Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A B, Allgemeine Versicherungsaktiengesellschaft, 1010 Wien, Hoher Markt 10-11, vertreten durch Dr.Josef Riedmann, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei Wilfried C, Fahrzeugbau, 6850 Dornbirn, Moosmahdstraße 10 a, vertreten durch Dr.Josef Spiegel, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 63.135 S s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 10.November 1983, GZ 2 R 286/83-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19.Juni 1983, GZ 4 Cg 2075/81-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte hat der klagenden Partei die mit 3.553,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 268,50 S Umsatzsteuer und 600 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 10.Mai 1979 wurde der dem Beklagten zur Reparatur übergebene und auf seinem Werksgelände abgestellte, bei der klagenden Partei kaskoversicherte PKW Volvo 245 GL, Kennzeichen V 68.337, gestohlen. Bei seiner Wiederauffindung wies das Fahrzeug einen Totalschaden auf.
Unter Hinweis auf ihre an die Firma D, Wolfurt, als Fahrzeugeigentümerin erbrachten Versicherungsleistungen und gestützt auf die Bestimmung des § 67 Abs.1 VersVG begehrt die klagende Partei den Rückersatz eines Betrages von 74.943 S s.A. mit der Behauptung, der Beklagte habe den PKW mangelhaft verwahrt gehabt, sodaß ihn ein Verschulden am Schadensereignis treffe.
Der Beklagte bestritt das Klagsvorbringen und beantragte Klagsabweisung.
Das Erstgericht sprach der klagenden Partei einen Betrag von 63.135 S s.A.
zu und wies das Mehrbegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der lediglich vom Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge. Es erklärte die Revision für zulässig. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt der Beklagte eine auf § 503 Abs.1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung.
Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die auch vom Obersten Gerichtshof als zulässig erachtete (§ 508 a Abs.1 ZPO) Revision ist nicht gerechtfertigt.
Den unterinstanzlichen Entscheidungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Das Fahrzeug der Firma D war nach Durchführung einer Reparatur am 9.Mai 1979 im Innenhof des Werksgeländes des Beklagten abgestellt worden. Der Zündschlüssel wurde im Zündschloß belassen; die Fahrzeugtüren wurden nicht abgesperrt. Neben dem Fahrzeug der Firma D waren noch zwei Fahrzeuge der Marke Mercedes abgestellt, bei denen gleichfalls die Fahrzeugtüren unversperrt blieben und die Zündschlüssel steckten. Das in der Moosmahdstraße im Zentrum von Dornbirn gelegene Werksgelände des Beklagten ist mit einem ca. 2 m hohen Drahtzaun umgeben und durch zwei Tore zugänglich. Vom Tor 1 bis zur Moosmahdstraße beträgt die Entfernung ca. 20 m, bis zu dem innerhalb des Werksgeländes befindlichen Wohnhaus des Beklagten ca. 30 m.
Direkt neben diesem Tor befindet sich das Nachbarhaus Moosmahdstraße
10. Am Abend des 9.Mai 1979 wurden beide Tore jeweils mittels eines Vorhangschlosses, welches durch am Tor angeschweißte Eisenlaschen geführt war, versperrt. Die im Innenhof des Werksgeländes installierte Beleuchtung wurde nicht eingeschaltet. Kontrollgänge während der Nacht wurden nicht durchgeführt. In der Nacht brach ein unbekannter Täter mit Hilfe eines Eisenrohres oder einer Eisenstange das Vorhangschloß beim Eingangstor 1 auf und nahm den PKW der Firma D in Betrieb. Am 10.Mai 1979 wurde der PKW abseits einer Straße in total beschädigtem Zustand aufgefunden. Die klagende Partei bezahlte an die Firma D als Versicherungsnehmerin in der Folge eine Kaskoversicherungsentschädigung in der Höhe von 74.943 S. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, den Beklagten habe im Rahmen des mit der Firma D abgeschlossenen Werkvertrages die vertragliche Nebenverpflichtung zur sorgfältigen Verwahrung des Fahrzeuges getroffen. Dieser Verwahrungspflicht sei der Beklagte nicht nachgekommen. Wohl sei das Betriebsgelände so abgesichert gewesen, daß darin abgestellte Autos nur nach Einbruch hätten gestohlen werden können, doch bedeute das Steckenlassen des Zündschlüssels und das Nichtabsperren der Türen des PKW eine schuldhafte Unterlassung der dem Beklagten obliegenden pflichtgemäßen Obsorge. Sein Hinweis auf die Möglichkeit einer rascheren Entfernung unversperrt und mit Zündschlüssel abgestellter Fahrzeuge im Brandfalle könne den Beklagten nicht entlasten, da es organisatorisch durchaus möglich erscheine, für eine rasche Entfernung auch versperrter Fahrzeuge im Brandfalle vorzusorgen. Hätte sich der Beklagte zu einer derartigen organisatorischen Maßnahme nicht in der Lage gesehen, so wäre er verpflichtet gewesen, das Werksgelände bewachen oder ständige Kontrollrundgänge durchführen zu lassen. Ausgehend von einem Zeitwert von 65.000 S abzüglich des Restwertes von 5.000 S zuzüglich Bergungskosten von 3.135 S errechne sich der zu ersetzende Gesamtschaden mit 63.135 S. Das Berufungsgericht hielt weder die Beweis- und Tatsachenrüge noch die Rechtsrüge für gerechtfertigt. Zutreffend sei das Erstgericht davon ausgegangen, daß den Beklagten aus dem mit der Firma D geschlossenen Werkvertrag die Nebenpflicht zur Verwahrung der den Gegenstand der eigenen Leistung bildenden fremden Sache getroffen habe. Der Verwahrer hafte dem Hinterleger für jeden Schaden, der durch Vernachlässigung der pflichtgemäßen Obsorge, also durch Verschulden, entstanden sei. Den Beweis der Schuldlosigkeit habe er zu erbringen. Das Ausmaß der Sorgfaltspflicht des Unternehmers, der ein Fahrzeug zur Reparatur übernehme, ergebe sich aus den Bestimmungen der §§ 1297, 1299 ABGB und bestimme sich im besonderen nach den Umständen des Einzelfalles. Daß die vom Beklagten geübte Art der Verwahrung dem Hinterleger bekannt gewesen oder von ihm gebilligt worden wäre, sei weder behauptet noch bewiesen worden. Unter den gegebenen Umständen sei eine ordnungsgemäße, den Sorgfaltsmaßstäben der §§ 1297, 1299 ABGB entsprechende, Verwahrung des PKW Volvo zu verneinen, weil hiezu eine Versperrung des Fahrzeuges oder doch zumindest das Entfernen des Zündschlüssels erforderlich gewesen wäre. Dem Argument des Beklagten, nur bei Belassen der Zündschlüssel in den Fahrzeugen könne im Brandfalle deren rasche Entfernung gewährleistet werden, sei grundsätzlich entgegenzuhalten, daß im Hinblick auf die allgemein bekannte Häufigkeit von Kraftfahrzeugdiebstählen viel eher mit einem Einbruch in das Werksgelände als mit dem Ausbruch eines Brandes gerechnet hätte werden müssen; hinzu komme im konkreten Falle noch, daß nur drei Fahrzeuge abgestellt gewesen seien, die bei Ausbruch eines Brandes auch dann rasch hätten entfernt werden können, wenn die Zündschlüssel nicht stecken gelassen worden wären. Es sei dem Beklagten zumutbar gewesen, die Zündschlüssel aus den Fahrzeugen zu entfernen und so zu verwahren, daß sie dem leichten Zugriff eines Diebes entzogen und dennoch im Brandfalle rasch zur Hand gewesen wären.
In der Revision wird vorgebracht, während des nahezu 30-jährigen Bestehens des Betriebes des Beklagten sei nur einmal und zwar in das Bürogebäude eingebrochen worden, sodaß nach den Erfahrungen des Beklagten eine konkrete Einbruchsgefahr nicht bestanden habe, vielmehr für ihn Sicherheitsüberlegungen für den Brandfall maßgebend gewesen seien. Selbst beim strengen Sorgfaltsmaßstab des § 102 Abs.6 KFG 1967 bzw. § 6 EKHG werde nur gefordert, daß der Wegnahme des Fahrzeuges ein beträchtliches Hindernis entgegengesetzt werde. Ein solches Hindernis hätten die Vorhangschlösser aber jedenfalls dargestellt. Bei Richtigkeit der Rechtsansicht der Unterinstanzen müßten Fahrzeuge auch innerhalb von Gebäuden versperrt und ohne Zündschlüssel abgestellt werden. Derartige Anforderungen an die Sicherungspflicht widersprächen jedoch der Judikatur. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Die grundsätzliche Pflicht des Beklagten zur sorgfältigen Verwahrung des ihm im Rahmen eines mit der Versicherungsnehmerin der klagenden Partei geschlossenen Werkvertrages übergebenen PKW - vgl. hiezu JBl. 1972, 609; 1974, 624; EvBl. 1984/11; 3 Ob 666/81, 7 Ob 537/82, 2 Ob 591/83 u.a. - wird in der Revision ebensowenig in Zweifel gezogen wie die grundsätzliche Berechtigung der klagenden Partei, für ihre an die Firma D erbrachten Versicherungsleistungen gemäß der in § 67 Abs. 1 VersVG vorgesehenen Legalzession beim schadenersatzpflichtigen Dritten Regreß zu nehmen (ZVR 1957/200; 1960/337; SZ 43/15, SZ 45/125, SZ 51/106; VersR 1980, 371 u. a.). Daß sich das Ausmaß der Sorgfaltspflicht des Unternehmers, der ein fremdes Fahrzeug zur Reparatur und damit auch zur Verwahrung übernimmt, nach den Bestimmungen der §§ 1297, 1299 ABGB richtet, wurde von den Unterinstanzen ebenfalls zutreffend zugrundegelegt (EvBl. 1974/160;
EvBl. 1984/11; 3 Ob 221/75 u.a.). Unter Obsorge im Sinne des § 957 ABGB ist nicht nur die rein passive Verwahrung zu verstehen, vielmehr ist der Verwahrer auch zu allen positiven Handlungen verpflichtet, die zur Erhaltung der Sache bzw. Verhinderung ihrer Verschlechterung erforderlich (Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 957; EvBl. 1984/11 u.a.) und ohne weiteres zumutbar sind. Unter diesen Gesichtspunkten waren hier zwar hinsichtlich der Versperrung des Werksgeländes keine weiteren Maßnahmen zu fordern. Wohl jedoch gehört zu einer sorgfältigen Verwahrung, daß auch für den nach aller Erfahrung bei einem der Autoabstellung dienenden Werksgelände nicht unwahrscheinlichen Einbruchsfalle wenigstens die einfachsten und leicht zumutbaren Vorkehrungen gegen Wegnahme getroffen werden. Die Entfernung und sichere Verwahrung des Zündschlüssels sowie das Versperren eines solcherart abgestellten Fahrzeuges stellt hiebei eine so naheliegende und unkomplizierte Sicherungsmaßnahme dar, daß sie von einem sorgfältigen Verwahrer geradezu als Selbstverständlichkeit angesehen werden muß. Eine gegenteilige, für den im allgemeinen regen Besucherverkehr leicht beobachtbare, Praxis in Werkstätten erhöht nämlich ganz offenkundig die Diebstahlsgefahr und steht somit der Annahme einer sorgfältigen Verwahrung jedenfalls entgegen. Das Argument des Revisionswerbers, im Laufe vieler Jahre sei erst einmal in sein Bürogebäude eingebrochen worden, spricht keinesfalls für ihn, insbesondere auch, weil er hinsichtlich der angeblich in den Vordergrund zu stellenden Brandgefahr selbst keine Vorfälle anzugeben vermochte und diese außerhalb der Arbeitszeit auf einem versperrten Werksgelände auch zweifellos geringer ist. Welche Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich in verschlossenen Gebäuden verwahrten Fahrzeugen zumutbar erscheinen, ist hier nicht zu untersuchen, weil dieser Fall nicht vorliegt. Hingewiesen sei jedoch einerseits auf die bereits zitierte Entscheidung EvBl. 1984/11, in welcher allein schon das Steckenlassen der Zündschlüssel während längerer Arbeitspausen als Sorgfaltsverstoß gewertet wurde und andererseits darauf, daß die Gefahr der Wegnahme eines Fahrzeuges im Falle seiner Verwahrung in verschlossenen Gebäuden von vornherein wesentlich geringer ist, weil die konkrete Diebstahlsmöglichkeit nicht ins Auge springt, also die Gelegenheit zum Diebstahl eines Fahrzeuges nicht erkennbar ist bzw. bewußt gemacht wird. Letztlich schlägt aber auch das Argument des Revisionswerbers, selbst bei Beurteilung der Frage der Ermöglichung von Schwarzfahrten im Sinne des § 102 Abs. 6 KFG 1967 bzw. § 6 Ab. 1 EKHG werde nur auf die Errichtung eines beträchtlichen Hindernisses abgestellt, nicht durch, zumal in diesen Fällen nach der Judikatur die allerstrengsten Anforderungen bis zur Grenze des unabwendbaren Zufalls gestellt werden (ZVR. 1975/101; 1978/78, 1983/343; 1984/56 u. v.a.), wobei jedenfalls stets auch sämtliche Vorrichtungen am Fahrzeug, die dessen Wegnahme erschweren, betätigt werden müssen (ZVR. 1978/215; 1979/127; 1980/44 u.v.a.) und das Setzen einer günstigen Bedingung für die Wegnahme allein schon als Ermöglichung der Schwarzfahrt gewertet wird (ZVR. 1971/40; 1978/25; 1981/221; 1984/50 u.v.a.).
Somit sind die Unterinstanzen zu Recht von der Haftung des Beklagten für den gegenständlichen Schadensfall ausgegangen. Der Revision war demgemäß ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E05204European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00540.84.0226.000Dokumentnummer
JJT_19850226_OGH0002_0020OB00540_8400000_000