheckkarten-Schecks im Betrag von rund 17.000 S sowie durch den Versuch der Einlösung eines weiteren derartigen Schecks über 2.500 S einen, im Sinne des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Untreue nach §§ 153 Abs 1 und Abs 2 (erster Fall), 15 StGB tatbildlichen, Sachverhalt verwirklicht. Wegen dieser mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten (Anlaß-)Tat konnte Dr. A***** nur deshalb nicht bestraft werden, weil er sie, wie dem gerichtspsychiatrischen Gutachten zu entnehmen ist, unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB) begangen hatte, der auf einer geistigen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Psychose, beruhte. Es war ferner zu befürchten, daß Dr. A***** unter dem Einfluß seiner fortschreitenden geistigen Erkrankung in Hinkunft mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, insbesondere „auf die Vernichtung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Existenz der Opfer gerichtete Verleumdungen in Presseerzeugnissen“ und auch, im Hinblick auf seine Schulden von mehr als 300.000 S, „schwere Eigentumsdelikte“, gemeint offenbar mit einem Schaden zumindest im Bereich der Wertgrenze von 100.000 S, begehen werde (ON 57, ON 85, S 372 f, ON 86, S 381 der Akten 35 Vr 450/80).
Die vorbeugende Maßnahme des § 21 Abs 1 StGB richtet sich gegen die kriminelle Gefährlichkeit des geistig abnormen zurechnungsunfähigen Täters (vgl Mayerhofer/Rieder StGB2 , Anm 2 zu § 21). Deshalb brauchen die sogenannte Anlaßtat und die befürchtete künftige Delinquenz nicht unbedingt von gleicher Art sein (arg ex § 21 Abs.1: „..... eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen ....“). Andererseits sind allfällige auch vor der Anlaßtat verübte Taten in die Gefährlichkeitsprognose einzubeziehen. Dies ist im vorliegenden Fall, soweit auf „Verleumdungen“ in Presseerzeugnissen abgestellt wurde, in der Heranziehung der von Dr. A***** im Jahre 1978 begangenen, Gegenstand seiner rechtskräftigen Vorverurteilung durch das Landesgericht Innsbruck vom 30. November 1979, GZ 35 Vr 662/79-21 (siehe 10 Os 46/80), bildenden Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB) geschehen, welche Tat in der mehrmaligen Bedrohung anderer mit Veröffentlichungen in einer Zeitung bestanden hatte, die deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung zu vernichten geeignet gewesen wären.
Zuletzt haben das Vorliegen der Voraussetzungen sowohl des § 429 Abs 1 StPO als auch (jedenfalls) der Fluchtgefahr (§§ 180 Abs 2 Z 1, 429 Abs.4 StPO) sowohl das Oberlandesgericht Innsbruck in der gegenständlichen (insoweit nicht bekämpften) Beschwerdeentscheidung vom 17. Mai 1983, AZ 4 Bs 68/83 - dieses für den der Anhaltung nach § 21 Abs 1 StGB folgenden Zeitraum der vorläufigen Anhaltung gemäß § 429 Abs 4 StPO vom 24. September 1981 bis 24. Juni 1982 - als auch (implicite) der Oberste Gerichtshof - dieser für den gesamten Anhaltungszeitraum, also auch für die Zeit der Anhaltung vom 20. Mai bis 24. September 1981 - der in Ansehung des Ersatzanspruches nach § 2 Abs 1 lit a StEG, also zur Frage der gesetzwidrigen Anordnung oder Verlängerung der Anhaltung, ergangenen Entscheidung vom 16. Dezember 1982, GZ 12 Os 155/82-4, bejaht.
Aus dem Gesagten folgt somit, daß vorliegend der im § 2 Abs 1 lit.c StEG vorausgesetzte Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der gesetzwidrigen Verurteilung und der freiheitsentziehenden Maßnahme fehlt.
Das Verfahren im Sinne der §§ 429 ff StPO und die darin ab dem Zeitpunkt der Fällung des Berufungsurteils des Oberlandesgerichtes Innsbruck durch den Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs 1 StGB faktisch nur substituierte vorläufige Anhaltung nach § 429 Abs 4 StPO haben sich auch nachträglich nicht als unbegründet, d.h. nicht als ungerechtfertigt, erwiesen. Aus welchen Erwägungen immer die Rückziehung des Einweisungsantrages und die Abgabe der Erklärung nach dem § 109 StPO durch den öffentlichen Ankläger erfolgt sein mögen, an dem bereits dargestellten, den Voraussetzungen für das Verfahren nach den §§ 429 ff StGB entsprechenden Sachverhalt hatte sich der Aktenlage nach bis zur Erklärung des öffentlichen Anklägers nichts geändert.
Das zuletzt am 18. April 1982 eingeholte psychiatrische Gutachten (ON 30 der Akten 34 Vr 3493/81) schloß die (bisherige) Gefährlichkeitsprognose keineswegs aus.
Somit hätte das Oberlandesgericht Innsbruck rechtsrichtig (auch) den Entschädigungsanspruch wegen auf gesetzwidriger Verurteilung beruhender, nicht gerechtfertigter Anhaltung im Sinne des § 2 lit c StEG ablehnen müssen.
Die Frage der Wirksamkeit des Ausschlußgrundes des § 3 lit c StEG für Ansprüche wegen der Anhaltung in einem Verfahren nach den §§ 429 ff StPO, in welchem die Zurechnungsunfähigkeit des Täters vorausgesetzt wird, ist deshalb nur mehr sekundär.
Gleichwohl sei hierauf wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung eingegangen:
Nach der Auffassung der Generalprokuratur gilt der Ausschlußgrund des § 3 lit c StEG uneingeschränkt auch für die Verfahren im Sinne der §§ 21 Abs 1 StGB bzw. 429 ff StPO. Dafür spricht gerade der Umstand, daß es einerseits Motiv des Gesetzgebers des StEG war, generell dann Ersatz zu leisten, wenn jemand in seiner Freiheit auf Grund einer Entscheidung (iwS), die sich nachträglich als objektiv unrichtig herausstellt, beschränkt wurde, andererseits aber hievon im § 3 lit c des Gesetzes jene Personen ausgenommen wurden, deren Verfolgung nur wegen Zurechnungsunfähigkeit zu unterbleiben hat und die daher den aus anderen Gründen außer Verfolgung Gesetzten nicht schlechthin gleichzustellen sind, wobei in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die (seinerzeit schon bevorstehende) Regelung im § 21 Abs 1 StGB Bezug genommen wurde, ohne daß gleichzeitig auf eine diesfalls beabsichtigte unterschiedliche Regelung der Ausschlußgründe hingewiesen wurde (vgl EBRV aaO, 5, 11 ff). Auch nach der in der spezifischen Frage im Grundsätzlichen vergleichbaren Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland (StREG = Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen vom 8.März 1971, dBGBl. I, S 157; III, S 313-4) werden die Entschädigung für die Folgen aus strafgerichtlicher Verurteilung und für die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung ohne Verurteilung einander gleichgestellt (§ 1), wobei auch die Regelung über die (allerdings fakultative) Versagung der Entschädigung infolge Schuldunfähigkeit des Täters insoweit nicht unterschiedlich getroffen wird (§ 6 Abs 1 Z 2).
Daß nach österreichischem Recht der einem Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB unterzogene zurechnungsunfähige Täter, wenn sich nachträglich der Mangel des (neben der mit einem Jahre Freiheitsstrafe bedrohten, im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangenen und auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Anlaßtat erforderlichen) Gefährlichkeitstatbestandes herausstellt, von einem Entschädigungsanspruch eben wegen Zurechnungsunfähigkeit (§ 3 lit c StEG) ausgeschlossen ist, steht durchaus nicht im Widerspruch zum Grundsatz der Gleichbehandlung (Art 7 B-VG, 5 Abs 5 MRK):
Grund der strafgerichtlichen Verfolgung (im engeren Sinn) oder einer Maßnahme der Sicherung eines Täters ist die Straftat. Ob nun bei Zweifel an der Schuldfähigkeit der Täter strafgerichtlich zu verfolgen (im engeren Sinn) oder das Verfahren nach den §§ 429 ff StPO zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach dem § 21 Abs 1 StGB einzuleiten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Letzteres Verfahren erfordert (bloß) hinreichende Gründe für die Annahme der Voraussetzungen des § 21 Abs 1 StGB (§ 429 Abs 1 StPO). Darüber, ob diese, darunter insbesondere auch die Zurechnungsunfähigkeit, tatsächlich gegeben sind, ist in der Entscheidung über den Unterbringungsantrag abzusprechen. Sollte sich dabei oder auch erst in der Folge (nach rechtskräftiger Einweisung) das Fehlen des Gefährlichkeitstatbestandes nach dem § 21 Abs 1 StGB herausstellen, so unterscheiden sich unter dem Gesichtspunkt einer Entschädigung für die Anhaltung diese Fälle in ihren Auswirkungen durch nichts von jenen, in denen wegen Schuldunfähigkeit ein Täter von der Anklage freigesprochen oder nach seiner rechtskräftigen Verurteilung - nach Wiederaufnahme des Verfahrens - außer Verfolgung gesetzt wird. In letzteren Fällen besteht aber ganz eindeutig der Ausschlußgrund des § 3 lit c StEG. Wollte man nur deshalb, weil die Zurechnungsunfähigkeit Voraussetzung für die Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB bildet, in bezug auf eine solche die Wirksamkeit dieses Ausschlußgrundes für den Ersatzanspruch nach § 2 Abs 1 lit b oder c StEG verneinen, so würde dies umgekehrt eine - Art 7 B-VG und 5 Abs 5 MRK widerstreitende - sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung in strafgerichtliche Verfolgung (im engeren Sinn) gezogener Täter, deren Schuldunfähigkeit sich erst später ergibt, bedeuten. Unter dem Begriff der - bloß wegen Zurechnungsunfähigkeit ausgeschlossenen - „Verfolgung“ im § 3 lit c StEG ist deshalb die strafgerichtliche Verfolgung im engeren Sinn, nämlich die auf Verurteilung und Bestrafung des Täters gerichtete, zu verstehen (vgl auch EBRV aaO, 11: „.... Wer nur wegen Zurechnungsunfähigkeit straflos bleibt ...“). Fehlt es aber an hinreichenden Gründen (vgl auch EBRV aaO, 9) für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs 1 StGB bzw. die Anordnung der vorläufigen Anhaltung (§ 429 Abs 1 und Abs 4 StPO), so kann dies eine gesetzwidrige Anordnung oder Verlängerung der Anhaltung darstellen, welche den Bund zum Ersatz nach § 2 Abs 1 lit a StEG - in welchem Falle ja der Ausschlußgrund des § 3 lit c StEG nicht zum Tragen kommt – verpflichtet.
III/ Der Oberste Gerichtshof hat hiezu erwogen:
Gemäß § 1 StEG hat der Bund dem Geschädigten die durch eine strafgerichtliche Anhaltung oder Verurteilung entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile auf dessen Verlangen zu ersetzen. Der Ersatzanspruch besteht (unter anderem) gemäß § 2 Abs.1 lit c leg cit., wenn der Geschädigte von einem inländischen Gericht verurteilt und nach Wiederaufnahme des Strafverfahrens oder sonst nach Aufhebung der rechtskräftigen Entscheidung freigesprochen oder sonst außer Verfolgung gesetzt worden ist. Die Begriffe „Verurteilung“ und „verurteilt“ sind dabei - seit Inkrafttreten des Strafgesetzbuchs - dahin zu verstehen, daß sie nicht nur Urteile erfassen, die Schuldsprüche enthalten, sondern, will man der ratio des StEG gerecht werden, auch jene Urteile, in denen gemäß § 430 Abs 2 StPO die Anordnung der Unterbringung eines Rechtsbrechers gemäß § 21 Abs 1 StGB in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ausgesprochen wird.
Auch bei einem solchen Urteil handelt es sich demnach um eine strafgerichtliche Verurteilung im Sinne des StEG (vgl auch § 2 Abs 3 StRegG), sodaß (bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen) auch insoweit § 2 Abs 1 lit c StEG anzuwenden ist. Das wird letztlich auch von der Generalprokuratur nicht in Zweifel gezogen. In der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird zur Frage des Rechtswidrigkeitszusammenhanges darauf abgestellt, ob (schon) zur Zeit der auf Grund der bloß formal rechtswidrigen Verurteilung des Oberlandesgerichtes Innsbruck angeordneten Anhaltung Dris. A***** nach § 21 Abs 1 StGB die Voraussetzungen für dessen vorläufige Anhaltung gemäß § 429 Abs 4 (§ 180 Abs 2 Z 1) StPO, nämlich hinreichende Gründe für den (dringenden) Verdacht einer Anlaßtat im Sinne des § 21 Abs 1 StGB, den Gefährlichkeitstatbestand und (vorliegend) die Annahme zumindest der Fluchtgefahr, gegeben waren, wobei die Generalprokuratur vermeint, daß unter diesem Aspekt der im § 2 Abs 1 lit c StEG vorausgesetzte Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der gesetzwidrigen Verurteilung und der freiheitsentziehenden Maßnahme fehle. Nun besteht zwar ein Ersatzanspruch nach dem StEG dann nicht, wenn auch bei gesetzmäßigem Vorgehen die strafgerichtliche Anhaltung oder Verurteilung erfolgt wäre (EBzStEG, 1197 Blg XI. GP, 9). Dabei ist aber im vorliegenden Fall allein darauf abzustellen, ob die Unterbringung des Dr. A***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB (auch) angeordnet worden wäre, wenn das Oberlandesgericht in seiner Berufungsentscheidung vom 20. Mai 1981 den maßgebenden Prozeßrechtsvorschriften entsprechend nicht in der Sache selbst erkannt, sondern gemäß den Bestimmungen der §§ 430 Abs 1, 434 Abs 1 letzter Satz StPO iVm §§ 474, 489 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil aufgehoben, die Unzuständigkeit des Einzelrichters ausgesprochen und dem Landesgericht Innsbruck aufgetragen hätte, über den (im Berufungsverfahren gestellten) Antrag auf Unterbringung des Dr. A***** in einer Anstalt gemäß § 21 Abs 1 StGB das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren (§§ 429, 430 Abs 1 zweiter Halbsatz StPO) durchzuführen, sodaß recte ein Schöffengericht über den Antrag zu entscheiden gehabt hätte. Denn nur darauf kommt es im gegebenen Zusammenhang an, nicht aber darauf, ob im Zeitpunkt des gesetzwidrigen Berufungsurteils des Oberlandesgerichtes die Voraussetzungen für die vorläufige Anhaltung des Dr.A gemäß § 429 Abs 4 (§ 180 Abs 2 Z 1) StPO gegeben waren. Für die vorläufige Anhaltung gemäß § 429 Abs 4 StPO (als einer „strafgerichtlichen Anhaltung“ im Sinne des § 2 Abs 3 StEG) ist nämlich nicht nach § 2 Abs 1 lit c StEG, sondern, wie sich aus dem letzten Halbsatz dieser Vorschrift ergibt, nur nach Maßgabe der in § 2 (Abs 1) lit a und b leg. cit. enthaltenen Bestimmungen Ersatz zu leisten. Hier geht es aber um die Anordnung der freiheitsentziehenden Maßnahme gemäß § 21 Abs 1 StGB, mithin um jene Ersatzansprüche, die sich daraus ergeben, daß das die Anordnung aussprechende rechtskräftige Erkenntnis als (formal) gesetzwidrig aufgehoben und Dr. A***** in der Folge außer Verfolgung gesetzt wurde. Diesbezüglich kann aber, wie das Oberlandesgericht Innsbruck in seiner nunmehr bekämpften Entscheidung im Ergebnis zutreffend erkannt hat, nicht gesagt werden, daß es auf jeden Fall auch bei Einhaltung der für das Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB geltenden Verfahrensvorschriften (§§ 429 ff StPO) zur Anordnung der Unterbringung des Dr.A gekommen wäre.
Unter dem Gesichtspunkt des Rechtswidrigkeitszusammenhanges haftet demnach dem Ausspruch, daß Dr.A für die durch ungerechtfertigte Anordnung seiner Unterbringung in einer Anstalt gemäß § 21 Abs.1 StGB erlittenen vermögensrechtlichen Nachteile ein Ersatzanspruch gemäß § 2 Abs.1 lit.c StEG zusteht, die behauptete Gesetzesverletzung nicht an.
Der Ersatzanspruch nach dem StEG ist aber im vorliegenden Fall auch nicht zufolge § 3 lit c StEG ausgeschlossen.
Ob gemäß § 2 Abs 1 lit c StEG ein Anspruch auf Ersatz der durch ungerechtfertigte strafgerichtliche Verurteilung entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile zu leisten ist, hängt unter anderem, wie aus § 3 lit c und d leg. cit. folgt, davon ab, aus welchem Grund der Geschädigte letztlich außer Verfolgung gesetzt worden ist. Das gilt grundsätzlich auch für jene Fälle, in denen zunächst gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des Betroffenen in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet worden ist, die betreffende rechtskräftige Entscheidung aber in der Folge aufgehoben und der Betroffene schließlich außer Verfolgung gesetzt, das heißt, das Maßnahmeverfahren eingestellt wird. Geschieht dies deshalb, weil sich herausstellt, daß der Betroffene die Anlaßtat nicht begangen hat, oder daß diese nicht den im § 21 Abs 1 StGB normierten rechtlichen Kriterien („eine Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist“) entspricht, dann war die Verfolgung des Betroffenen im konkreten Fall unabhängig von dessen mangelnder Schuldfähigkeit ausgeschlossen, sodaß sich die Frage eines (allfälligen) Anspruchsausschlusses zufolge § 3 lit c StEG gar nicht stellt. Gerade das war aber vorliegend nach der Aktenlage der Fall.
Als Anlaßtat lag Dr. A***** teils vollendete, teils versuchte Untreue zur Last, begangen dadurch, daß er acht auf sein ungedecktes Girokonto gezogene Scheckkarten-Schecks begeben und einen weiteren derartigen Scheck zu begeben versucht hat, wobei sich der 5.000 S übersteigende Schaden (und damit die Qualifikation nach § 153 Abs 2 erster Fall StGB) lediglich aus der Addition der Schecksummen ergab. Dabei wurde zunächst (bei Stellung des Antrages auf Unterbringung in einer Anstalt gemäß § 21 Abs 1 StGB) ersichtlich davon ausgegangen, daß Dr. A***** im Fortsetzungszusammenhang gehandelt hat, sohin rechtlich eine einzige Tat vorlag, die den Voraussetzungen einer Anlaßtat im Sinne des § 21 Abs 1 StGB entsprach. Daß der Unterbringungsantrag in der Folge zurückgezogen und Dr. A***** damit außer Verfolgung gesetzt wurde, ist - da nach dem Inhalt der Akten weder eine önderung der Beurteilung des Geisteszustandes des Betroffenen zur Tatzeit noch eine solche in Ansehung der Gefährlichkeitsprognose eingetreten war - offenbar darauf zurückzuführen, daß eine Tatbegehung im Fortsetzungszusammenhang letztlich nicht als erwiesen (bzw erweisbar) angenommen wurde. Davon ausgehend war aber die Qualifikation des § 153 Abs 2 erster Fall StGB (und somit die Bedrohung der Tat mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe) nur zufolge des Zusammenrechnungsprinzips (§ 29 StGB) gegeben. Solcherart fehlte es jedoch - aus rechtlichen Gründen - an einer Anlaßtat im Sinne des § 21 Abs 1 StGB, weil unter dem Gesichtspunkt dieser Bestimmung die Anwendung des § 29 StGB zur Ermittlung der Strafdrohung nicht zulässig ist (ÖJZ-LSK 1980/117 = EvBl 1980/203; Mayerhofer/Rieder StGB2 Anm 3 zu § 21 StGB; Pallin in WrKommentar § 21 Rz 9; aM Leukauf/Steininger Kommentar2 § 21 RN 6 und Mayerhofer in RZ 1977 Sonderheft, 52). Mithin konnte vorliegend der Ausschlußgrund des § 3 lit c StEG - auch wenn er, wie die Generalprokuratur vermeint und was hier dahingestellt bleiben kann, im Falle einer Anstaltseinweisung gemäß § 21 Abs 1 StGB anwendbar wäre - der Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs für die ungerechtfertigte Anordnung der Anstaltsunterbringung des Dr. A***** nicht entgegenstehen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb zu verwerfen.
Textnummer
E05050European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00010.840.0124.000Im RIS seit
08.01.1995Zuletzt aktualisiert am
30.12.2016