TE OGH 1985/1/30 3Ob139/84

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Veröffentlicht am 30.01.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Land Steiermark, vertreten durch das Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Rechtsabteilung 10, 8011 Graz, Hofgasse 15, GZ 10-27/I Mo 38-1983, vertreten durch Dr. Alfred Lind, Rechtsanwalt in Graz, wider die verpflichtete Partei Dr. Michael M*****, vertreten durch Dr. Walter Strigl, Dr. Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, wegen 2.033.589,02 S sA infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Kreisgerichts Leoben als Rekursgericht vom 15. Oktober 1984, GZ R 660/84-33, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mürzzuschlag vom 25. Juni 1984, GZ E 5020/83-27, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die betreibende Partei führt zur Hereinbringung von 2.033.589,02 S samt 10 % Zinsen seit 1. September 1977 Exekution durch Zwangsversteigerung einer Liegenschaft des Verpflichteten. Mit Versteigerungsedikt vom 15. Mai 1984 wurde der Versteigerungstermin für den 27. Juli 1984 anberaumt.

Am 5. Juni 1984 übermittelte Mag. Eva T***** die Kopie eines Schreibens der betreibenden Partei vom 18. Mai 1984, wonach in der Sitzung der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. Mai 1984 beschlossen worden sei, hinsichtlich der per 31. Jänner 1984 mit 2.195.311,31 S aushaftenden betriebenen Forderung eine Stundung zu bewilligen, wobei das Schreiben diesbezüglich folgenden Wortlaut hat:

„Die Rückstände auf beiden Darlehenskonten (die betriebene Forderung besteht aus zwei Darlehen!) werden mit Wirksamkeitsbeginn 1. Februar 1984 ohne Verrechnung von Stundungszinsen bis einstweilen 31. Dezember 1986 gestundet. Diese Stundung kann bei entsprechender Begründung jederzeit widerrufen werden.“

Am 12. Juni 1984 stellte der Verpflichtete unter Vorlage desselben Schreibens im Original einen Antrag auf Einstellung des Versteigerungsverfahrens.

Das Erstgericht widerrief den Versteigerungstermin und forderte die betreibende Partei zur Äußerung zum Einstellungsantrag auf.

Die betreibende Partei erstattete wörtlich folgende Äußerung:

„Die Steiermärkische Landesregierung hat in ihrer Sitzung am 14. Mai 1984 beschlossen, den Darlehenskonten der verpflichteten Partei keine weiteren Zinsen vorerst anzulasten, um für den allenfalls zu erwartenden Fall einer teilweisen Darlehensabschreibung den nachzusehenden Betrag nicht noch mehr anwachsen zu lassen. Das Land Steiermark ist daher für eine Fortsetzung des Verkaufsverfahrens“.

Das Erstgericht fasste daraufhin den Beschluss, dass die Exekution gemäß § 40 EO eingestellt werde. Es ging davon aus, dass aus dem Schreiben vom 18. Mai 1984 die Stundung klar hervorgehe, ein Widerruf derselben sei bisher nicht erfolgt. Es sei daher trotz der gegenteiligen und im Gegensatz zum Beschluss der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. Mai 1984 stehenden Äußerung der betreibenden Partei einzustellen.

In ihrem Rekurs gegen diesen Einstellungsbeschluss vertrat die betreibende Partei die Auffassung, dass sich aus ihrer Äußerung zum Einstellungsantrag der jederzeit zulässige Widerruf der Stundung ergebe, weshalb nicht mehr auf Einstellung des Exekutionsverfahrens erkannt werden dürfe, zumindest lägen aber widersprechende Tatsachenbehauptungen über die Auslegung eines Übereinkommens vor, so dass höchstens eine Verweisung der Einwendungen des Verpflichteten auf den Rechtsweg in Betracht komme.

Das Gericht zweiter Instanz schloss sich der Auffassung der betreibenden Partei an und änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass die verpflichtete Partei mit ihren Einwendungen auf den Rechtsweg verwiesen wurde. Die in der Äußerung der betreibenden Partei verwendete Formulierung sei zumindest unklar, da man nicht wisse, ob nicht die betreibende Partei vielleicht aus welchen Gründen immer von ihrem Recht, die Stundung zu widerrufen, Gebrauch gemacht habe.

Gegen den Beschluss des Gerichts zweiter Instanz wendet sich der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei mit dem Antrag, ihm im Sinne einer Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts abzuändern.

Die verpflichtete Partei vertritt die Ansicht, die betreibende Partei habe in ihrer Äußerung zum Einstellungsantrag die Richtigkeit der von der verpflichteten Partei vorgelegten Urkunde betreffend die vorläufige Stundung bestätigt und sich dennoch ohne nähere Begründung gegen die Einstellung ausgesprochen. Sie habe nie behauptet, dass sie von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht habe. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass die Stundung noch aufrecht und wirksam sei und daher gar keine streitigen Tatumstände gegeben seien.

Rechtliche Beurteilung

Dem Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen der Auffassung der verpflichteten Partei hat die betreibende Partei in ihrer Äußerung zum Einstellungsantrag die Richtigkeit des von der verpflichteten Partei vorgelegten Schreibens der betreibenden Partei vom 18. Mai 1984 nicht bestätigt, sondern im Gegenteil, in der Äußerung wurde das Ergebnis der Sitzung der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. Mai 1984 ganz anders dargestellt als im Schreiben vom 18. Mai 1984. Nach der Darstellung der Äußerung zum Einstellungsantrag sollten nur „vorerst“ keine „weiteren Zinsen“ mehr angelastet werden; nach dem Schreiben vom 18. Mai 1984 sollten „die Rückstände auf beiden Darlehenskonten“ (was wohl nur auf den gesamten Rückstand an Kapital und Nebengebühren bezogen werden kann) gestundet werden, wobei allerdings der Zusatz „ohne Verrechnung von Stundungszinsen“ eine gewisse Teilübereinstimmung mit der Darstellung der Äußerung zum Einstellungsantrag abklingen lässt. Was nun aber die Landesregierung wirklich in ihrer Sitzung vom 14. Mai 1984 beschlossen hat, ist damit strittig. Es kann sein, dass nur eine Stundung gewisser Zinsen bewilligt wurde, oder es kann sein, dass die Stundung des gesamten Rückstands an Kapital, Zinsen und sonstigen Nebengebühren bewilligt wurde. Es ist möglich, dass der Beamte der betreibenden Partei, welcher die Äußerung zum Einstellungsantrag verfasste, den wahren Inhalt des Regierungsbeschlusses vom 14. Mai 1984 richtig interpretierte und wiedergab, es kann aber auch sein, dass der Landesrat, welcher das Schreiben vom 18. Mai 1984 fertigte, den wirklichen Inhalt des Regierungsbeschlusses traf. Dass letzterer als Mitglied der Steiermärkischen Landesregierung vielleicht berufener sein mag, den Regierungsbeschluss zu kennen und richtig darzustellen, zumal er den Inhalt des Regierungsbeschlusses so beschreibt, als würde er genau dem Sitzungsprotokoll entsprechen, ändert nichts daran, dass nur eine Einholung des vollständigen Sitzungsprotokolls und allenfalls eine Befragung der beteiligten Regierungsmitglieder letzten Aufschluss darüber geben könnte, was wirklich beschlossen wurde.

Das nur von einem Landesrat gefertigte und nicht mit dem Landessiegel versehene Schreiben vom 18. Mai 1984 erfüllte im übrigen nicht die Voraussetzungen, die in § 34 L-VG Stmk für eine im Namen des Landes auszustellende Urkunde gelten, ist daher nicht als eine von vornherein unbedenkliche Urkunde im Sinne des § 40 Abs 1 letzter Satz EO zu werten. Es war daher zutreffend, dass das Erstgericht vor der Entscheidung über den Einstellungsantrag eine Einvernehmung des betreibenden Gläubigers verfügte, welche gemäß § 55 Abs 1 EO auch durch das Abfordern einer schriftlichen Äußerung erfolgen konnte.

Als Ergebnis dieser Einvernehmung des betreibenden Gläubigers ist nach dem oben Gesagten davon auszugehen, dass die Entscheidung von der Ermittlung und Feststellung streitiger Tatumstände abhängig ist. Die zweite Instanz hat daher den Verpflichteten mit seinen Einwendungen mit Recht auf den Rechtsweg verwiesen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 78 EO, §§ 50, 40 ZPO.

Textnummer

E08886

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00139.84.0130.000

Im RIS seit

01.01.1995

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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