Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Jänner 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger (Berichterstatter) und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Miheljak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard A wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21.August 1984, GZ. 12 E Vr 548/83-24, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwalts Dr. Presslauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21.August 1984, GZ. 12 E Vr 548/83-24, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des Art. 65
Abs. 2 lit. c B-VG. in Verbindung mit § 53 StGB
Dieser Beschluß sowie alle darauf beruhenden gerichtlichen Verfügungen werden aufgehoben und es wird dem Landesgericht Klagenfurt aufgetragen, dem Gesetz gemäß vorzugehen.
Text
Gründe:
Im Strafverfahren 12 E Vr 548/83 des Landesgerichtes Klagenfurt wurde dem Verurteilten Gerhard A mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 12.Dezember 1983 der unverbüßte Teil einer über ihn verhängten Freiheitsstrafe (Strafrest: 4 Monate und 19 Tage) mit den Wirkungen der bedingten Strafnachsicht unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren erlassen (S. 73 und 97 d. A.).
In der Folge wurde Gerhard A mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21.Mai 1984, GZ. 12 E Vr 2974/83-14, wegen des am 2.September 1983 verübten Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Wegen dieser Verurteilung widerrief daraufhin das Landesgericht Klagenfurt mit Beschluß vom 21.August 1984, GZ. 12 E Vr 548/83-24, die eingangs bezeichnete gnadenweise bedingte Strafnachsicht, wobei das Gericht von der irrigen Annahme ausging, daß die im Verfahren 12 E Vr 2974/83 des Landesgerichtes Klagenfurt abgeurteilte Tat innerhalb der durch den Gnadenakt bestimmten Probezeit verübt worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der in Rechtskraft erwachsene Beschluß steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Beim gnadenweisen Nachlaß einer gerichtlichen Strafe mit den Wirkungen der bedingten Strafnachsicht unter Festsetzung einer Probezeit - wie im vorliegenden Fall - werden Inhalt und Auswirkungen des individuellen Gnadenaktes des Bundespräsidenten, also auch die Voraussetzungen für einen Widerruf des Strafnachlasses, materiell- und verfahrensrechtlich durch die jeweils geltenden Bestimmungen über das Institut der bedingten Strafnachsicht determiniert. Demzufolge obliegt die Vollziehung eines derartigen Gnadenaktes dem Gericht, sodaß der Gnadenerweis durch den Bundespräsidenten einer Gewährung bedingter Strafnachsicht durch ein Urteil erster, aber auch letzter Instanz und sohin der Zeitpunkt dieses Gnadenaktes jenem des Eintritts der Rechtskraft eines derartigen gerichtlichen Erkenntnisses entspricht. Wird jedoch eine schon vor dem Gnadenakt begangene weitere Straftat des Begnadigten abgeurteilt und dies erst nachträglich bekannt, ist entsprechend den Bestimmungen des § 55 Abs. 1 und Abs. 2 StGB auf erweiterter Erkenntnisgrundlage eine nochmalige Überprüfung der Gnadenentschließung vorzunehmen, die kraft der Verfassungsbestimmung des Art. 65 Abs. 2
lit. c B-VG. in die ausschließliche Kompetenz des Bundespräsidenten fällt. Für eine in Vollziehung des Gnadenaktes erfolgende gerichtliche Entscheidung ist in diesen Fällen - anders als bei einer Delinquenz des Begnadigten innerhalb der ihm eingeräumten Probezeit - kein Raum (siehe SSt. 48/85).
Demgemäß hätte das Landesgericht Klagenfurt die dem Verurteilten Gerhard A mit Entschließung vom 12.Dezember 1983 gnadenweise gewährte bedingte Strafnachsicht auf Grund der nachträglichen Verurteilung im Verfahren 12 E Vr 2974/83 des Landesgerichtes Klagenfurt wegen einer vor dem Gnadenakt begangenen Straftat nicht selbst widerrufen dürfen, sondern die Akten dem Bundesministerium für Justiz auf dem im § 411 StPO vorgeschriebenen Weg zur Entscheidung durch den Bundespräsidenten über einen allfälligen Widerruf der Begnadigung vorlegen müssen (siehe hiezu JABl. 1979/7).
Anmerkung
E05092European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00184.84.0124.000Dokumentnummer
JJT_19850124_OGH0002_0120OS00184_8400000_000