TE OGH 1985/1/29 10Os81/84

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Veröffentlicht am 29.01.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Friedrich, Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch (Berichterstatter) sowie Dr.Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Gföllner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Friedrich A wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs.1 und Abs.2, erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung in einem auf die Verhandlung und Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 16.Dezember 1983, GZ 21 Vr 1984/83-26, eingeschränkten Gerichtstag nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Bassler und der Verteidigerin Dr.Oehlzand, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt 2. des Urteilssatzes und im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs gemäß § 38 StGB) aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

Ansonsten wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die den erfolglos gebliebenen Teil der Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Friedrich A der Vergehen (1.) der Veruntreuung nach § 133 Abs.1 und Abs.2 erster Fall StGB sowie (2.) der Täuschung nach § 108 Abs.1 StGB schuldig erkannt. Darnach liegt ihm zur Last, (zu 1.) sich im Frühjahr 1983 in Lofer und an anderen Orten ein ihm anvertrautes Gut, und zwar eine ihm von Albin B unter Eigentumsvorbehalt verkaufte Ziehharmonika im Wert von

25.900 S, durch deren Weiterveräußerung mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, sowie (zu 2.) am 27. Juli 1983 in Hallwang den Staat in seinem Recht, Kraftfahrzeuglenker ohne Lenkerberechtigung vom öffentlichen Straßenverkehr auszuschließen, absichtlich (vgl. US 6) geschädigt zu haben, indem er ihn kontrollierende Gendarmeriebeamte durch die wahrheitswidrige Behauptung, einen Führerschein zu besitzen, also durch Täuschung über Tatsachen, zur Gestattung der Weiterfahrt mit dem von ihm gelenkten PKW verleitete, die den Schaden herbeiführte.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs.1 Z 4 und 9 lit.a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt teilweise Berechtigung zu.

Nicht stichhältig sind die Beschwerdeeinwände gegen den Schuldspruch wegen Veruntreuung (Faktum 1.).

In Ausführung der Rechtsrüge (Z 9 lit.a) übergeht der Beschwerdeführer sowohl mit dem Einwand, durch die kleingedruckte Klausel auf dem Lieferschein (allein) habe ein Eigentumsvorbehalt an der von ihm gekauften Ziehharmonika zugunsten des Verkäufers nicht begründet werden können, als auch mit der Behauptung, er habe beim Weiterverkauf nicht gewußt, daß das Instrument nicht in seinem Eigentum stehe, jene insoweit maßgebenden Urteilsfeststellungen, wonach der in Rede stehende Vorbehalt beim Kauf auch mündlich vereinbart wurde und wonach er dementsprechend bei der Weiterveräußerung des Kaufobjekts sehr wohl wußte, daß es (mangels Zahlung noch) nicht ihm gehörte.

Materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe können jedoch nur durch einen Vergleich des im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz prozeßordnungsgemäß dargetan werden. Mit seinen Argumenten gegen die Annahme einer mündlichen Vereinbarung hinwieder ficht er nur nach Art und Zielsetzung einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung unzulässigerweise die erstinstanzliche Beweiswürdigung an.

Ebensowenig zielführend ist die Verfahrensrüge (Z 4) des Angeklagten, mit der er gegen die Ablehnung des vom Verteidiger gestellten Antrags auf Einvernahme des Zeugen C zum Nachweis dafür remonstriert, daß ein Eigentumsvorbehalt beim Ankauf der Ziehharmonika - im Gegensatz zur zuletzt relevierten Konstatierung des Schöffengerichts - nicht erwähnt worden sei.

Hat er sich doch eingangs der Hauptverhandlung im Sinn der Anklage als schuldig bekannt und in der Folge ausdrücklich zugestanden, er habe das Instrument aus Geldmangel weiterverkauft, obwohl es ihm 'noch nicht gehört' habe (S 73): unter diesen Umständen hätte es jedenfalls einer besonderen Erläuterung dahin bedurft, aus welchen Gründen die vom Verteidiger gewünschte Zeugenvernehmung dessenungeachtet zu einem ihn entlastenden Ergebnis hätte führen sollen; mangels jeglichen Hinweises darauf im Antrag sind durch das ablehnende Zwischenerkenntnis keine Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers beeinträchtigt worden.

Für die im Rahmen der Verfahrensrüge zudem reklamierte Annahme (sachlich Z 9 lit.b) eines Verbotsirrtums (§ 9 StGB) des Angeklagten schließlich ist nach den Sachverhaltsfeststellungen im Urteil kein Raum; zu Konstatierungen darüber aber bestand nach den Verfahrensergebnissen auch gar kein Anlaß.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde demnach zu verwerfen.

Der Rechtsrüge (Z 9 lit.a) des Beschwerdeführers gegen den Schuldspruch wegen Täuschung (Faktum 2.) dagegen ist im Kern beizupflichten.

Zwar kommen entgegen der Beschwerdeauffassung auch bloße Parteibehauptungen im Verwaltungsverfahren dann, wenn sie der Entscheidung unüberprüft zugrundegelegt werden müssen, durchaus als taugliche Täuschungshandlungen in Betracht (vgl. Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 26, 27

zu § 146 und RN 2 zu § 108 sowie die dort zitierte Judikatur); gerade das aber ist in der Regel der Fall, wenn ein Kraftfahrzeuglenker, der entgegen § 102 Abs.5 lit.a KFG keinen Führerschein mit sich führt, gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aus Anlaß einer Verkehrskontrolle wahrheitswidrig glaubhaft macht, daß er die vorgeschriebene Lenkerberechtigung immerhin besitzt, und jene Organe solcherart veranlaßt, von Zwangsmaßnahmen nach § 102 Abs. 12 lit.f KFG gegen ihn - um ihn am (weiteren) Lenken oder an der (beabsichtigten) Inbetriebnahme des Fahrzeugs zu hindern - Abstand zu nehmen. Zielt aber ein Täter, der gar keinen Führerschein besitzt und beim Lenken eines Kraftfahrzeugs betreten wird, im Weg einer derartigen Täuschung ausschließlich darauf ab, sich seiner wegen dieses unbefugten Lenkens verwirkten Bestrafung (§ 134 Abs.1 iVm § 64 Abs.1 KFG) zu entziehen und allenfalls zudem die Sicherheitsorgane auch von den in Rede stehenden Sanktionen (§ 102 Abs. 12 lit.f, erster Fall KFG: '... wenn diese hiedurch begehen ...') gegen ihn abzuhalten, dann hat er dadurch allein das - versuchte oder, wenn ihm die Weiterfahrt tatsächlich gestattet wird, vollendete - Vergehen nach § 108 Abs.1 StGB noch nicht verwirklicht. Denn das staatliche ius puniendi als solches, also das konkrete Recht des Staates, gegen den betreffenden Täter wegen einer bereits begangenen strafbaren Handlung Sanktionen zu verhängen, zählt - ungeachtet des (insoweit teleologisch zu reduzierenden) Wortlauts dieser Strafbestimmung - nicht zu den durch § 108 StGB geschützten Rechten, weil aus den prozessualen Vorschriften über die Unzulässigkeit jeglichen Geständniszwanges gegen den Verdächtigen (vgl. §§ 202, 203, 245 Abs.2 StPO) gleichwie aus den materiellrechtlichen Sonderbestimmungen über die (teils absolute, teils an bestimmte Voraussetzungen gebundene) Straflosigkeit der Selbstbegünstigung (§§ 299 Abs.2 bis 4, 300 Abs.2 StGB) unmißverständlich erhellt, daß die Gesellschaft (aus hier nicht zu erörternden Erwägungen) eine Beeinträchtigung ihres Anspruchs auf Strafverfolgung (einschließlich der zugehörigen Anordnung vorbeugender Maßnahmen) durch den davon Betroffenen mittels bloßer Täuschung in Kauf nimmt. Das zu dieser zulässigen Beeinträchtigung des gegen ihn selbst gerichteten ius puniendi kongruente Verteidigungsrecht des Straftäters findet allerdings - unbeschadet der (im gegebenen Zusammenhang nicht aktuellen) Rechtslage in Fällen der Unschulds-Verteidigung - dort seine Grenzen, wo dessen Ausübung in andere geschützte Rechtsgüter eingreifen würde, wie etwa durch das über die bloße Angabe eines falschen Namens zur Identitätsverschleierung hinausgehende Vorzeigen eines falschen Ausweises (§ 231 Abs.1 StGB) oder durch die über das faktisch bloße Bestreiten der Richtigkeit einer belastenden Aussage hinausgehende, wissentliche Falschbezichtigung eines Zeugen in Ansehung einer ihm unterstellten strafbaren Handlung (§ 297 Abs.1 StGB). Dementsprechend hat auch das Vergehen der Täuschung (§ 108 Abs.1 StGB) zu verantworten, wer durch sein tatbestandsmäßiges Verhalten über das Recht auf Strafverfolgung hinaus andere konkrete Rechte (des Staates oder anderer Berechtigter) verletzt (vgl. zu alledem Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 20 zu § 3; Mayerhofer, ÖJZ 1973, 379; SSt 48/18, 49/13 u.a.m.). Die Zwangsmaßnahmen nach § 102 Abs.12 lit.f KFG als solche sind jedoch dann, wenn sie - anders als bei einer rein präventiven Realisierung (vgl. JBl. 1984, 679) ohne vorausgegangene (Verwaltungs-) Straftat (zweiter Fall: '... wenn diese hiedurch begehen würden ...') - wegen einer bereits begangenen Verwaltungsübertretung ergriffen werden (erster Fall), eine daran geknüpfte Sanktion und stellen sich demzufolge, mögen sie auch diesfalls gleichermaßen in der vorbeugenden Verhinderung eines bestimmten künftigen Täterverhaltens, nämlich der Weiterfahrt, bestehen, noch als Ausübung des staatlichen ius puniendi dar (vgl. 9 Os 6/84); zielt demnach die von einem Täter, der wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeugs ohne Mitführen eines Führerscheins (§ 102 Abs.5 KFG) beanstandet wird, durch die wahrheitswidrige Behauptung, die vorgeschriebene Lenkerberechtigung immerhin zu besitzen, unternommene Täuschung eines Sicherheitsorgans lediglich darauf ab, eine (strengere) Bestrafung wegen unbefugten Lenkens (§ 64 Abs.1 KFG) sowie die Sanktion nach § 102 Abs.12 lit.f (erster Fall) KFG, also die Verhinderung der Weiterfahrt, abzuwenden, dann reicht sie zur Verwirklichung des Vergehens nach § 108

Abs.1 StGB auf der subjektiven Tatseite nicht aus.

Nur dann, wenn es dem Lenker schon zur Zeit der Tatbegehung geradezu darauf ankommt (§ 5 Abs.2 StGB), den Staat nicht bloß in dessen Recht auf Ahndung einer bereits begangenen Verwaltungsübertretung (einschließlich der Verhängung der in Rede stehenden, seine Weiterfahrt hindernden Sanktion), sondern darüber hinaus auch in dessen (mittels derartiger Zwangsmaßnahmen durchsetzbarem) konkretem Recht, Personen ohne Lenkerberechtigung vom Lenken von Kraftfahrzeugen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr auszuschließen (vgl. 11 Os 20/83), an sich zu schädigen, wird der bezeichnete Straftatbestand auch in subjektiver Hinsicht erfüllt. Ob der Täuschung eine solcherart weitergehende Zielvorstellung des Täters - als das bloße Abwenden der erörterten Sanktion, durch welches der (mit der sofortigen Unterlassung einer weiteren Lenkertätigkeit verbundene) Anschein eines faktischen Geständnisses vermieden wird - zugrunde lag oder nicht, wird in der Regel aus dem auf die unmittelbare Weiterfahrt folgenden Verhalten des Täters zu erschließen sein.

Insoweit läßt jedoch das angefochtene Urteil ausreichende Feststellungen vermissen, sodaß in diesem Umfang in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen war.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte darauf zu verweisen.

Anmerkung

E05063

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00081.84.0129.000

Dokumentnummer

JJT_19850129_OGH0002_0100OS00081_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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