Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf A, Mineur, Karlstadt-Wiesenfeld, Hausenerstraße Nr.18, vertreten durch Dr. Walter Lenfeld, Rechtsanwalt in Landeck, wider die beklagte Partei Rosemaria A, Hausfrau, Landeck, Salurnerstraße 4, vertreten durch Dr. Herbert Kofler, Rechtsanwalt in Landeck, wegen Ehescheidung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 21.Dezember 1984, GZ 5 R 320/84-16, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 21.September 1984, GZ 14 Cg 309/84-5, zurückgewiesen wurde, folgenden Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit der am 2.7.1984 beim Erstgericht erhobenen Klage begehrte der Kläger seine am 26.10.1965 vor dem Standesbeamten in Pians mit der Beklagten geschlossene Ehe aus deren Verschulden zu scheiden. Als Scheidungsgrund machte der Kläger schwere Eheverfehlungen der Beklagten im Sinne des § 49 EheG geltend. Die im Verfahren erster Instanz anwaltlich nicht vertretene Beklagte räumte ihr überwiegendes Verschulden am Scheitern der Ehe ein, stellte einen Mitverschuldensantrag, den sie darauf gründet, daß auch der Kläger sich ehewidrig verhalten und damit zum Scheitern der Ehe beigetragen habe. Nachdem das Erstgericht in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 21.9.1984 die Streitteile zu den behaupteten Eheverfehlungen als Partei vernommen hatte, schlossen die Streitteile für den Fall der Rechtskraft des Scheidungsurteiles einen gerichtlichen Vergleich, in dem sie wechselseitig auf Unterhaltsansprüche verzichteten und zwar auch bei geänderten Verhältnissen und im Falle der Not. Mit Urteil vom gleichen Tag wurde die Scheidung der Ehe aus beiderseitigem, jedoch überwiegendem Verschulden der Beklagten ausgesprochen. Unmittelbar anschließend verzichteten beide Parteien auf Rechtsmittel, die Beklagte nach entsprechender Rechtsmittelbelehrung. Das Ersturteil wurde der Beklagten am 22.10.1984 zugestellt.
Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten als unzulässig zurück. Es führte zur Begründung aus, gemäß § 27 Abs.2 ZPO seien Ehesachen, sofern nicht gleichzeitig vermögensrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, vom absoluten Anwaltszwang (§ 27 Abs.1 ZPO) angenommen. Die sich aus der Bestimmung des Art. IV Z 2 der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl.1983/135, ergebende Abänderung des § 27 Abs.2 ZPO sei für die bis 31.12.1985 gerichtsanhängig werdenden Eheverfahren gemäß Art. XVII § 2 Abs.1
Z 13 der Zivilverfahrens-Novelle 1983 ohne Bedeutung. Für die Befreiung vom Anwaltszwang gebe der durch die Klage umschriebene Prozeßgegenstand den Ausschlag. Werde ein vermögensrechtlicher Anspruch im Wege der Klage nicht geltend gemacht, bestehe kein Anwaltszwang. Nur in jenen Verfahren, in denen Anwaltszwang herrsche, bedürfe auch der Abschluß eines gerichtlichen Vergleiches oder die Abgabe eines Rechtsmittelverzichts der Mitwirkung des Rechtsanwaltes. Im vorliegenden Fall seien Unterhaltsansprüche nicht Verfahrensgegenstand gewesen, sodaß der unmittelbar nach der Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung erklärte Rechtsmittelverzicht der Beklagten wirksam sei. Der Umstand, daß sich die Beklagte bei Abgabe des Rechtsmittelverzichts über die finanziellen Auswirkungen der Scheidung und des Unterhaltsverzichts möglicherweise nicht im klaren gewesen sei, vermöge daran nichts zu ändern.
Rechtliche Beurteilung
Dem gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurs der Beklagten kommt Berechtigung nicht zu.
Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung besteht in Ehesachen absoluter Anwaltszwang, wenn im Scheidungsverfahren auch vermögensrechtliche Ansprüche, insbesondere auf Leistung von Unterhalt, klageweise geltend gemacht werden (JBl 1984, 500; RZ 1978/136; SZ 34/96; Fasching Kommentar II 252 Anm.5; Fasching Lehrbuch Rdz 439). In einem solchen Fall bedarf auch der Abschluß eines gerichtlichen Vergleichs der Mitwirkung eines Rechtsanwaltes. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, waren im vorliegenden Fall vermögensrechtliche Ansprüche mangels Einklagung (durch den Kläger oder die Beklagte als Widerklägerin) nicht Streitgegenstand, sie wurden es auch nicht dadurch, daß die Parteien in einem Vergleich solche Ansprüche - hier durch Verzicht - regelten (JBl 1984, 500; RZ 1978/136; SZ 34/96). Bestand aber im Verfahren kein absoluter Anwaltszwang, bedurfte auch der von der Beklagten erklärte Rechtsmittelverzicht nicht der Mitwirkung eines Rechtsanwaltes. Zu den weiteren Rekursausführungen sei bemerkt, daß sich der Rechtsmittelverzicht selbstverständlich nur auf die urteilsmäßige Entscheidung des Erstrichters über das erhobene Scheidungsbegehren beziehen konnte. Unterhaltsansprüche waren nicht Gegenstand dieser Entscheidung, sodaß sich der Rechtsmittelverzicht auf sie nicht erstrecken kann. Der Einklagung von Unterhaltsansprüchen stünde daher auch nicht der erklärte Rechtsmittelverzicht entgegen, wohl aber wäre auf die vergleichsweise Regelung der Unterhaltsansprüche Bedacht zu nehmen. Die Zurückweisung der Berufung entspricht dem Gesetz, sodaß dem Rekurs der Erfolg zu versagen ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.
Anmerkung
E05192European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00516.85.0227.000Dokumentnummer
JJT_19850227_OGH0002_0010OB00516_8500000_000