Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Schobel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) A & B Gesellschaft mbH, Wiesloch, Bundesrepublik Deutschland, 2.) C & D, Druckereibedarf Gesellschaft mbH, 1140 Wien, Hütteldorferstraße 329, beide vertreten durch Dr. Harald Foglar-Deinhardstein und Dr. Andreas Foglar-Deinhardstein, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E Graphische Handelsgesellschaft mbH, 1160 Wien, Wurlitzergasse 49, vertreten durch Dr. Kurt Schneider und Dr. Rudolf Riedl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung sowie einstweiliger Verfügung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 19. November 1984, GZ 4 R 236/84-13, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30.August 1984, 19 Cg 37/84-5, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Die klagenden Parteien haben die Kosten der Beantwortung des Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die klagenden Parteien begehrten unter anderem von der beklagten Partei, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf der Umhüllung oder Verpackung der von ihr vertriebenen Waren Hinweise anzubringen, aus denen sich die Herkunft dieser Waren von der erstklagenden Partei ergibt, sofern die betreffenden Waren nicht tatsächlich von der erstklagenden Partei angeschafft oder in Verkehr gebracht wurden. In eventu begehrten sie, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr den Vertrieb von Waren, auf deren Umhüllung oder die Verpackung die Bezeichnung 'A & B' angebracht ist, zu unterlassen, sofern diese Waren von der erstklagenden Partei weder erzeugt noch in Verkehr gebracht wurden.
Zur Sicherung ihres Anspruches auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen begehrten die klagenden Parteien ferner für die Dauer des Rechtsstreites die Erlassung einer dem Eventualbegehren entsprechenden einstweiligen Verfügung. Sie brachten vor, die Erstklägerin erzeuge und vertreibe Chemikalien für den Siebdruck, während die Zweitklägerin als Vertragshändlerin den Import der von der Erstklägerin erzeugten Produkte durchführe. Zu diesen Chemikalien zählten die Produkte Pregan C 4, Pregan 240 E und Pregasol F. Die Beklagte, welche bis zum Jahr 1982 Vertragshändlerin der Erstklägerin gewesen sei, habe der F G Gesellschaft mbH im Februar, April und Mai 1984 Siebdruckchemikalien in Kanistern mit Etiketten versehen geliefert, auf welchen die oben angeführten Bezeichnungen sowie Firma und Adresse der Erstklägerin aufgeschienen seien, obgleich es sich bei den Waren nicht um Produkte der Erstklägerin gehandelt habe. Auch an die H*** Schifabrik Gesellschaft mbH seien Chemikalien unter der Bezeichnung Pregan C 4 unter Verwendung von Etiketten der Erstklägerin veräußert worden, obgleich es sich nicht um ein Produkt Letzterer gehandelt habe. Die Beklagte beantragte, den Sicherungsantrag abzuweisen und wendete ein, die Etikettierung sei irrtümlich erfolgt und sofort nach Entdeckung des Irrtums Ende Juni 1984 eingestellt worden. Es bestehe daher keine Grundlage für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es nahm auf Grund der Aussage des Geschäftsführers der Beklagten als bescheinigt an, daß zwar Produkte, welche nicht von der Erstklägerin stammten, irrtümlich mit Etiketten versehen worden seien, welche auf die Erstklägerin hinwiesen und noch aus der Zeit stammten, in der die Beklagte Generalvertreterin der Erstklägerin gewesen sei, doch könne ein solcher Irrtum seit Ende Juni 1984 nicht mehr vorkommen, weil über Anordnung des Geschäftsführers der Beklagten diese Etiketten weggeworfen worden seien.
Das Rekursgericht erließ über Rekurs der klagenden Parteien die beantragte einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Es nahm anders als das Erstgericht nicht als bescheinigt an, daß die Beklagte Fremdprodukte, die mit Etiketten der Erstklägerin versehen waren, nur auf Grund eines Irrtums verkauft habe. Es könne auch nicht als bescheinigt angenommen werden, daß die Beklagte die bei ihr noch vorhandenen Etiketten der Erstklägerin weggeworfen habe. Damit sei ein Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht bescheinigt. Daß die einstweilige Verfügung nur zur Sicherung des Eventualbegehrens beantragt worden sei, stehe ihrer Erlassung nicht entgegen, weil das Haupt- und Eventualbegehren nebeneinander bestehen könnten. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die klagenden Parteien beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt.
Die Beklagte wendet sich ausschließlich dagegen, daß das Rekursgericht den Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht als bescheinigt angenommen und die Aussage des Geschäftsführers der beklagten Partei anders als das Erstgericht gewürdigt hat. Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Rekursgericht habe von den Ergebnissen der durch das Erstgericht unmittelbar aufgenommenen Beweise nicht abgehen dürfen.
Dem kann nicht beigepflichtet werden.
Nach ständiger Rechtsprechung (ÖBl.1983, 74; ÖBl.1980, 41 und 138 uva) ist das Rekursgericht - anders als der Oberste Gerichtshof, der nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist - an die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nicht gebunden und kann daher auch zu anderen oder weiteren Feststellungen kommen, als die erste Instanz. Im Verfahren über die einstweilige Verfügung gilt der Grundsatz der Unmittelbarkeit nicht (Schönherr, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Rdz 539; EvBl 1964/392 u.v.a.). Von diesen Grundsätzen abzugehen, bieten die Ausführungen im Revisionsrekurs keinen Anlaß. Vor allem spricht gegen eine Bindung des Rekursgerichtes an Feststellungen des Erstgerichtes auf Grund unmittelbarer Beweisaufnahmen, daß es sich im Sicherungsverfahren nicht um die Herstellung des vollen Beweises, sondern nur um die Glaubhaftmachung ohne weitläufige Erhebungen handelt. Auch Fasching, auf den sich die beklagte Partei beruft und der ansonsten den Standpunkt vertritt, daß auch für das Bescheinigungsverfahren der Unmittelbarkeitsgrundsatz gilt, führt aus, daß dieser im Exekutionsverfahren - wozu auch das Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zählt - nicht gilt, weshalb es dem Rekursgericht frei stehe, von erstrichterlichen Feststellungen abzuweichen (Fasching IV 383). Das Rekursgericht durfte daher seiner Entscheidung einen anderen Sachverhalt als dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen zugrundelegen. Alle weiteren Ausführungen der beklagten Partei in diesem Zusammenhang stellen aber nur den Versuch dar, die Beweiswürdigung durch das Rekursgericht in unzulässiger Weise zu bekämpfen.
Daß aber dann, wenn die beklagte Partei die unrichtige Etikettierung nicht irrtümlich, sondern bewußt vorgenommen und die noch vorhandenen Etiketten auch nicht vernichtet hat, sowohl der Tatbestand der Irreführung nach § 2 UWG als auch Wiederholungsgefahr vorliegt, wird im Revisionsrekurs ebensowenig bekämpft wie die zutreffende Ansicht des Rekursgerichtes, daß auch zur Sicherung eines Eventualbegehrens dann eine einstweilige Verfügung bewilligt werden kann, wenn Haupt- und Eventualbegehren auch nebeneinander bestehen können (SZ 55/8 ua).
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf die §§ 78, 402 Abs 2 EO, § 40, 50 ZPO, jener über die Kosten der Beantwortung des Revisionsrekurses auf § 393 Abs 1 EO.
Anmerkung
E05239European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00310.85.0227.000Dokumentnummer
JJT_19850227_OGH0002_0040OB00310_8500000_000