Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Kuderna, Dr.Gamerith sowie Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A 1981, Linz, Hessenplatz 3, vertreten durch den Obmann Hermann B, Kaufmann, Linz, Raimundstraße 11, dieser vertreten durch Dr. Eduard Saxinger und Dr. Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1.) C D E F m.b.H., Bad Hall, Kirchenplatz 1, und 2.) Josef G, Geschäftsführer, Wartberg a. d.Krems, Strinzing Nr.74, beide vertreten durch Dr. Otto Hauck, Rechtsanwalt in Kirchdorf, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren S 500.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 9.Oktober 1984, GZ 3 b R 114/84-11, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Steyr vom 8. August 1984, GZ 3 Cg 203/84-4, teils bestätigt, teils abgeändert wurde,folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen den bestätigenden Teil der Rekursentscheidung richtet, zurückgewiesen; im übrigen, das ist hinsichtlich des abändernden Teiles der Rekursentscheidung, wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien haben die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht verbot den beklagten Parteien mit einstweiliger Verfügung das Sammeln und Entgegennehmen von Reisebuchungen durch Mitarbeiter der Österreichischen Bundesbahnen vorzunehmen und im geschäftlichen Verkehr, insbesondere bei Buchungen von Reisen und Ferienaufenthalten, einen 3 %
übersteigenden Rabatt anzubieten und zu gewähren. Hingegen wies es das auf das Verbot der Ausübung des Reisebürogewerbes in weiteren Betriebsstätten, die weder behördlich bewilligt sind noch über die erforderliche technische, personelle und sachliche Ausstattung verfügen, insbesondere in Räumen der ÖBB Linz, gerichtete Mehrbegehren ab.
Das Erstgericht nahm folgenden noch wesentlichen Sachverhalt als bescheinigt an:
Zwischen der erstbeklagten Partei und dem Bundesbahnsportverein Sektion Reisen des Direktionsbereiches Linz wurde eine Vereinbarung getroffen, wonach allen Bundesbahnbediensteten ein Zuschuß in der Höhe von 5 % gewährt werde. Buchungen könnten direkt bei der erstbeklagten Partei - der Zweitbeklagte ist deren Geschäftsführer - , aber auch bei den Bundesbahnbediensteten H und I, die in ihren Dienststellen diesbezüglich erreichbar seien, vorgenommen werden. Mit dem an sämtliche Dienststellen des Direktionsbereiches Linz der ÖBB gerichteten Schreiben vom März 1984 wurde folgendes mitgeteilt:
'Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nach langwierigen Verhandlungen mit dem bekannten oberösterreichischen Reiseveranstalter 'Reisen mit Herz' in Bad Hall ist es dem Bundesbahnsportverein gelungen, für sämtliche Bundesbahnbediensteten und deren Angehörigen eine Sondervereinbarung zu treffen.
Dabei handelt es sich um einen Preisnachlaß in der Höhe von 5 % auf den Reisepreis aus den beiliegenden Katalogen: 'Reisen mit Herz Sommer 84', 'Swinging London'.
Buchungen sind über J 97 5004 oder 5005 oder mit beiliegendem Anmeldeformular direkt bei 'Reisen mit Herz' in Bad Hall, Sachbearbeiterin Fräulein Doris K, durchzuführen.
Kollegen mit Familie möchten wir vor allem darauf hinweisen, daß 'Reisen mit Herz' eine Aktion bis 30.April d.J. laufen hat, die eine 100 %ige Kinderermäßigung beinhaltet.
Für weitere Auskünfte stehen Ihnen gerne die Kollegen H (J 97 5004) und I (J 97 5005) zur Verfügung.
Wir hoffen, Euch mit diesem Angebot zu einem wirklich günstigen Urlaub verhelfen zu können.' Nicht bescheinigt ist, daß die Bundesbahnbediensteten H und I an ihren Dienststellen 'geradezu eine Reisebürotätigkeit' für die beklagten Parteien oder eine individuelle Reiseberatungstätigkeit für ihre Arbeitskollegen entfaltet haben.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, der bescheinigte Sachverhalt rechtfertige nicht die Annahme, die erstbeklagte Partei unterhalte bei den ÖBB eine weitere Betriebsstätte. Das Rekursgericht bestätigte den dem Sicherungsantrag stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Beschlusses, änderte aber dessen abweislichen Teil dahin ab, daß es die beantragte einstweilige Verfügung auch hinsichtlich des die Ausübung des Reisebürogewerbes in weiteren Betriebsstätten betreffenden Verbotes erließ. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig sei. Es führte aus, das Rundschreiben reiche im Provisorialverfahren zur Glaubhaftmachung des Vorbringens der klagenden Partei aus. Die Vornahme von Buchungen erfordere die gesamte Vorbereitung und Abschlußtätigkeit für Reisen, wie sie sonst in Reisebüros durchgeführt werden, und sei dem Begriff des Veranstaltens und Vermittelns von Gesellschaftsreisen im Sinne des § 208 Abs 1 GewO zu unterstellen. Diese 'geplante Vorgangsweise' der beklagten Parteien verstoße gegen wettbewerbsregelnde Vorschriften der Gewerbeordnung und sei daher sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag zur Gänze abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, den außerordentlichen Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw. ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist teils unzulässig; teils ist er zulässig, aber nicht berechtigt.
Das Rekursgericht hat die vom Erstgericht hinsichtlich des Verbotes des Sammelns und der Entgegennahme von Reisebuchungen durch Mitarbeiter der Österreichischen Bundesbahnen sowie des Rabattverstoßes erlassene einstweilige Verfügung bestätigt. Gemäß dem § 528 Z 1 ZPO sind jedoch Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz, soweit dadurch der angefochtene erstrichterliche Beschluß bestätigt worden ist, unzulässig. Hingegen ist der Rekurs gegen den der vorgenannten Rechtsmittelbeschränkung nicht unterliegenden abändernden Teil der Rekursentscheidung entgegen der Meinung des Rekursgerichtes zulässig, weil dieser Teil der Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts abhängt, der eine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukommt. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine weitere Betriebsstätte im Sinne des § 46 GewO 1973 vorliegt, hat nämlich der Oberste Gerichtshof, soweit ersichtlich, bisher nicht Stellung genommen.
Gemäß dem § 46 Abs 1 GewO ist unter einer weiteren Betriebsstätte jede standortgebundene Einrichtung zu verstehen, die zur regelmäßigen Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit in einem anderen Standort als dem, auf den die Gewerbeanmeldung oder die Konzession lautet, bestimmt ist. Eine weitere Betriebsstätte liegt nicht vor, wenn es sich um eine Tätigkeit von nicht mehr als drei Tagen handelt. Gemäß dem Abs 4 leg.cit. bedarf der Inhaber einer Konzession, sofern nicht hinsichtlich des betreffenden konzessionierten Gewerbes anderes bestimmt ist, zur Ausübung des Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte einer besonderen Bewilligung der Behörde (§ 341 Abs 4). Für diese Bewilligung gelten nach Maßgabe des Absatzes 2 die Vorschriften für die Erteilung der Konzession.
Da die im § 208 Abs 1 GewO näher umschriebenen, hier zutreffenden Tätigkeiten eines Reisebüros nach dieser Bestimmung der Konzessionspflicht unterliegen, ist für die Ausübung des Gewerbes der erstbeklagten Partei in einer weiteren Betriebsstätte eine besondere Bewilligung im vorerwähnten Sinn erforderlich. Zu prüfen ist daher, ob die zwischen der erstbeklagten Partei und dem Bundesbahnsportverein vereinbarte Entgegennahme von Reisebuchungen in zwei Dienststellen der ÖBB durch zwei dort beschäftigte, namentlich genannte Bundesbahnbedienstete und die den Interessenten angebotene Auskunftserteilung über Reisen zur Einrichtung einer weiteren Betriebsstätte geführt haben oder führen sollten. Die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruches setzt nämlich lediglich die drohende Gefahr einer gegen die Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßenden Beeinträchtigung voraus, sei es, daß der Eingriff noch nicht erfolgt ist, aber drohend bevorsteht, sei es, daß Wiederholungen einer bereits erfolgten Störung verhindert werden sollen (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 85; Jelinek, Das Klagerecht der Unterlassung, ÖBl.1974 125 ff, insbesondere 130 ff; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht, 513). Ob die beiden ÖBB-Bediensteten bereits tatsächlich Buchungen entgegengenommen und Reiseauskünfte erteilt haben, kann somit im Hinblick auf die darüber erfolgte Vereinbarung und die sich daraus ergebende drohnede Gefahr der Entgegennahme von Buchungen und/oder der Erteilung von Auskünften auf sich beruhen. Bei den standortgebundenen Einrichtungen, die für die Annahme einer weiteren Betriebsstätte ein wesentliches Merkmal sind, muß es sich nicht um eine vom Gewerbetreibenden selbst geschaffene Einrichtung wie Betriebsstätten oder Geschäftslokale, über welche dieser verfügen kann, handeln. Wird von einem ständigen Vertreter eines Gewerbetreibenden außerhalb des Standortes des Gewerbebetriebes eine gewerbliche Tätigkeit entfaltet, wie die Entgegennahme von Bestellungen von gewerblichen Arbeiten, der Abschluß von Lieferungsverträgen oder die Annahme von Zahlungen, dann liegt eine weitere Betriebsstätte vor. Hiebei ist als standortgebundene Einrichtung der Ort zu verstehen, an dem der Vertreter üblicherweise anzutreffen ist, also etwa die Wohnung des Vertreters (Bevollmächtigten). Hiefür genügt eine Teiltätigkeit des Gewerbes. Entscheidend für die Beurteilung eines Betriebes als weitere Betriebsstätte ist das Gesamtbild, in dem sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Hauptbetrieb und der weiteren Betriebsstätte darstellen. Unmaßgeblich ist es daher, gemessen am Gesamtbild, wenn etwa der ständige Vertreter als Entgelt nur eine Provision erhält, wenn das Ausmaß der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit des Bevollmächtigten ein weitaus geringeres ist als bei einem Angestellten, oder wenn der Gewerbetreibende über die Betriebsstätte nicht verfügungsberechtigt ist. Den Einrichtungen muß das Merkmal der Dauer innewohnen, damit von einer weiteren Betriebsstätte gesprochen werden kann (Mache-Kinscher, Gewerbeordnung 5 , 209 ff, mit weiteren Hinweisen; VwGH Slg. Nr. 7603 ((A)).
Daraus folgt, daß der Gesetzgeber jede gewerbliche Tätigkeit an einem anderen Standort als dem, auf den die Gewerbeanmeldung oder die Konzession lautet, besonderen Bestimmungen unterworfen hat, wenn diese Tätigkeit in einer standortgebundenen Einrichtung regelmäßig erfolgt. Der Begriff der standortgebundenen Einrichtung ist, wie die obigen Ausführungen zeigen, weit auszulegen; er wird im Gesetz im wesentlichen nur in zeitlicher Hinsicht beschränkt. Da die Buchungen für die erstbeklagte Partei nach den Ergebnissen des Provisorialverfahrens von den beiden genannten Bundesbahnbediensteten auf Grund der getroffenen Vereinbarung in den beiden ebenfalls genannten Dienststellen entgegenzunehmen und die Reiseauskünfte dort zu erteilen waren, ohne daß eine zeitliche Einschränkung im Sinne des § 46 Abs 1 GewO vorgenommen worden wäre, liegt entgegen der Meinung der Rekurswerber eine weitere Betriebsstätte vor. Da für diese Betriebsstätte die gemäß dem § 46 Abs 4 GewO erforderliche besondere Bewilligung nicht erteilt wurde, ist schon aus diesem Grund der Verstoß der beklagten Partei gegen die genannten Bestimmungen der Gewerbeordnung sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Auf die Frage der Einhaltung der in der Verordnung BGBl.1975/315 enthaltenen Ausübungsvorschriften für Reisebüros muß daher nicht mehr eingegangen werden.
Der Einwand der Rekurswerber, das Rekursgericht sei an den vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt gebunden gewesen, das Erstgericht habe aber nicht eine Vereinbarung als bescheinigt angenommen, wonach Buchungen direkt bei der erstbeklagten Partei, aber auch bei den beiden genannten Bundesbahnbediensteten an deren Dienststellen vorgenommen werden könnten, ist verfehlt. Abgesehen davon, daß das Rekursgericht an den vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt nicht gebunden ist, sondern eigene Feststellungen treffen kann, hat auch das Erstgericht die vorerwähnte Vereinbarung als bescheinigt angenommen (AS 20). Daß die Entgegennahme von Buchungen und die Erteilung von Reiseauskünften eine vorbereitende und vermittelnde Tätigkeit ist, die unter dem Begriff des Veranstaltens von Gesellschaftsreisen im Sinne des § 208 Abs 1 GewO fällt, hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen (ÖBl 1983, 165, mit weiteren Hinweisen; zuletzt etwa 4 Ob 388/84). Auf diese Frage muß daher ebensowenig näher eingegangen werden wie auf die Frage der Passivlegitimation des Zweitbeklagten. Dazu hat nämlich das Rekursgericht als bescheinigt angenommen, daß der Zweitbeklagte die beanstandete Vereinbarung selbst abgeschlossen bzw maßgeblich daran beteiligt gewesen ist. Daraus folgt, daß die Unterlassungsklage sowohl gegen die Gesellschaft (erstbeklagte Partei) als auch gegen ihr Organ (Zweitbeklagte) gerichtet werden kann (ÖBl 1978, 43 uva). Der außerordentliche Revisionsrekurs muß daher erfolglos bleiben. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 78, 393 Abs 1, 402 EO, 40, 50, 52 ZPO begründet..
Anmerkung
E05067European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00312.85.0205.000Dokumentnummer
JJT_19850205_OGH0002_0040OB00312_8500000_000