Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma Ö*****, vertreten durch die Finanzprokuratur, wider die beklagte Partei Dkfm. Dr. Helmut F*****, vertreten durch Dr. Raimund Mittag, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.000.000 S sA, infolge Rekurses der klagenden und beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. Mai 1984, GZ 1 R 116/84-46, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 19. Jänner 1984, GZ 7 Cg 7/83-40, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten der beiden Rekurse und der Rekursbeantwortung der klagenden Partei sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung:
Der Beklagte war am 23. 4. 1974 Generaldirektor der Ö***** und erteilte unter Missachtung zweier Erlässe der Firma ***** Gesellschaft mbH den Auftrag zur Lieferung von 1 Million PVC-Umschlägen für Reisepässe zum Preis von 8 Millionen S (ohne Mehrwertsteuer), obwohl die Firma G***** eine Million PVC-Umschläge um 2.250.000 S (ohne Mehrwertsteuer) geliefert hätte. Die klagende Partei begehrte ursprünglich den Differenzbetrag von 5.750.000 S abzüglich 2 % Skonto, sohin 5.635.000 S sA. Dadurch, dass die Abweisung der Klage hinsichtlich eines Betrags von 4.635.000 S sA im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwuchs, ist nur mehr über ein Restbegehren von 1.000.000 S sA abzusprechen.
Schon im ersten Rechtsgang wurde durch den Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 1. 12. 1982, 3 Ob 638/82 endgültig darüber abgesprochen, dass der Beklagte der Republik Österreich, die damals noch als klagende Partei auftrat, 20 % des Schadens zu ersetzen hat, den sie durch die Heranziehung einer teureren Lieferfirma erlitten hat. Die Schadenshöhe könne aber nicht einfach mit der Differenz der verschiedenen Preise festgesetzt werden, sondern es müsse berücksichtigt werden, dass die klagende Partei gewisse Zusatzkosten wie Reinigung und das Lagern der Folien bei den billigeren, aber auch etwas minderwertigeren G*****-Umschlägen entstünden und dass darüber hinaus auch die Haltbarkeit der billigeren Passhüllen geringer sei und einen Mehraufwand verursachen könne. Im Einzelnen wird auf diese Entscheidung verwiesen.
Im zweiten Rechtsgang unternahm der Beklagte den Versuch, die schon im ersten Rechtsgang zu seinen Ungunsten entschiedene Frage der Verjährung bzw des Ablaufs der Ausschlussfrist des § 6 DHG durch neue Tatsachenbehauptungen neu aufzurollen (vor allem im Schriftsatz ON 34). Es kann schon vorweg genommen werden, dass es das Gericht erster Instanz ablehnte, sich mit dieser Frage neuerlich zu befassen und die diesbezüglichen Beweisanbote zurückwies.
Die klagende Partei stellte ihre Bezeichnung auf „Firma Ö*****“ richtig und brachte zur Schadenshöhe Folgendes vor:
Die Kosten der Reinigung und des Einlegens von Trennfolien während der Lagerung der Passhüllen beliefen sich auf 143.848 S. Aus der geringeren Festigkeit der G*****-Umschläge ergebe sich kein Mehraufwand. Bei den insgesamt 1 Million G*****-Umschlägen seien nur 6 Reklamationen aufgetreten, die noch dazu gar nicht auf die Qualität der Folien zurückzuführen seien. Darüber hinaus könne dadurch keine Schadensherabsetzung erfolgen, weil die Passwerber in einem solchen Fall bei jeder Neuausstellung eines Passes Gebühren entrichten müssten, die die reinen Materialkosten überstiegen.
Der Beklagte verwies vor allem auf die besondere Qualität der M*****-Umschläge und die mangelnde Brauchbarkeit der G*****-Umschläge, welche nicht den herrschenden Richtlinien entsprächen, und machte weiters geltend, die jetzige klagende Partei sei nicht aktiv zur Klagsführung legitimiert, weil ihr selbst kein Schade entstanden sei.
Das Erstgericht verurteilte den Beklagten im zweiten Rechtsgang zur Zahlung von 1.000.000 S samt 4 % Zinsen seit 15. 12. 1979.
Es traf zur Schadenshöhe im Wesentlichen folgende Feststellungen:
Die Reinigung der G*****-Umschläge, deren Goldaufdruck nicht genügend abriebfest war und beim Lagern teilweise abgerieben wurde, und die Unterstützung der Lagerung durch Verwendung von Trennfolien,, um ein solches Abreiben zu verhindern, verursachte Kosten von 208.000 S für die Reinigung und 143.848 S für die Trennfolien.
Hinsichtlich einer allfälligen schlechteren Verwendbarkeit der von der Firma G***** hergestellten Passumschläge gab es keine nennenswerten Reklamationen. Bis zum Schluss der Verhandlung kam es überhaupt nur in etwa 4 bis 6 Fällen zu einer Reklamation, wobei aber nicht feststeht, dass überhaupt die Qualität der G*****-Umschläge ursächlich war. Es gibt keine Hinweise für eine geringere Verwendungsdauer der G*****-Reisepässe. Aus einer allenfalls geringeren Verwendungsdauer würde aber der klagenden Partei kein Schade entstehen, weil solche Reisepässe nicht kostenlos umgetauscht werden, sondern weil sie immer als Neulieferung fakturiert werden und im Übrigen durch die für einen Reisepass zu bezahlenden Gebühren vom Passinhaber bezahlt würden.
Das Erstgericht nahm daher die Schadenshöhe mit 5.635.000 S abzüglich der Kosten für die Reinigung und Trennfolien von 351.848 S, sohin 5.283.152 S an, wovon 20 % mehr als die noch begehrten 1 Million S ausmachten.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts mit Rechtskraftvorbehalt auf.
Es billigte die Auffassung des Erstgerichts, dass sich das Verfahren nur mehr auf die Schadenshöhe erstrecken dürfe, erachtete aber die Tatsachengrundlage zur Schadenshöhe nicht als ausreichend und das durchgeführte Verfahren in diesem Belange wegen Nichtaufnahme aller beantragten Beweise auch als mangelhaft.
Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts wenden sich die Rekurse der klagenden Partei und der beklagten Partei.
Die klagende Partei verweist in ihrem Rechtsmittel vor allem darauf, dass die Dauer der Haltbarkeit der billigeren Passhüllen nicht mehr geklärt werden müsse, weil jetzt feststehe, dass der klagenden Partei daraus keine zusätzlichen Mehrbelastungen, sondern höchstens ein Vorteil erwachsen könnten. Die Entbehrlichkeit weiterer Erhebungen ergebe sich aber auch daraus, dass die klagende Partei jetzt nicht mehr die Republik Österreich, sondern die selbständige Firma Ö***** sei.
Die beklagte Partei hält in ihrem Rekurs vor allem an ihrem Standpunkt fest, dass der Komplex der Verjährung bzw des Ablaufs der Ausschlussfrist nach dem DHG wegen neu geltend gemachter Umstände sehr wohl neu aufgerollt hätte werden müssen. In Bezug auf die Schadenshöhe schließt sich die beklagte Partei im Wesentlichen der Ansicht des Berufungsgerichts an, dass noch ergänzende Feststellungen nötig seien.
Eine Rekursbeantwortung wurde nur von der klagenden Partei erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Den beiden Rekursen kommt keine Berechtigung zu.
1.) Zum Rekurs der beklagten Partei:
Durch die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils gemäß §§ 513, 496 ZPO trat zwar das Verfahren an sich in den Stand vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurück, sodass es den Parteien grundsätzlich nicht verwehrt war, neue Tatsachen und Beweismittel vorzubringen. Eine Beschränkung besteht aber insoweit, als durch die aufhebende Instanz eine bestimmte Frage aufgrund des gegebenen Sachverhalts bereits abschließend entschieden wurde. In diesem Fall kann die Beantwortung dieser Frage auch aufgrund neuer Tatsachen nicht mehr in Zweifel gezogen werden. In diesem Sinne abschließend erledigte Streitpunkte können daher nicht wieder neu aufgerollt werden (so kürzlich JBl 1983, 441 mit Anführung weiterer Judikatur).
Der erkennende Senat sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Wenn auch die Aufhebung nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO in § 496 Abs 2 ZPO nicht ausdrücklich erwähnt ist, so kann diese Bestimmung im Hinblick auf den Grundsatz der Prozessökonomie und des Wesens des österreichischen Rechtsmittelverfahrens nur dahin verstanden werden, dass auch bei der Aufhebung wegen des Vorliegens von Feststellungsmängeln nur zu einem ganz bestimmten, vom Feststellungsmangel betroffenen Teil des erstrichterlichen Verfahrens und Urteils (zweiter Fall des § 496 Abs 2 ZPO) das Verfahren im zweiten Rechtsgang auf diesen von der Aufhebung ausdrücklich betroffenen Teil des Verfahrens und Urteils zu beschränken ist. Mit anderen Worten gesagt, der beklagten Partei stand es zwar offen, zur Schadenshöhe neues Vorbringen zu erstatten, neue Beweise anzubieten usw, nicht aber konnte sie zum Grund des Anspruchs neue Umstände geltend machen.
Das Verfahren im zweiten Rechtsgang wurde daher mit Recht auf die allein noch offene Schadenshöhe beschränkt. Auf die Frage, ob das Vorbringen der beklagten Partei zum Grund des Anspruchs überhaupt neue Gesichtspunkte enthält, muss daher nicht eingegangen werden.
2.) Zum Rekurs der klagenden Partei:
Das gemäß § 20 Abs 1 Staatsdruckereigesetz (BG vom 1. 7. 1981 BGBl Nr 340) das im Eigentum des Bundes stehende, am 31. 12. 1981 von der österreichischen Staatsdruckerei verwaltete Vermögen einschließlich aller Rechte, Forderungen und Verpflichtungen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge mit Wirkung vom 1. 1. 1982 auf die neu eingerichtete Firma Ös***** überging, ändert nichts an der Problematik des vorliegenden Schadenersatzfalles. Zum erwähnten Stichpunkt war nämlich der Schade schon entstanden, weil zu diesem Zeitpunkt schon feststand, welche Preisdifferenzen zwischen den Passfolien der beiden Lieferfirmen bestanden und welche Nachteile für die Republik Österreich daraus entstanden waren, dass man zwar beim Ankauf der billigeren Folien entsprechende Beträge eingespart hätte, dafür aber mehr Kosten an Reinigung und Lagerung und möglicherweise auch wegen der geringeren Haltbarkeit der billigeren Folien in Kauf nehmen musste.
Durch die erwähnte Bestimmung des Staatsdruckereigesetzes ist übrigens auch der Einwand der beklagten Partei widerlegt, es mangle jetzt an der passiven Klagslegitimation; denn die jetzige klagende Partei kann wegen der Legalzession alle Rechte geltend machen, die zuvor die Republik Österreich geltend machen konnte.
Was die erwähnten Mehrkosten an Reinigung und Lagerung anlangt, wurden diese im zweiten Rechtsgang unangefochten mit zusammen 351.848 S festgestellt.
Was die Dauer der Haltbarkeit anlagt, ist die Sache nach wie vor nicht spruchreif.
Schon im seinerzeitigen Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs wurde klargestellt, dass die Passgebühren mit der Qualität der Pässe und der Schadenshöhe in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Was nämlich die Republik Österreich im Rahmen ihrer Gebühren- und Abgabenhoheit an Gebühren oder Abgaben festsetzt, kann im Zusammenhang mit der Berechnung des durch den Beklagten verursachten Schadens weder als „Vorteilsausgleichung“ noch als „Schadensminderung“ berücksichtigt werden. Dass also zB die Gebühren gemäß § 14 Tarifpost 6 Abs 1 und Tarifpost 9 Abs 1 Z 1 Gebührengesetz für eine Passausstellung gleich hoch sind wie für eine Passverlängerung, dass aber die Verwaltungsabgabe gemäß Tarif B I Z 8a bzw 11a der Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung in der Fassung des BGBl 1975/575 für eine Passausstellung um derzeit 50 S höher ist als für eine Passverlängerung (gemäß BGBl 1972/3 betrug der Unterschied zuvor nur 20 S), ändert nichts daran, dass die Republik Österreich im Rahmen ihrer Privatwirtschaftsverwaltung je nach der Dauer der Haltbarkeit der strittigen Passformularien in einem ganz bestimmten Zeitraum Mehrauslagen haben konnte, weil wegen der schlechteren Qualität der billigeren G*****-Umschläge mehr Neuausstellungen als Verlängerungen anfielen.
Der Reisepass soll gemäß den bestehenden Richtlinien dauerhaft und fälschungssicher sein und die Passumschläge sollen eine gewisse Abriebfestigkeit aufweisen (siehe dazu die Erl Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Passgesetz 1969 BGBl 1969 Nr 422, 1191 der Beilagen XI. GP S 38). Mit Recht verweist das Berufungsgericht darauf, dass gemäß § 19 Abs 4 lit c PassG nicht mehr vollständige Pässe einzuziehen sind, wenn sie nicht mehr den im § 4 a PassG vorgeschriebenem Muster gemäß Anlage 1 des Passgesetzes entsprechen, weshalb ein unleserlich gewordener Reisepass, bei dem etwa der Goldaufdruck auf der Umschlagseite zu sehr abgerieben ist, gleichfalls nicht mehr für eine Verlängerung gemäß § 14 PassG geeignet ist.
Wenn die klagende Partei daher statt der teureren, aber auch haltbareren M*****-Passumschläge die zwar billigeren, aber weniger haltbaren G*****-Umschläge verwendete, könnte der Fall eintreten, dass zB die ersteren immer (oder mit einer zu ermittelnden ganz geringen Ausfallquote) für zwei Verlängerungen ausreichen, so dass pro Passinhaber nur alle 15 Jahre eine neue Drucksorte angeschafft werden müsste, während etwa die G*****-Pässe (was gleichfalls erst zu ermitteln ist), immer nur für je eine Verlängerung oder nicht einmal für diese geeignet sind.
Der Mehraufwand aus der geringeren Haltbarkeit der G*****-Pässe kann also in den Mehrkosten für die Anschaffung weiterer Passdrucksorten (und zwar Umschläge zusätzlich Passheft selbst) bestehen, die mit der Neuausstellung gegenüber der bloßen Verlängerung eines Passes verbunden wären.
Es muss daher durch geeignete Erhebungen Folgendes festgestellt werden:
Wie lange sind die G*****-Pässe im Durchschnitt haltbar, wie lange die M*****-Pässe, wobei auf die bei den Passämtern üblichen Anforderungen an den Zustand eines Passes abzustellen ist? Trifft es zu, dass sich die M*****-Pässe in einem größeren Umfang zur einmaligen oder zur zweimaligen Verlängerung eignen als die G*****-Pässe? Um wieviel mehr G*****-Passformularien, musste daher die Republik Österreich, bezogen auf die Größenordnung von einer Million M*****-Passhüllen insgesamt allenfalls anschaffen, woraus sich neben den schon festgestellten Kosten eine weitere Schadensminderungspost ergeben könnte?
Soweit hier das Berufungsgericht die bisher aufgenommenen Beweise als unzureichend ansieht und der Mängelrüge der beklagten Partei stattgegeben wurde, kann der Oberste Gerichtshof, welcher nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten, was die Finanzprokuratur in ihrem Rekurs ohnedies zutreffend ausführte.
Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts ist damit frei von Rechtsirrtum.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO, wobei hinsichtlich beider Rekurse und der Rekursbeantwortung davon ausgegangen wurde, dass sie immerhin zur Klärung der Rechtslage beitrugen, weshalb es gerechtfertigt erscheint, sie wie sonstige Verfahrenskosten zu behandeln.
Textnummer
E100181European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00589.84.0130.000Im RIS seit
23.03.2012Zuletzt aktualisiert am
08.10.2012