Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Februar 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr.Horak, Dr.Lachner und Dr.Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Hardegg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Robert A und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs.1, 143 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Robert A und Michael B gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Jugendschöffengericht vom 23.Oktober 1984, GZ 4 c Vr 891/83-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und der gesetzliche Vertreter des Angeklagten B auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil erkannte das Jugendschöffengericht den 16-jährigen Robert A und den 15-jährigen Michael B des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs.1, 143 StGB schuldig, weil die Genannten am 12.Mai !richtig: am 6.Mai; vgl. S 11, 13, 15 1983 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) dem (damals 13- jährigen) Andreas C eine fremde bewegliche Sache, nämlich ca. 96 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie von ihm in drohendem Ton die übergabe einer Sammelbüchse des D E forderten und, als er zögerte, zu ihm äußerten, sie würden ihm nicht raten, die Kasse zu behalten, sodann nach Herausgabe der Sammelbüchse die Plombe öffneten und ca. 96 S Bargeld entnahmen.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen beteiligte sich der damals in der 'Stadt des Kindes' untergebrachte Andreas C am Tattag an einer Sammelaktion des D E, zu welchem Zweck ihm eine Sammelbüchse übergeben worden war. Als er seine Sammeltätigkeit beendet und sich auf das Gelände der 'Stadt des Kindes' zurückbegeben hatte, hielten ihn die beiden Angeklagten, ebenfalls Zöglinge der 'Stadt des Kindes', an und versuchten, ihn dazu zu überreden, gemeinsam mit ihnen die Plombe der Sammelbüchse zu öffnen und den Inhalt zu entnehmen. Als C dies ablehnte, äußerten die Angeklagten zu ihm in drohendem Ton, sie würden ihm nicht raten, die Kasse zu behalten, worauf C, der durch diese Drohung eingeschüchtert war, ihnen die Sammelbüchse übergab. Die Angeklagten öffneten hierauf die Plombe, entnahmen der Büchse ca. 96 S und gaben die Büchse sodann dem C wieder zurück.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Gericht die festgestellte öußerung der Angeklagten als Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für den Leib, wobei es hiefür nicht erforderlich sei, daß der (oder die) Täter dem Opfer die Gefahr genau beschreiben, sondern es genüge, daß sie eine allgemein gehaltene Drohung aussprechen, sofern der Konnex mit der geforderten Leistung erkennbar sei; die Befürchtung des C, im Falle der Weigerung hätte er Ohrfeigen bekommen, sei durchaus realistisch, da sich zahllose ähnliche Fälle in derselben Weise abspielten.
Beide Angeklagten bekämpfen den Schuldspruch mit (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden; Robert A macht nominell die Gründe der Z 5 und 9 lit.a des § 281 Abs.1 StPO geltend, Michael B hingegen jene der Z 5, 9 lit.b und 10 der bezeichneten Gesetzesstelle.
Rechtliche Beurteilung
Den Nichtigkeitsbeschwerden kommt insoweit Berechtigung zu, als damit - teils ausdrücklich, teils jedenfalls der Sache nach - aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs.1 StPO (im Ergebnis eine Verurteilung bloß wegen Diebstahls bzw. wegen Erpressung anstrebend) die Beurteilung der festgestellten drohenden öußerung als räuberische Drohung im Sinne des § 142 Abs.1 StGB bekämpft wird. Denn im bezeichneten Belange haften dem angefochtenen Urteil Feststellungsmängel an, die eine abschließende rechtliche Beurteilung des Tatverhaltens der Angeklagten nicht zulassen und die demnach zur Kassierung des Urteils und zur Anordnung der Verfahrenserneuerung nötigen.
Raub läßt, so er nicht durch Gewalt, sondern durch Drohung verübt wird, eine (bloß) gefährliche Drohung im Sinne des § 74 Z 5 StGB nicht genügen;
der Tatbestand erfordert vielmehr - wie auch das Erstgericht an sich zutreffend erkannte - eine qualifizierte Drohung, das heißt eine solche 'mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB)'. Eine solche liegt vor, wenn der Täter ein übel für Leib oder Leben des Bedrohten ankündigt - wobei es sich im allgemeinen um ein übel von gewisser Schwere handeln muß (§ 115 Abs.1 StGB) - diese Ankündigung eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben befürchten läßt und der sofortige Vollzug des angedrohten übels in Aussicht gestellt wird (vgl. Kienapfel BT II § 142 RN 42 ff;
Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 142 RN 8 ff; SSt 48/61 u.a.);
diese Kriterien einer Raubdrohung müssen vom (zumindest bedingten) Vorsatz des Täters umfaßt sein.
Die vorliegend vom Jugendschöffengericht festgestellte, von den Angeklagten gegenüber C zur Erwirkung der übergabe der Sammelbüchse in drohendem Ton gemachte öußerung, sie würden ihm nicht raten, die Kasse zu behalten (S 135), läßt für sich allein noch nicht erkennen, ob damit nach dem Tatplan der Angeklagten eine gegenwärtige, konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Bedrohten in der oben dargelegten Bedeutung angekündigt werden sollte. Daß der Bedrohte durch diese öußerung eingeschüchtert war und befürchtete, von den Angeklagten im Falle der Weigerung, die Sammelbüchse herauszugeben, Ohrfeigen zu bekommen (S 136, 137), läßt ohne Kenntnis des Tatplanes der Angeklagten und deren Vorstellungen noch nicht den Schluß zu, daß diese mit ihrer öußerung tatsächlich räuberisch drohen wollten. In letzterer Beziehung enthält das Urteil keine Konstatierungen, wozu noch kommt, daß auch allenfalls zu dieser öußerung hinzutretende, deren Charakter als Raubdrohung unterstreichende oder verstärkende äußere Umstände nicht festgestellt wurden, aus denen auf eine tätergewollte Androhung weiterer Eskalation geschlossen werden könnte (vgl. Kienapfel aaO RN 47). Soweit im übrigen im Urteilsspruch (S 132/133) die Tat der Angeklagten dahin beschrieben wird, daß sie von C 'in drohendem Ton die übergabe einer Sammelbüchse des D E forderten und, als dieser zögerte, zu ihm äußerten, sie würden ihm nicht raten, die Kasse zu behalten' - was darauf schließen ließe, daß die Angeklagten von vornherein in drohendem Ton die Herausgabe der Büchse forderten und, als dies nichts fruchtete, sodann die inkriminierte öußerung zu C machten -, so widerspricht dies den in den Entscheidungsgründen zum Tathergang getroffenen Feststellungen (S 135).
Es zeigt sich sohin, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat; daher war - übereinstimmend mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - den berechtigten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten schon bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 e StPO sofort Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen, woraus folgt, daß die Angeklagten sowie der gesetzliche Vertreter des Angeklagten B (der das Rechtsmittel angemeldet, aber nicht ausgeführt hat) mit ihren Berufungen auf die getroffene Entscheidung zu verweisen waren.
Anmerkung
E05060European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0090OS00001.85.0201.000Dokumentnummer
JJT_19850201_OGH0002_0090OS00001_8500000_000