Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei minderjähriger Patric A, geboren am 14. Juli 1974, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Imst, Abteilung Jugendfürsorge, diese vertreten durch Dr. Lienhard Grabmayr, Rechtsanwalt in Landeck, wider die beklagte Partei B C D E, Versicherungs-AG, 1020 Wien, Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr. Walter Heel, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert S 65.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 9. März 1984, GZ 1 R 9/84-44, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12. September 1983, GZ 16 Cg 189/78-37, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben;
zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung und Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger wurde am 14. Juli 1974 von Emma A außer der Ehe geboren. Er ist österreichischer Staatsbürger. Florian Georg F, Hotelangestellter, wohnhaft gewesen in Sölden Nr. 174, hat vor der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg, Abteilung Jugendfürsorge, die Vaterschaft zum Kläger anerkannt und sich am 11. September 1974, beginnend ab 14. Juli 1974 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes, zur Leistung eines Unterhaltsbetrages von monatlich S 800,-- verpflichtet. In der Folgezeit lebte Florian F mit der Mutter und dem Kind in Lebensgemeinschaft und kam für den Lebensunterhalt der beiden zur Gänze auf.
Am 13. Mai 1975 kam Florian F als Beifahrer des von Walter G gelenkten und gehaltenen Personenkraftwagens, Kennzeichen T 173.048, bezüglich dessen bei der Beklagten eine Kfz-Haftpflicht- und eine Insassenversicherung bestand, ums Leben. Der Unfall ereignete sich auf der italienischen Autobahn zwischen Brescia und Cremona ohne Beteiligung eines anderen Verkehrsteilnehmers.
Der Kläger begehrte die Feststellung, daß die Beklagte als Versicherer dieses Fahrzeugs für den ungedeckten Teil des Unterhaltsanspruchs des Klägers zu haften habe. Zwar sei der Unterhalt des Klägers derzeit durch eine Waisenrente der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten und durch eine Rente der Rentenversicherungsanstalt für Seeleute gedeckt, doch könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, daß diese Deckung auch in Zukunft gegeben sein werde, zumal die von der deutschen Versicherungsanstalt gewährte Rente unter Umständen schon vor der Selbsterhaltungsfähigkeit des Klägers entfallen könne. Es bestehe daher ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß die Leistungspflicht der Beklagten im Rahmen der sich aus der Versicherungspolizze ergebenden Deckungssumme gegeben sei. Das Unfallsgeschehen habe sich über eine Länge von 250 m abgespielt, was darauf hinweise, daß Walter G mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei, obwohl in Italien auf den Autobahnen eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 120 km/h bestanden habe. Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, daß der Unfall auf das Platzen des linken Hinterradreifens zurückzuführen sei, der vor dem Unfall einen einwandfreien Zustand aufgewiesen habe. Eine Haftung der Beklagten sei weder nach österreichischem noch nach italienischem Recht gegeben. Der Kläger sei in seinem Unterhalt durch deutsche und österreichische Sozialversicherungsleistungen gesichert. Er werde auch in Zukunft keine Unterhaltseinbuße erleiden.
Das Erstgericht wies die Klage ab und nahm folgenden weiteren Sachverhalt als erwiesen an:
Walter G fuhr mit einem Pkw. Marke Porsche Carrera, Type 911 T, auf dem Autobahnteilstück zwischen Brescia und Cremona im Gemeindegebiet von San Zeno Naviglio. Im Unfallsbereich verläuft die Straße gerade. Zur Unfallszeit befand sich die Betonfahrbahn in trockenem und ausgezeichnetem Zustand. Die Autobahn ist in beiden Fahrtrichtungen zweispurig und verfügt in den Fahrtrichtungen über je zwei Fahrspuren, welche durch Leitlinien getrennt sind. Zwischen den Fahrbahnen befindet sich eine Verkehrsinsel mit Straßenmarkierungen. Bei km 234, 500 kam der Personenkraftwagen infolge des Platzens des Hinterreifens von der Fahrspur ab, prallte gegen die Verkehrsinsel und blieb auf der gegenüberliegenden Fahrbahn liegen. Der Pkw. hielt im Augenblick des Platzens des Reifens eines Geschwindigkeit von ca. 170
km/h ein. Auf der überholfahrbahn zeichnete sich eine Gummispur ab, welche am Beginn 2,30 m vom linken Fahrbahnrand entfernt war. Diese Spur verlief auf den ersten 40 m parallel zur Fahrbahn. Dann zeigte sich eine Spur von den rechten Rädern, welche sich in Form einer Halbkurve von rechts nach links bewegt.
Beide Spuren hatten eine Länge von 86 m bis zur Verkehrsinsel. Von dort zog sich die Spur des linken Rades noch über weitere 14 m. Vom Ausgangspunkt der ersten Spur bis zu einem Blutfleck ergab sich eine Entfernung von 250 m. Bei dem beschädigten Reifen handelt es sich um einen Hochgeschwindigkeitsreifen der Marke Pirelli, Type NC 115/60 VR, der bei normalem Fahrbetrieb auf normaler Fahrbahn Dauergeschwindigkeiten von 210 km/h über einen größeren Zeitraum standhält. Die Lebensdauer eines Reifens hängt im wesentlichen vom vorgeschriebenen Luftdruck ab, der im gegenständlichen Fall nicht überprüft werden konnte. Eine überhitzung des Reifens bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h auf normaler Fahrbahn ist nur möglich, wenn der Luftdruck zu gering ist. Es kann nicht festgestellt werden, welchen Belastungen der Reifen vor dem Unfall ausgesetzt war. Zur Unfallszeit galten auf den Autobahnen in Italien Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 120 km/h. Walter G wurde bei diesem Unfall ebenfalls getötet. Der Kläger befindet sich auf einem Pflegeplatz, wofür monatlich S 1.500,-- aufzuwenden sind. Die Rentenversicherungsanstalt für Seeleute in Hamburg anerkannte mit Bescheid vom 23. November 1977 den Waisenrentenanspruch des Klägers nach Florian F. Der Kläger erhält von dieser Versicherungsanstalt eine monatliche Rente von DM 219,40 seit 1. Jänner 1978. Zusammen mit der Waisenrente der Pensionsversicherungsanstalt kommt der Kläger derzeit auf einen Monatsbetrag von ca. S 2.200,-- monatlich. Die Rentenleistungen für Kinder aus der Rentenversicherungsanstalt für Seeleute werden grundsätzlich nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gewährt.
Darüber hinaus werden die Leistungen auf Antrag längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres für ein Kind gewährt, das sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet, oder ein auf gesetzlichen Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland beruhendes freiwilliges soziales Jahr ableistet, oder infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. In der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß das H übereinkommen vom 4. Mai 1971, BGBl. 1975/387, über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht sich nicht auf den vorliegenden Unfall erstrecke, weil sich dieser Unfall noch vor dem Inkrafttreten des übereinkommens ereignet habe.
Schadenersatzansprüche der hier im Rahmen eines Feststellungsbegehrens gestellten Art seien grundsätzlich nach dem für den Unfallsort geltenden Recht zu beurteilen. Auch das italienische Recht verweise in solchen Fällen nicht auf eine andere Rechtsordnung. Gemäß Art. 2054 Abs 1
CC sei der Lenker eines nicht an Schienen gebundenen Fahrzeuges verpflichtet, den an Personen oder Sachen durch den Verkehr zugefügten Schaden zu ersetzen, wenn er nicht beweise, alles Mögliche getan zu haben, um den Schaden zu verhindern. An die Sorgfaltspflicht des Lenkers sei daher ein strenger Maßstab anzulegen. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte diesen Beweis nicht erbracht. Trotzdem müsse der Klage der Erfolg versagt werden, weil der dem Geschädigten geschuldete Ersatz nach italienischem Recht nur dem unmittelbar Geschädigten zukomme, nicht jedoch auch der mittelbar Geschädigte Ersatzleistung verlangen könne. Der Kläger sei jedoch allenfalls nur in mittelbarer Weise von einem Schaden betroffen, weshalb der geltend gemachte Anspruch begründet sei. Infolge Berufung des Klägers änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Klagsstattgebung ab; es sprach aus, daß der von der Stattgebung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei, weil die Entscheidung vorwiegend von der Lösung von Rechtsfragen ausländischen materiellen Rechtes abhängig und ihr daher erhebliche Bedeutung beizumessen sei. Ausgehend von den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes gelangte das Berufungsgericht jedoch zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Es billigte wohl die Auffassung des Erstgerichtes, daß der vorliegende Fall nach italienischem Recht zu beurteilen sei. Art. 2054 CC bestimme, daß der Lenker eines Fahrzeugs verpflichtet sei, den durch den Betrieb des Fahrzeugs Personen oder Sachen zugefügten Schaden zu ersetzen, wenn er nicht beweise, alles zur Vermeidung des Schadens Mögliche getan zu haben. Aus dieser Bestimmung würden zwei Regeln, eine prozeßrechtliche und eine materiell-rechtliche abgeleitet. Mit der ersten werde die Umkehr der Beweislast vollzogen, weil es dem Lenker auferlegt werde, den Beweis zu führen, alles Mögliche zur Vermeidung des Schadens getan zu haben, wenn er sich von der ihn treffenden Schuldvermutung befreien will. Mit der zweiten werde der Grundsatz eingeführt, daß der Täter sich nicht dadurch befreien könne, daß er beweise, ohne Verschulden gehandelt zu haben, sondern er müsse außerdem beweisen, daß er alles Mögliche zur Vermeidung des Unfalles getan habe. Er müsse also außerdem ein positives Verhalten im Zeitpunkt des Unfalls an den Tag gelegt haben, welches den gegebenen Umständen entsprechend die angemessene Anstrengung zur Vermeidung des Unfalls darstelle. Im vorliegenden Fall könne keine Rede davon sein, daß die Beklagte, die anstelle des Fahrzeuglenkers, jedoch als dessen Gesamtschuldnerin in Anspruch genommen werde, diesen von ihr zu erbringenden Entlastungsbeweis erbracht habe. Die Umstände sprächen vielmehr dafür, daß es auf Grund einer überhöhten Fahrgeschwindigkeit zum Platzen des Reifens gekommen sei, und daß die Fahrgeschwindigkeit jedenfalls höher gewesen sei, als gesetzlich erlaubt.
Selbst wenn das Platzen des Reifens auch bei Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h eingetreten wäre, müsse doch angenommen werden, daß die Unfallsfolgen dann wesentlich geringer gewesen wären. Es gebe wohl keine italienischen gesetzlichen Normen, welche genaue Regeln für die Bestimmung der Art und des Ausmaßes des Ersatzes der verschiedenen Arten von Schäden festlegten. Der italienischen höchstgerichtlichen Judikatur lasse sich jedoch entnehmen, daß der Verwandte einer bei einem Verkehrsunfall getöteten und jenem gegenüber unterhaltspflichtigen Person sehr wohl auf Leistung des Ersatzes für den entgangenen Unterhalt klagen könne. Es werde ihm der Anspruch auf Schadenersatz nicht aus dem Erbfolgerecht (non iure successionis), sondern aus eigenem Recht ('iure proprio') gewährt, und zwar unabhängig von den tatsächlich gewährten Unterhaltsleistungen, damit er für jene Wohltaten und wirtschaftlichen Werte entschädigt werde, deren er beraubt wurde (Kassationsgerichtshof 4. Jänner 1977, Nr. 22, Giust.civ. Mass. 1977). Der Verwandte könne sogar ohne den Beweis seines Unterhaltsanspruches den Ersatz jener Zuschüsse fordern, die ihm das Opfer regelmäßig und laufend geleistet habe, weil sie einen konkreten und sicheren Vermögensvorteil darstellen (KassGH 7. Oktober 1966, Nr. 2412, ZRSlg Mass. 1966, 1387). Es könne daher der Ansicht des Erstgerichtes nicht beigepflichtet werden, daß der Kläger bei Anwendung italienischen Rechts bloß als mittelbar Geschädigter anzusehen wäre und deshalb keinen unmittelbaren Rechtsanspruch gegenüber dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer geltend machen könne. Wenngleich auf Grund von Leistungen aus der österreichischen und deutschen Sozialversicherung derzeit ein Unterhaltsentgang nicht gegeben sei, so müsse doch das Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung der Haftpflicht der Beklagten anerkannt werden, schon um einer Verjährung von Ansprüchen vorzubeugen.
Außerdem könne durchaus nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden, daß die Leistungen aus der Sozialversicherung immer ausreichen würden, um den Unterhaltsanspruch des Klägers, wie er gegenüber seinem Vater bestanden hätte, abzudecken, weshalb in Abänderung der angefochtenen Entscheidung dem Klagebegehren in einer etwas deutlicheren Fassung, jedoch inhaltlich unverändert, stattzugeben gewesen sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist schon mit Rücksicht auf die zu lösenden Fragen des internationalen Privatrechtes im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig;
sie ist auch im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen berechtigt.
Die Beklagte führt in ihrem Rechtsmittel aus, nach italienischer Lehre und Rechtsprechung sei Art. 2054 CC, insbesondere die im Abs 1 vorgesehene Beweislastumkehr, auf Ansprüche von Insassen des Fahrzeughalters nicht anzuwenden. Es wäre daher Art. 2043 CC anzuwenden, wonach jeglicher vorsätzlich oder schuldhaft Handelnde, der einem anderen einen Schaden widerrechtlich zufüge, verpflichtet sei, den dadurch verursachten Schaden diesem zu ersetzen. Die Beweislast treffe aber nach dieser Bestimmung den Geschädigten, hier somit den Kläger, dem aber der Beweis eines Verschuldens des Kfz-Halters nicht gelungen sei. Auch aus Art. 2054 letzter Absatz CC (Vorliegen eines Bau- oder Instandhaltungsfehlers) könne keine Haftung der Beklagten abgeleitet werden, weil dem Kläger weder der Beweis eines derartigen Fehlers noch auch des Zusammenhanges zwischen einem solchen Fehler und dem Schadensereignis gelungen sei. Der Kläger sei nur mittelbar geschädigt.
überdies fehle ihm das Feststellungsinteresse.
Diese Ausführungen geben zu folgenden Erwägungen Anlaß:
Die Vorinstanzen sind übereinstimmend davon ausgegangen, daß der vorliegende Fall, der sich vor dem Inkrafttreten des H übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht BGBl. 1975/387 (3. Juni 1975) ereignete, nach dem für den Unfallsort geltenden Recht, somit nach italienischem Recht, zu beurteilen sei. Dieser Auffassung wurde auch in der Revision beigepflichtet.
Zu den in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfenden Fragen gehört auch jene des anzuwendenden Rechtes, falls sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Rechtssache allenfalls nach ausländischem Recht zu beurteilen ist (vgl. SZ 54/133, 47/138 ua). Die Vorinstanzen haben die Ansprüche des Klägers ausschließlich unter dem Gesichtspunkt einer deliktischen Haftung der Beklagten beurteilt und sind deshalb zur Anwendbarkeit des italienischen Rechtes gelangt. Der Kläger hat seine Ansprüche aber keineswegs ausschließlich auf eine deliktische Haftung der Beklagten gestützt. Er hat vielmehr in der Klage lediglich vorgebracht, daß Florian F, sein unehelicher Vater, als Beifahrer des Walter G in dessen Pkw. mit österreichischem Kennzeichen in Italien tödlich verunglückt sei; Walter G sei bei der Beklagten 'insassen- bzw. haftpflichtversichert' gewesen. Auf Grund dieser Versicherungsverhältnisse bestehe ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf den ungedeckten Teil seines Unterhaltes. Dieses Vorbringen enthält keine Einschränkung auf eine deliktische Haftung. § 1295 Abs 1 zweiter Satz ABGB beinhaltet den Ersatz eines 'durch übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag' verursachten Schadens. Nach dem Akteninhalt fuhren Walter G und Florian F, die beide in Sölden wohnhaft waren, im Kraftfahrzeug GS nach Italien, wo sich der für beide tödliche Verkehrsunfall ereignete. Dieser Sachverhalt enthält immerhin gewisse Anhaltspunkte für einen allenfalls zumindest schlüssig zwischen Florian F Und Walter G in Österreich abgeschlossenen Beförderungsvertrag. Hebt aber etwa bei einer gemeinsamen Fahrt mehrerer Personen mit einem Kraftfahrzeug der Halter von den Mitfahrern bestimmte Zuschüsse zu den Fahrtkosten ein, liegt ein Beförderungsvertrag vor (ZVR 1979/128, 8 Ob 21/84 ua). Gegenstand eines Personenbeförderungsvertrages ist die entgeltliche Beförderung einer Person von einem Ort zum anderen. Eine wichtige Nebenverpflichtung aus diesem Vertrag besteht darin, daß die zu befördernde Person unversehrt an ihren Bestimmungsort gebracht wird. Die Unterlassung einer Körperverletzung der beförderten Person ist also Vertragsinhalt (ZVR 1976/172; ZVR 1979/128, 8 Ob 21/84 ua). Wäre etwa vor Antritt der Fahrt nach Italien zwischen G und F eine Beteiligung FS an den Fahrtkosten vereinbart worden, könnte ein Personenbeförderungsvertrag vorliegen, der zwischen Österreichern in Österreich abgeschlossen worden war und auf den österreichisches Recht anzuwenden wäre, mag sich der Schadensfall auch im Ausland ereignet haben (vgl. ZVR 1979/128, ZVR 1975/157 ua). In dieser Richtung fehlt es aber im vorliegenden Fall bisher an entsprechendem Parteivorbringen und an den erforderlichen Feststellungen, um die Frage der Anwendung des inländischen oder eines ausländischen (hier italienischen) Rechtes abschließend beurteilen zu können. Schon aus diesem Grunde ist die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen nicht zu umgehen. Ein weiterer möglicher Anknüpfungspunkt an die inländische Rechtsordnung könnte sich allenfalls aus den bezüglich des Unfallsfahrzeuges bei der Beklagten bestandenen Versicherungsverträgen, insbesondere der Insassen - offenbar Unfallversicherung - ergeben, sofern nach dem Inhalt des Vertrages der Insasse, also Florian F, beziehungsweise der Kläger als dessen Hinterbliebener, ihre Ansprüche gegen die Beklagte selbständig geltend zu machen berechtigt wären (vgl. Art. 4 Abs 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Kasko- und Insassenunfallversicherung von Kraftfahrzeugen und Anhängern (I). Auch in dieser Richtung fehlt es an den erforderlichen Feststellungen, insbesondere über den Inhalt der Versicherungsverträge.
Sollten sich im fortgesetzten Verfahren jedoch keine Anknüpfungspunkte für die Anwendung österreichischen Rechtes ergeben, wäre die Rechtssache nach dem Recht des Unfallortes, also nach italienischem Recht zu beurteilen, zumal das H übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht, BGBl. 1975/387, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, auf den vorliegenden Unfall, der sich vor dem Inkrafttreten des übereinkommens ereignete, nicht anzuwenden ist. Die für die Entscheidung des vorliegenden Falles maßgebenden Vorschriften des italienischen Rechtes wären in diesem Fall von Amts wegen zu ermitteln (§ 4 Abs 1 J) sowie von Amts wegen und wie in ihrem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden (§ 3 J). Bei der Anwendung des fremden Rechtes sind über die Ermittlung des Gesetzeswortlautes hinaus auch die einschlägige Lehre und Rechtsprechung zu berücksichtigen (vgl. hiezu Anm. 4 zu § 3 und Anm. 1 zu § 4 J in Duchek-Schwind IPR). Obgleich derzeit eine Stellungnahme zu den einzelnen, nach italienischem Recht zu lösenden Rechtsfragen, wie dargelegt, noch nicht möglich ist, sei in diesem Zusammenhang aber schon jetzt darauf verwiesen, daß die von den Vorinstanzen im bisherigen Verfahren ermittelten Unterlagen für die Anwendung der einschlägigen Normen des italienischen Rechtes zu einer abschließenden rechtlichen Beurteilung der Rechtssache nicht hinreichen. Es wäre wohl in diesem Falle die Einholung von Auskünften des Bundesministeriums für Justiz, wie sie im § 4 Abs 1 J vorgesehen ist, bezüglich der nach italienischem Recht zu lösenden Rechtsfragen zweckmäßig, weil dadurch voraussichtlich eine zusammenfassende Darstellung der Lehre und Rechtsprechung erreicht werden könnte; dabei wäre außer auf die bisher schon von den Vorinstanzen behandelten, nach italienischem Recht zu lösenden Fragen auch auf die in der Revision angeführten neuen rechtlichen Gesichtspunkte, insbesondere betreffend die Haftung des Kraftfahrzeughalters gegenüber Mitfahrern, einzugehen. Entgegen der Auffassung der Revision kann allerdings schon jetzt mit dem Berufungsgericht das Feststellungsinteresse des Klägers bejaht werden, wobei auf die zutreffende Begründung der zweiten Instanz verwiesen wird.
Da somit Feststellungsmängel insbesondere hinsichtlich der von Amts wegen zu prüfenden Frage des anzuwendenden Rechtes vorliegen, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Der Revision war somit Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E05107European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00036.84.0226.000Dokumentnummer
JJT_19850226_OGH0002_0020OB00036_8400000_000