Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Adolf L***, Bauunternehmer, 4752 Riedau, Wildhaag 6, vertreten durch Dr. Karl Reiter, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Rosa L***, Geschäftsfrau, 4020 Linz, Museumstraße 28, vertreten durch Dr. Franz Kriftner, Rechtsanwalt in Linz, wegen 30.000 S und 30.000 S je samt Nebengebühren, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Berufungsgerichtes vom 27.November 1984, GZ R 360,362/84-21, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Raab vom 28. August 1984, GZ C 67/83-17, als verspätet zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Dem Berufungsgericht wird aufgetragen, über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die dem Beklagtenvertreter am 24.9.1984 zugestellte, durch Ablichtung der Urschrift hergestellte Ausfertigung des erstgerichtlichen Urteils vom 28.8.1984 war lückenhaft, weil die
7. Seite, die die gesamte Beweiswürdigung und einen Teil der rechtlichen Beurteilung enthielt, vollständig fehlte. Diese Seite langte erst am 15.10.1984 beim Beklagtenvertreter ein. Am 22.10.1984 gab der Beklagtenvertreter eine Berufung zur Post, die jedoch nicht an das Erstgericht, sondern direkt an das Berufungsgericht adressiert war, und von diesem an das Erstgericht weitergeleitet wurde, wo sie erst am 24.10.1984 einlangte. Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht, dem die damals noch nicht aktenkundigen, im ersten Absatz dargestellten Umstände nicht bekannt waren, die Berufung als verspätet zurück. Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Partei. Das Rechtsmittel ist nach § 519 Abs.1 Z 1 ZPO statthaft (JBl.1984, 617 ua); es ist auch aufgrund der vom Obersten Gerichtshof erhobenen, im ersten Absatz genannten Umstände berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Aus dem ersten Absatz dieser Begründung ergibt sich,daß die beklagte Partei vor dem 15.10.1984 wegen der Mängel der ihr zugestellten Ausfertigung wesentliche Teile der Entscheidungsgründe des erstgerichtlichen Urteils nicht kannte, so daß ihr deren Prüfung und Bekämpfung erheblich erschwert war.
Deshalb begann die Berufungsfrist für die beklagte Partei nicht schon mit der Zustellung der unvollständigen Urteilsausfertigung an den Beklagtenvertreter am 24.9.1984, sondern erst am 15.10.1984, als ihm erstmals eine vollständige Ausfertigung zur Verfügung stand (ähnlich 3 Ob 93/76 und 4 Ob 19/81).
Die am 24.10.1984 beim Erstgericht eingelangte Berufung wurde daher nicht verspätet erhoben.
Deshalb war der von Amts wegen gefaßte Zurückweisungsbeschluß des Berufungsgerichtes ersatzlos aufzuheben und dem genannten Gericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.1 ZPO.
Anmerkung
E08874European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00511.85.0130.000Dokumentnummer
JJT_19850130_OGH0002_0030OB00511_8500000_000