TE OGH 1985/2/27 1Ob514/85

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Veröffentlicht am 27.02.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Hofmann, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Alfons A, Landesamtspräsident, Graz, Pfarrweg 30, vertreten durch Dr. Leo Kaltenbäck, Dr. Hanspeter Pausch und Dr. Elisabeth Simma, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei B C Betriebsgesellschaft m.b.H., Feldkirchen, vertreten durch Dr. Helmut Thomich, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung der Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses (Streitwert S 310.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 6. November 1984, GZ. 7 R 152/84-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 16. Juli 1984, GZ. 7 Cg 66/84-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

'Der vom Aufsichtsrat der beklagten Partei in seiner Sitzung vom 19. Jänner 1984 gefaßte Beschluß, Dr. Alfred D zum Aufsichtsratsvorsitzenden zu bestellen, ist samt dem diesem Beschluß zugrunde liegenden Wahlakt nichtig und unwirksam.' Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 64.296,15 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin S 5.089,65 Umsatzsteuer und S 8.310,- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am Stammkapital der beklagten Gesellschaft m.b.H. sind die REPUBLIK ÖSTERREICH zu 50 % sowie das Land Steiermark und die Stadt Graz zu 25 %

beteiligt. Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft ist der Bau und Betrieb von Verkehrsflughäfen in Graz und im Land Steiermark mit allen damit zusammenhängenden Nebeneinrichtungen sowie deren Finanzierung. Auf Grund des Gesellschaftsvertrages ist ein Aufsichtsrat zu bestellen. Zusammensetzung und Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrates sind im § 7 des Gesellschaftsvertrages geregelt, dessen Bestimmungen - soweit für den Rechtsstreit bedeutsam - nachstehenden Wortlaut haben:

1.) Der Aufsichtsrat besteht aus höchstens zwölf Mitgliedern, die von der Generalversammlung gewählt werden.

2.) Die Funktionsperiode des Aufsichtsrates dauert bis zu jener Generalversammlung, die über die Entlastung für das zweite Geschäftsjahr nach der Wahl beschließt, hiebei wird das Geschäftsjahr, in dem die Wahl erfolgt ist, nicht mitgerechnet.

3.) Der Aufsichtsrat wählt aus seiner Mitte für die Dauer der Funktionsperiode einen Vorsitzenden und maximal zwei Stellvertreter.

.....

5.) Die Einberufung des Aufsichtsrates kommt dem Vorsitzenden oder im Falle seiner Verhinderung seinem Stellvertreter zu. Die Einberufung hat mindestens dreimal im Geschäftsjahr, aber auch dann zu erfolgen, wenn dies ein Aufsichtsratsmitglied oder der Geschäftsführer unter Angabe von Gründen verlangen.

6.) Der Aufsichtsrat ist beschlußfähig, wenn mindestens zwei Drittel der gewählten Mitglieder, darunter der Vorsitzende oder sein Stellvertreter anwesend sind. Er faßt seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, sofern Gesetz oder Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsehen. Bei Stimmengleichheit gilt derjenige Beschluß für angenommen, für welchen der Vorsitzende gestimmt hat. ...

In der Gesellschafterversammlung am 13. Juli 1983 wurde der Aufsichtsrat neu bestellt und Hanns E, Dr. Nikolaus F, Dr. Alfred D, Dr. Karl G, Dr. Armin H, Dr. Heinz I, Dipl.Ing. Otto J und der Kläger zu Mitgliedern des Aufsichtsrates gewählt; der Betriebsrat entsandte Anton K, Karl L, Elisabeth M und Johann N in dieses Gremium.

Bis zu dieser Generalversammlung war der Kläger Aufsichtsratsvorsitzender.

Da bis dahin keine konstituierende Aufsichtsratssitzung einberufen worden war, forderte Dr. Nikolaus F die beklagte Partei mit Schreiben vom 21. Dezember 1983 - dort am 24. d. eingelangt - unter Berufung auf § 7 Punkt 5 des Gesellschaftsvertrages zur Abhaltung einer Aufsichtsratssitzung 'zum ehestmöglichen Zeitpunkt' auf, um 'die notwendigen Beschlüsse des Aufsichtsrates (u.a. Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1982, Genehmigung des Wirtschafts- und Investitionsplanes 1984)' umgehend zu fassen. Als darauf nicht reagiert wurde, lud er die Mitglieder des Aufsichtsrates mit Schreiben vom 9. Jänner 1984 zu einer für den 19. Jänner 1984 um 10.00 Uhr im Sitzungszimmer der beklagten Partei anberaumten Sitzung ein und schloß der Einladung als Tagesordnung das Schreiben vom 21. Dezember 1983 an. Zum anberaumten Termin fanden sich alle Aufsichtsratsmitglieder mit Ausnahme des auf Erholungsurlaubs weilenden Hanns E und des Dipl.Ing.Otto J, der angekündigt hatte, er werde aus dienstlichen Rücksichten verspätet erscheinen, ein. Da weder ein Vorsitzender noch sein Stellvertreter gewählt waren, unterblieb die Eröffnung der Sitzung, die Begrüßung der Erschienenen und die Feststellung der Beschlußfähigkeit; man war 'überwiegend' der Meinung, es sollte zunächst die Wahl des Vorsitzenden und seiner Stellvertreter stattfinden. In der Folge sprach sich Dr. Heinz I für die Wahl des Klägers zum Vorsitzenden aus, stellte jedoch den Antrag, daß Dr. Karl G als ranghöchster Vertreter des Bundes die Wahl leiten solle. Dieser übernahm den Vorsitz, nachdem die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder dem Antrag zugestimmt hatte. Der Kläger und Dr. Heinz I wandten sich allerdings gegen diese Vorgangsweise, wobei ersterer feststellte, diese sei weder durch das Gesetz noch durch die Geschäftsordnung oder den Gesellschaftsvertrag gedeckt. Dr. Karl G ersucht um Wahlvorschläge; lediglich Dr. Nikolaus F erstattete einen solchen, demzufolge Dr. Alfred D zum Vorsitzenden, Dr. Karl G zum 1. und der Kläger zum 2. Stellvertreter bestellt werden sollten. über Verlangen des Klägers wurde über jede der drei Funktionen gesondert abgestimmt. Für Dr. Alfred D als Vorsitzenden stimmten Dr. Nikolaus F, Dr. Alfred D, Dr. Karl G, Dr. Armin H, Elisabeth M und Johann N, dagegen Anton K, Karl L, Dr. Heinz I und der Kläger (Stimmenverhältnis daher 6 : 4). Dr. Karl G wurde als erster Stellvertreter stimmeneinhellig gewählt (er selbst enthielt sich der Stimme).

Für den Kläger votierten alle anwesenden Aufsichtsratsmitglieder. Danach wollte Dr. Karl G die Abstimmung unter den von der Gesellschafterversammlung entsandten Mitgliedern des Aufsichtsrates wiederholen. Da sich der Kläger dagegen aussprach und das Stimmenverhältnis dieser Aufsichtsratsmitglieder ohnedies dem schon durchgeführten Abstimmungsvorgang entnommen werden konnte, entspann sich eine Debatte über die Wirksamkeit der Wahl des Dr. Alfred D zum Vorsitzenden, was vom Kläger bestritten wurde. Dr. Karl G unterbrach die Sitzung bis zum Eintreffen des Dipl.Ing.Otto J, um dessen Votum abzuwarten. Auch dagegen protestierte der Kläger mit dem Bemerken, der Aufsichtsrat sei nicht handlungsfähig. Als Dr. Alfred D vorschlug, das Eintreffen Dipl.Ing. Otto JS und dessen Stimmabgabe abzuwarten, verließen Dr. Heinz I und der Kläger die Sitzung mit dem Bedeuten, der Aufsichtsrat sei nun nicht mehr beschlußfähig. Als Dipl.Ing.Otto J einige Minuten später erschien, begaben sich auch Dr. Heinz I und der Kläger wieder in das Sitzungszimmer und Dr. Karl G nahm die unterbrochene Sitzung wieder auf. Er informierte Dipl.Ing.Otto J vom Wahlvorschlag und vom Ergebnis der in dessen Abwesenheit durchgeführten Wahl und schlug vor, auch das verspätet eingetroffene Aufsichtsratsmitglied an der Wahl teilnehmen zu lassen.

Dipl.Ing.Otto J stimmte daraufhin für den Wahlvorschlag des Dr. Nikolaus F. Gegen diese Vorgangsweise wurde - auch vom Kläger - kein Einwand erhoben. In der Folge erklärte der Kläger jedoch, der Vorgang sei rechtlich nicht einwandfrei, vor allem sei Dr. Alfred D von der Gebietskörperschaft, die ihn in den Aufsichtsrat entsandt hatten, nicht zur übernahme des Vorsitzes ermächtigt worden. Dessenungeachtet stellte Dr. Karl G fest, Dr. Alfred D sei mit 7 gegen 4 Stimmen zum Vorsitzenden gewählt worden, und übergab diesem trotz des Protestes des Klägers den Vorsitz, worauf dieser die Sitzung verließ.

Der Kläger begehrte zuletzt (AS 50 f) die Feststellung, der von dem in der 36. außerordentlichen Generalversammlung der beklagten Partei am 13. Juli 1983

gewählten Aufsichtsrat in der konstituierenden Sitzung gefaßten Beschluß, Dr. Alfred D zum Aufsichtsratsvorsitzenden zu wählen, und der diesem Beschluß zugrundeliegende Wahlakt seien nichtig und unwirksam; hilfsweise begehrt er die Nichtigerklärung dieses Aufsichtsratsbeschlusses. Der Beschluß sei schon deshalb fehlerhaft, weil Dr. Nikolaus F zur Einberufug der Sitzung nicht berechtigt gewesen sei; überdies habe die Einladung keine Tagesordnung enthalten. Auch die Wahl sei schon deshalb nicht einwandfrei abgewickelt worden, weil die Sitzung bis zum Eintreffen eines zunächst nicht erschienenen Aufsichtsratsmitgliedes unterbrochen worden sei, um durch dessen Stimmabgabe die erforderlichen Mehrheiten zu erzielen.

Die beklagte Partei hat das Feststellungsinteresse des Klägers und die behauptete Fehlerhaftigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses bestritten.

Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualbegehren ab. Es verneinte das Feststellungsinteresse des Klägers, weil er selbst in seiner eigenen Rechtssphäre nicht betroffen sei, führte im übrigen aber auch noch aus, daß die Wahl des Dr. Alfred D zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates rechtlich einwandfrei zustande gekommen sei. Dr. Nikolaus F sei zur Einberufung des Aufsichtsrates berechtigt gewesen, weil gemäß § 30 i Abs. 2 GmbHG die antragstellenden Aufsichtsratsmitglieder den Aufsichtsrat selbst einberufen könnten, wenn ihrem Verlangen auf Einberufung nicht entsprochen werde. Durch § 7 Punkt 2 des Gesellschaftsvertrages sei das Erfordernis der Antragstellung durch zwei Mitglieder auf ein Mitglied verringert. Die im Einberufungsschreiben fehlende Tagesordnung gehe aus dem beigeschlossenen Schreiben vom 21. Dezember 1983 deutlich hervor. überdies hätten sich alle Mitglieder bis auf Hanns E, der sein Fernbleiben entschuldigt habe, zur Sitzung eingefunden, sodaß allfällige Mängel geheilt wären. Es sei nur ein Wahlvorschlag vorgelegen und es seien alle zur Wahl des Vorsitzenden erforderlichen Mehrheiten festgestellt worden. Die erforderliche Zustimmung der Mehrheit aller von der Gesellschafterversammlung entsandten Mitglieder zur Wahl sei mit der Zustimmungserklärung des später eingetroffenen Dipl.Ing.Otto J erzielt worden, dessen Erklärung der Kläger im übrigen nicht widersprochen habe. Bei der Erklärung des Dipl.Ing.Otto J sei der Wahlvorgang noch nicht abgeschlossen gewesen; im übrigen hätte dessen Zustimmungserklärung auch noch nachher erfolgen können. Der Aufsichtsrat sei auch beschlußfähig gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, der Wert des Streitgegenstandes übersteige S 300.000,--. Es bejahte zwar das Feststellungsinteresse des Klägers, weil für den Fall der Fehlerhaftigkeit des Wahlvorgangs eine Haftung des Aufsichtsrates oder seiner Mitglieder nicht ausgeschlossen werden könne, verneinte hingegen die vom Kläger behauptete Fehlerhaftigkeit des Beschlusses. Die Einberufung der Aufsichtsratsmitglieder zur konstituierenden Sitzung habe zwar keine Tagesordnung enthalten und sei auch entgegen § 30 i Abs. 2 GmbHG nicht von zwei Mitgliedern ausgegangen, doch seien die zur Beurteilung stehenden Beschlüsse deshalb nicht von Nichtigkeit betroffen, weil diese nur bei mangelnder Beschlußfähigkeit oder der Mißachtung von Verfahrensvorschriften anzunehmen sei, deren Einhaltung ein anderes Ergebnis gezeitigt hätte. Das treffe hier deshalb nicht zu, weil - mit Ausnahme von Hanns E, der sich entschuldigt habe - sämtliche Mitglieder des Aufsichtsrates an der einberufenen Sitzung teilgenommen und sich an der Abstimmung beteiligt hätten. Ob durch die Unterbrechung der Sitzung, um Dipl.Ing.Otto J Gelegenheit zu geben, an der Abstimmung teilzunehmen, allgemeine Grundsätze des Wahlverfahrens verletzt worden seien, müsse nicht weiter geprüft werden, weil die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen schon vor diesem Votum des erst später eingetroffenen Aufsichtsratsmitgliedes auf Dr. Alfred D entfallen sei. Für die Zustimmung der Mehrheit aller von den Gesellschaftern entsandten Mitglieder genüge hingegen die individuelle Zustimmung auch ohne Beteiligung an der Wahl. Demnach habe Dr. Alfred D zu seiner Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden beide nach § 110 Abs. 3 fünfter Satz ArbVG erforderlichen Mehrheiten erzielt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist im Ergebnis berechtigt. Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses des Aufsichtsrates der beklagten Partei und des diesem zugrundeliegenden Wahlaktes in der Sitzung vom 19. Jänner 1984, mit welchen Dr. Alfred D zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates bestellt wurde; hilfsweise beantragt er - mit Rechtsgestaltungsbegehren - die Nichtigerklärung dieses Beschlusses. Das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung enthält - ebenso wie das insoweit vorbildliche Aktiengesetz - keinerlei Bestimmungen über die Nichtigkeit und die Anfechtung von Aufsichtsratsbeschlüssen. Die Anwendung der §§ 41 ff GmbHG über die Voraussetzungen und Folgen der Nichtigerklärung fehlerhafter Gesellschafterbeschlüsse auf derartige Aufsichtsratsbeschlüsse im Wege der Analogie wird von der Lehre - die Rechtsprechung war mit solchen Fragen, soweit überblickbar, noch nicht befaßt - einhellig abgelehnt (Schiemer, AktG, § 92 Anm. 1 Punkt 4; Reich-Rohrwig, GmbHG 277;

Kastner-Doralt, Gesellschaftsrecht 4 203); dieser Auffassung kann beigepflichtet werden, weil das Gesetz jene Mängel der Aufsichtsratsbeschlüsse, die zu deren Anfechtung berechtigen, nicht näher bezeichnet. Die Lehre unterscheidet demnach auch nur zwischen wirksamen und unwirksamen (nichtigen) Aufsichtsratsbeschlüssen (Schiemer aaO;

Reich-Rohrwig aaO); die Nichtigkeit eines solchen Beschlusses kann demnach nur im Wege einer in ihren Voraussetzungen nach § 228 ZPO zu beurteilenden Feststellungsklage vom Gericht überprüft werden. Das erforderliche Feststellungsinteresse muß dabei aus der Rechtslage des Klägers abzuleiten sein, ein allgemeines Interesse an fehlerfreien Aufsichtsratsbeschlüssen reicht hingegen nicht aus (Schiemer aaO; Reich-Rohrwig aaO;

Kastner-Doralt aaO). Von der deutschen Lehre (Meyer-Landrut im Großkomm.

AktG. 3 § 108 Anm. 6 und 8; Mertens in Kölner Komm. AktG § 108 Anm. 78;

Meilicke in FS-Walter Schmidt 109 ff) wird dem einzelnen Mitglied des Aufsichtsrates das Feststellungsinteresse, das ein persönliches Interesse sein oder sich aus seiner Stellung als Aufsichtsratsmitglied ergeben könne (Meilicke aaO 109 f), ohne weiteres zugebilligt. Da dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates das Recht der Einberufung des Aufsichtsrates (§ 7 Punkt 5 des Gesellschaftsvertrages), vor allem aber das Dirimierungsrecht (§ 7 Punkt 6) zukommt, ist es leicht einzusehen, daß künftige Beschlußfassungen durch die nichtige Bestellung des Aufsichtsratsmitgliedes zum Vorsitzenden in einer bestimmten Richtung entscheidend beeinflußt werden könnten und dann ihrerseits selbst wieder nichtig sind. Meilicke (aaO) ist daher zuzustimmen, daß das einzelne Aufsichtsratsmitglied - schon im Hinblick auf das möglicherweise unterschiedliche Abstimmungsergebnis - befugt ist, auf die Beseitigung der unwirksamen inneren Organisation des Aufsichtsrates hinzuwirken. Daraus folgt, daß dem Kläger das in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Feststellungsinteresse (SZ 46/81.u.a.) nicht abgesprochen werden kann.

Welche Mängel die Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses zur Folge haben, ist - wie erwähnt - im Gesetz nicht besonders geregelt. Der Beschluß kann wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften oder wegen inhaltlicher Mängel nichtig sein, doch hat nicht jeder bei Zustandekommen des Beschlusses unterlaufene Fehler das Gewicht einer Nichtigkeit. Eine solche ist aber anzunehmen, wenn der Beschluß gefaßt wurde, ohne daß der Aufsichtsrat beschlußfähig gewesen wäre, ferner bei Mißachtung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein anderes Ergebnis möglich gewesen wäre (vgl. Reich-Rohrwig aaO; SZ 47/70 u.a.). Das gilt vor allem für den Fall der fehlerhaften Einberufung der Sitzung, in welcher der bekämpfte Beschluß gefaßt wurde. Nichtig ist der Aufsichtsratsbeschluß demnach insbesondere, wenn die Sitzung von einem Nichtberechtigten einberufen wurde oder der Gegenstand der Beschlußfassung bei der Einberufung nicht angegeben war (HS 2292/63, 2293 und 2294/117;

Schiemer aaO; Kastner in FS-Rudolf Strasser 856 f;

Meilicke aaO 80 f; Schilling in Hachenburg, Großkomm. GmbHG 7 § 52 RdNr 105; Scholz-Schneider, GmbHG 6 § 52 RdNr 311;

Meyer-Landrut aaO Anm. 7; Mertens aaO Anm. 69; Gessler, AktG § 108 RdNr. 70;

Godin-Wilhelmi, AktG 4 § 108 Anm. 5).

Der Kläger rügt zurecht, daß der Aufsichtsratsbeschluß mit welchem Dr. Alfred D zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats bestellt wurde, und der diesem zugrundeliegende Wahlakt infolge mehrfacher Verstöße gegen die Vorschriften über die Einberufung der Sitzung auf gesetzwidrige Weise zustandegekommen ist. Gemäß § 30 i Abs. 1 GmbHG kann jedes Aufsichtsratsmitglied unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangen, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrats unverzüglich den Aufsichtsrat einberuft.

Wird einem von mindestens zwei Aufsichtsratsmitgliedern geäußerten Verlangen nicht entsprochen, können die Antragsteller unter Mitteilung des Sachverhalts den Aufsichtsrat selbst einberufen (Abs. 2). Das Recht der ersatzweisen (Selbsthilfe-)Einberufung ist gegenüber der Antragsbefugnis demnach eingeschränkt, weil zur Einberufung unter den in Abs. 2 genannten Voraussetzungen nur zwei Aufsichtsratsmitglieder berechtigt sind (Reich-Rohrwig aaO 268). Ob der Gesellschaftsvertrag - wie Reich-Rohrwig (aaO) meint - auch ein einzelnes Mitglied, das vergeblich nach Abs. 1 eingeschritten ist, zur Einberufung legitimieren kann, muß deshalb nicht geprüft werden, weil der Gesellschaftsvertrag im § 7 Punkt 5 lediglich Abs. 1 (mit etwas geändertem Wortlaut) wiedergibt; daher ist auch die Auffassung des Erstgerichtes, Dr. Nikolaus F sei im Hinblick auf sein erfolgloses Aufforderungsschreiben vom 21. Dezember 1983 auch allein zur Einberufung der konstituierenden Sitzung berechtigt gewesen, verfehlt. Das Gericht zweiter Instanz hat zutreffend - ohne allerdings die notwendigen Schlüsse zu ziehen - erkannt, daß Dr. Nikolaus F allein zur Einberufung der (konstituierenden) Sitzung des Aufsichtsrats der beklagten Partei nicht berechtigt war. Dem Einberufungsschreiben war zwar eine Tagesordnung (in Form des Schreibens vom 21. Dezember 1983) angeschlossen, doch waren darin nicht alle Verhandlungsgegenstände - wie erforderlich (für viele Reich-Rohrwig aaO 269

und Kastner aaO) - deutlich angeführt, sodaß jedes einzelne Mitglied im Stande gewesen wäre, sich auf alle diese Punkte vorzubereiten. Vor allem enthielt das als Tagesordnung angeschlossene Schreiben keinerlei Hinweis auf den besonders wichtigen Punkt der Wahl der Funktionäre (vgl. Beilage C).

Eine Heilung dieser Einberufungsfehler setzt die Beschlußfassung durch eine Teilnahme aller Mitglieder an der verfehlt einberufenen Aufsichtsratssitzung voraus (vgl. HS 2294/117 u.a.; Schilling aaO; Kastner aaO 857). An der fraglichen Aufsichtsratssitzung hat aber jedenfalls das gewählte Mitglied Hanns E nicht teilgenommen. Daran ändert auch nichts die Entschuldigung dieses Aufsichtsratsmitgliedes, weil Hanns E - sofern er vom Sitzungstermin überhaupt verständigt worden war (was nicht feststeht) - zumindest nicht über die in der Sitzung vorzunehmende (oder jedenfalls vorgenommene) Wahl der Funktionäre informiert worden war. Es kann keineswegs ausgeschlossen werden, daß Hanns E, wäre er von diesem Vorhaben rechtzeitig in Kenntnis gesetzt worden, zur Sitzung erschienen wäre, ferner steht auch keineswegs fest, daß die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden nicht doch ein anderes Ergebnis gezeitigt hätte, wenn Hanns E an der Sitzung teilgenommen und in die Beratung vor der Wahl eingegriffen hätte.

Die in der Aufsichtsratssitzung vom 19. Jänner 1984 vorgenommene Bestellung des Dr. Alfred D zum Aufsichtsratsvorsitzenden ist deshalb gesetzwidrig zustandegekommen und daher nichtig, weshalb in Stattgebung der Revision des Klägers seinem Hauptbegehren zu entsprechen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E05186

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00514.85.0227.000

Dokumentnummer

JJT_19850227_OGH0002_0010OB00514_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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